Cupcakes und Feen

17. April 2014 • Medienökonomie • von

Zeitschriften laufen ganz gut am Kiosk, Zeitungen nicht. Der geneigte Leser und Nichtleser weiß, warum.

Die Zwillinge von Roger Federer sind inzwischen fünfjährig, aber in den Kindergarten gehen sie nicht. So steht es diese Woche in der Schweizer Illustrierten (SI).

Die Zwillinge von Roger Federer bekommen bald Geschwister, und womöglich sind es wieder Zwillinge. So steht es diese Woche in der Glückspost.

Ohne SI und Glückspost hätten wir von den neusten Entwicklungen in der Familie Federer nichts erfahren. Dies ist der große Vorteil der Zeitschriften gegenüber den Zeitungen. Zeitschriften erzählen Geschichten. Es sind Geschichten, die man sonst nirgendwo bekommt.

Zeitungen hingegen erzählen kaum Geschichten. Zeitungen verbreiten Nachrichten. Es sind Nachrichten, die man auch sonst überall bekommt. Am Kiosk zeigt sich dieser Unterschied besonders deutlich. Zeitschriften verkaufen sich recht gut. Der Absatz von Tageszeitungen hingegen ist völlig eingebrochen.

Schauen wir einmal, welche Zeitungen und Zeitschriften sich im Jahr 2013 an den Deutschschweizer Kiosken am besten verkauften.

     ZeitungenZeitschriften
 1  SonntagsblickNeue Post
 2  BlickFreizeit-Revue
 3  SonntagszeitungGlückspost
 4  NZZ am SonntagSchweizer Illustrierte
 5  BildIn Touch
 6  Tages-AnzeigerTV vier
 7  Bild am SonntagNeues Blatt
 8  NZZBunte
 9  Basler ZeitungGala
10 Corriere della SeraDie Aktuelle

In absoluten Zahlen verkauft der Sonntagsblick am Kiosk 62000 Exemplare, Bruder Blick im Schnitt 37000 pro Tag. Zu den besten Zeiten waren es bei beiden mehr als hunderttausend Exemplare mehr. Ein Tages-Anzeiger kommt heute noch auf 5500 Stück pro Tag, eine NZZ gerade mal auf 3000. Die Bild, der stärkste Auslandtitel, setzt im Schnitt 7000 Exemplare ab.

Bei den Magazinen fällt zuerst auf, dass es hier eine größere Masseneinwanderung aus Deutschland gibt. Auch die Auflagen liegen in höheren Dimensionen. Spitzenreiter Neue Post verkauft am Kiosk 27000 Exemplare. Auch Glückspost und Schweizer Illustrierte liegen etwas über 20000, die Bunte verkauft noch 15 000 Stück. Keine Chance auf die Top Ten hat ein gehobener Titel wie der Spiegel, der gerade mal 8000 Käufer findet.

Zeitschriften sind nie auf die Schnapsidee der Tageszeitungen verfallen und haben ihre Inhalte gratis aufs Internet gestellt. Sie sind darum ein lebendiges Geschäft geblieben. Über 5000 Magazine gibt es an Schweizer Kiosken. Allein im deutschsprachigen Raum starten jedes Jahr Dutzende von Titeln. Die letzten Neugründungen von 2014 hießen etwa Cupcake Heaven (über Cupcakes) oder Die Exklusive! (über Prominente) oder Flowee (über Feen).

Magazine sind auch darum erfolgreicher, weil sie den Gesellschaftstrend der Segmentierung viel besser auffangen können. Das Publikum zerfällt zunehmend in Teilmengen. Immer kleinere Zielgruppen interessieren sich für immer kleinere Nischen, dafür interessieren sie sich umso brennender dafür. Zielgerichtete Zeitschriften können diese Nischen von Cupcakes bis Feen abdecken, breitgefächerte Zeitungen können das nicht.

Zeitschriften erscheinen darum neu und verschwinden wieder. Tageszeitungen verschwinden nur. Die jüngste Schweizer Zeitschrift, unter dem Namen Sept, wurde vergangene Woche gestartet. Die jüngste klassische Tageszeitung der Schweiz, unter dem Namen Tages-Anzeiger, stammt von 1893.

Bildquelle: DixieBelleCupcakeCafe / Flickr Cc

Erstveröffentlichung: Die Weltwoche vom 10. April 2014

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