Journalismus & Demokratie: Eine unzertrennbare Allianz?

17. September 2014 • Pressefreiheit, Qualität & Ethik, Ressorts • von

Journalismus und Demokratie – das eine scheint ohne das andere kaum denkbar. Die seit Jahren stark diskutierte Medien- und Journalismuskrise wird stets als Bedrohung der Demokratie verstanden. Zugleich wird angenommen, dass Journalismus sich im Grunde nur in demokratischen Gesellschaften entfalten kann. Auf der diesjährigen Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Kommunikations- und Medienwissenschaft (SGKM) haben drei Kommunikationswissenschaftler aus Fribourg und Zürich die Frage aufgeworfen, ob diese Sichtweise nicht eine folgenreiche Vereinfachung sei. Sie stellten dabei einen eigenen theoretischen Ansatz vor, der die Entstehung und die Funktion von Journalismus nicht an demokratische Gesellschaften gebunden sieht und damit die Perspektive erweitern soll. Dies löste vor Ort eine angeregte und zum Teil hitzige Debatte aus. Das EJO hat Silke Fürst, Stefan Bosshart und Philomen Schönhagen daher gefragt, was wir gewinnen, wenn wir uns beim Nachdenken über Journalismus von demokratietheoretischen Annahmen lösen.

Interview: Filip Dingerkus

Sie hinterfragen die enge Verknüpfung von Journalismus und Demokratie – warum?

Um es vorwegzunehmen: Wir behaupten nicht, Journalismus spiele für das Funktionieren einer Demokratie keine Rolle oder sei in einer Demokratie nicht wichtig. Uns geht es darum, aus einer theoretischen Perspektive darauf hinzuweisen, dass öffentliche Kommunikation, die nun einmal wesentlich durch den Journalismus ermöglicht wird, für den Bestand jeglicher Gesellschaft eines gewissen Komplexitätsgrads absolut zentral ist, und zwar unabhängig von der tatsächlichen Regierungs- oder Staatsform dieser Gesellschaft. Sonst gäbe es nur in demokratischen Ländern Journalismus, was nicht der Fall ist.

Übersieht man dabei aber nicht die Rolle der Pressefreiheit, die vor allem in Demokratien gewährleistet wird?

Ganz ohne Frage ist die Pressefreiheit für die Qualität des Journalismus wichtig. Aber uns sollte klar sein, dass Pressefreiheit immer graduell ist und auch in demokratischen Gesellschaften kein selbstverständliches Gut darstellt (siehe beispielsweise den Beitrag von Horst Pöttker „Meilenstein der Pressefreiheit“). In der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ können wir etwa sehen, dass Kuwait mit seiner konstitutionellen Erbmonarchie eine etwas höhere Pressefreiheit bescheinigt wird als demokratischen Staaten wie Griechenland und Bulgarien. Noch aufschlussreicher sind internationale Journalismusstudien (z. B. Hanitzsch et al. 2011). Sie stellen heraus, dass Journalismus in unterschiedlichen Staats- und Regierungsformen bestimmten Prinzipien folgt. Den Anspruch des Journalismus, eine unabhängige Vermittlung von gesellschaftlich relevanten Informationen und Themen zu leisten, gibt es also auch in weniger beziehungsweise in nicht-demokratischen Gesellschaften.

Sie haben in Ihrem Vortrag auch herausgestellt, dass der Journalismus nicht aus einer demokratischen Gesellschaftsverfassung heraus entstanden ist. Was sagt uns das überhaupt für unser heutiges Verständnis von Journalismus?

Eine historische Analyse des Journalismus zeigt eben, dass die Prinzipien wie Vielfalt, Transparenz oder Trennung von Nachricht und Kommentar, die heute als „demokratische“ Werte bezeichnet werden, tatsächlich schon bei den ersten Wochenzeitungen zu Beginn des 17. Jahrhunderts leitende Prinzipien des Journalismus waren. Die Französische Revolution ließ da noch fast zwei Jahrhunderte auf sich warten. Der Journalismus ist also in einer Zeit feudaler beziehungsweise absolutistischer Gesellschaftsverhältnisse entstanden. Er entwickelte sich aus dem Bedürfnis, über räumliche Grenzen hinweg einen gesellschaftsweiten Diskurs zwischen verschiedenen Gruppen herzustellen. Bereits die ersten Zeitungen hatten den Anspruch, ein unparteiliches und vielfältiges Forum für den gesellschaftlichen Diskurs zu bieten – und dieser Anspruch hat sich in der Berichterstattung auch tatsächlich niedergeschlagen (siehe etwa Schönhagen 2001). Was sagt uns das? Damit wird deutlich, dass es sich um Werte und Ansprüche handelt, die aus dem Journalismus selbst entstanden und für ihn zentral sind. Sie entstammen also nicht den Rahmenbedingungen und Werten demokratischer Gesellschaften. Die historische Analyse des Journalismus macht uns klar, dass Journalismus und Demokratie nicht notwendig aufeinander bezogen sind. Entsprechend brauchen wir ein breiteres Verständnis von Journalismus, das sich von der Demokratietheorie löst.

Nun leben wir aber in einer demokratischen Gesellschaft. Was gewinnen wir denn für die Analyse des Journalismus, wenn wir ihn nicht durch die Brille der Demokratie betrachten?

Uns geht es um eine Ausweitung der Perspektive auf den Journalismus. Im Zusammenhang mit seinen Funktionen für die Demokratie wird der Blick auf Journalismus sehr häufig verengt auf „politischen Journalismus“. Es geht dann etwa um Funktionen wie Meinungsbildung (zum Beispiel vor Abstimmungen und Wahlen) oder die Kritik- und Kontrollfunktion journalistischer Medien als sogenannte „watchdogs“. Das ist schön und gut und auch richtig, aber die Vermittlungsleistung des Journalismus geht viel weiter. Denken Sie nur an Ressorts wie Wirtschaft, Kultur, Sport, Gesundheit, Technologie und Wissenschaft, Ratgeberthemen und so weiter.

Mit dieser Sichtweise sind Sie nicht ganz alleine. So ist kürzlich ein ganzes Heft der Zeitschrift Journalism erschienen, das die enge Verbindung von Journalismus und Demokratie hinterfragt (worauf sich Ihr Vortrag auch bezogen hat). Warum kommt das Thema denn erst jetzt – und gerade jetzt – auf den Tisch?

Dies hat sicher auch damit zu tun, dass die internationale Journalismusforschung erst in den letzten Jahren erstarkt ist und Ergebnisse zu Tage fördert, die unseren Blick auf den Journalismus erweitern. Dadurch beschäftigen wir uns intensiver mit Journalismus in nicht-demokratischen Gesellschaften und lernen die Unterschiede, aber eben auch die – vielleicht weniger erwarteten – Gemeinsamkeiten kennen. Die historischen Arbeiten zum Journalismus hätten uns ganz sicher auch schon weiterführen können. Dass dies weniger der Fall ist, wird vermutlich auch daran liegen, dass die Kommunikations- und Mediengeschichte in unserem Fach etwas stiefmütterlich behandelt wird. Und zudem bestehen hier natürlich gewisse Auslegungsfreiheiten. Auch wenn die ersten Zeitungen nachweislich zu Beginn des 17. Jahrhunderts entstanden sind, hat man im Sinne des demokratietheoretischen Denkens argumentiert, dass der „richtige“ Journalismus erst im 19. und 20. Jahrhundert entstanden sei. Die Autoren des genannten Heftes von „Journalism“ verstehen es, historische und international vergleichende Beispiele und Ergebnisse beizubringen, die den direkten Zusammenhang von Journalismus und Demokratie fraglich erscheinen lassen. Allerdings stellen sie keinen eigenen Ansatz oder Lösungsvorschlag vor. Ihre Leistung liegt vor allem in der Problematisierung. Wir setzen an diesem Punkt an und stellen als erweiterte Perspektive den „vermittlungstheoretischen Ansatz“ (VTA) vor.

Welche Argumente sprechen denn dafür, dass der von Ihnen gewählte vermittlungstheoretische Ansatz für das Verständnis von Journalismus besser geeignet ist als die vorliegenden Ansätze (siehe etwa die Arbeiten von Arnold 2008 und 2009)?

Wir wollen nicht behaupten, dass unser vermittlungstheoretischer Ansatz stets besser geeignet ist, um Journalismus und dessen Qualität zu analysieren. Aber: Indem wir konsequent auf die Vermittlungsfunktion des Journalismus hinweisen, sie als „Kernfunktion“ des Journalismus hervorheben, machen wir einen Punkt klar, der unseres Erachtens bei anderen Ansätzen einen blinden Fleck darstellt. Arnold (2008) sieht beispielsweise die Funktion des Journalismus darin, „aktuelle Themen aus den diversen Teilsystemen der Gesellschaft zu sammeln, auszuwählen, zu bearbeiten und dann diesen Systemen als Medienangebote zur Verfügung zu stellen, um so eine möglichst anschlussfähige Selbstbeobachtung zu ermöglichen“ (Arnold 2008: 493). Dass Journalismus die Selbstbeobachtung der Gesellschaft ermöglicht, wie es systemtheoretisch häufig formuliert wird, dem würden wir zweifellos zustimmen. Wir präzisieren aber die Art und Weise, wie diese Selbstbeobachtung über den Journalismus zustande kommt. Arnold spricht hier wie viele Autoren lediglich von „Fremddarstellung“ im Journalismus (im Gegensatz etwa zu PR und Werbung als Formen der „Selbstdarstellung“). Statt von „Fremddarstellung“ sprechen wir bewusst von „Fremdvermittlung“. Journalisten beschreiben demnach die Welt nicht in erster Linie, wie sie diese selbst als Außenstehende wahrnehmen (= Fremddarstellung), sondern im Kern stellen sie dar, wie andere diese Welt sehen. Konkret heißt das, dass sie andere sprechen lassen, also deren Aussagen vermitteln (= Fremdvermittlung). Nichts anderes passiert ja andauernd in der Berichterstattung: Es werden Quellen, Sprecher und deren Positionen, Einschätzungen und Entscheidungen wiedergegeben und mit Aussagen anderer Quellen und Sprecher konfrontiert. Dazu gehören natürlich auch die Pressesprecher. Journalismus vermittelt also die Kommunikation Dritter und erst dadurch kommt ein Diskurs zwischen verschiedenen, gesellschaftlichen Gruppen und Interessen zustande. Es muss kaum erwähnt werden, dass Journalisten diese Vermittlung auf eine spezifische Weise herstellen, nach eigenen Regeln und eigenen Relevanzkriterien.

Grenzen Sie sich damit bewusst von bestimmten Annahmen ab, die in der Kommunikationswissenschaft Tradition haben?

Das wäre sicher etwas zu scharf formuliert, zumal wir den Ansatz nicht selbst entwickelt haben. Er basiert auf den Arbeiten von Karl d’Ester, Bernd Maria Aswerus sowie Otto Groth und wurde von Hans Wagner weiterentwickelt. Die ersten Grundsteine wurden also vor über 80 Jahren gelegt und in den nachfolgenden Jahrzehnten ausgebaut. Insofern hat der Ansatz selbst eine eigene Tradition im Fach. Was aber sicher richtig ist: Der vermittlungstheoretische Ansatz ist nicht breit rezipiert worden und steht relativ quer zum etablierten Verständnis von Journalisten als Kommunikatoren. Natürlich bringen sich Journalisten häufig auch selbst ein, am deutlichsten etwa in Kommentaren, Leitartikeln und Glossen. Dann geht es tatsächlich primär um ihre eigenen Ansichten und Argumente, hier sind sie „Kommunikatoren“ im eigentlichen Sinne. Dies hat Otto Groth bereits deutlich gesehen und solche Formen als „produzierende“ Rolle bezeichnet. Zentral für den Journalismus ist laut Groth allerdings seine „vermittelnde“ Rolle. Das erkennen wir auch daran, dass er seit seiner Entstehung vor allem als unparteiliches Forum für den gesellschaftlichen Diskurs verstanden wird. Modelltheoretisch heißt das, dass hier die vermittelten Quellen und Sprecher als die jeweiligen Kommunikatoren verstanden werden. Der Journalist steht an dieser Stelle lediglich dafür ein, dass er die Aussagen der Sprecher angemessen vermittelt hat. Die Aussagen selbst werden aber den Sprechern zugerechnet. Sie werden entsprechend auch zur Rechenschaft gezogen, wenn ihre veröffentlichten Aussagen daneben waren oder sich als sehr strittig erweisen. Insofern grenzt sich der vermittlungstheoretische Ansatz von der Annahme ab, Journalisten als die primären Kommunikatoren anzusehen. Meist agieren sie in der Rolle des Vermittlers.

Es gibt aber auch andere theoretische Ansätze, die von der Vermittlungsleistung des Journalismus sprechen. Was macht denn hier genau den Unterschied?

Wir stellen die Vermittlungsfunktion von Journalismus in den Mittelpunkt, und zwar im wortwörtlichen Sinn. In der Literatur ist zwar durchaus auch von „Vermittlung“ die Rede, doch ist damit dann teils auch gemeint, dass Journalismus zwischen der Zivilgesellschaft oder der Bevölkerung einerseits und der Politik beziehungsweise den Entscheidungsträgern andererseits Themen „vermittelt“. Wir verstehen Vermittlung aber, wie gesagt, breiter und grundlegender: Journalismus vermittelt zu einem wesentlichen Teil die Aussagen Dritter, die so miteinander in einen Diskurs treten. Und mit diesen „Dritten“ meinen wir nicht primär einzelne Personen. Die vom Journalismus vermittelten Positionen sind überwiegend jene von sogenannten Repräsentanten, die im Namen größerer Gruppen sprechen. In der Journalismus- und Qualitätsforschung ist diese Überlegung der Repräsentanz bisher kaum von Bedeutung. Die Kommunikationsforschung hat insgesamt noch immer ein nur begrenzt fruchtbares Publikumsbild. Die Nutzer werden zwar nicht mehr pauschal als passiv, sondern als aktiv und selektiv verarbeitend verstanden. Nach wie vor ist aber die Vorstellung verbreitet, dass das Publikum aus einer Ansammlung von „Otto-Normalverbrauchern“ und politischen Bürgern besteht, deren Positionen – im Unterschied zu den sogenannten Entscheidungsträgern – nicht im öffentlichen Diskurs vermittelt werden. Die Forschung berücksichtigt dabei zu wenig die unterschiedlichen sozialen Rollen und die soziale Eingebundenheit von Rezipienten. Der vermittlungstheoretische Ansatz betont dagegen, dass massenmediale Kommunikation einen Austausch zwischen gesellschaftlichen Gruppen ermöglicht. Teile des Publikums werden durch die Aussagen von Sprechern repräsentiert oder werden etwa auch als konkurrierende Interessengruppe oder als Verhandlungspartner adressiert. Das bedeutet auch: Rezipienten wollen sich nicht nur eine eigene Meinung bilden, sie wollen ihre Positionen (als Eltern, als Parteianhänger, als Autofahrer, als Mitglieder oder Kunden von Verbänden und Unternehmen, als Befürworter einer bestimmten politischen Entscheidung oder eines kulturellen Angebotes) im öffentlichen Diskurs vertreten und gestärkt sehen.

Ist diese Perspektive anschlussfähig? Gibt es Studien, die diese Annahmen erhärten?

Es gibt in der internationalen Forschung eine ganze Reihe von empirischen Studien, die zeigen, dass in Medienberichten zumeist offizielle Sprecher von Gruppen zitiert werden. Das ist letztlich auch kaum anders vorstellbar. Journalismus arbeitet hochgradig selektiv, deshalb kann nicht jeder für sich selbst zu Wort kommen. Wichtig ist aber, dass sich die Rezipienten in der Vielfalt der unterschiedlichen Positionen und Themen repräsentiert sehen. Und relevant ist auch, in welchem Maße der Journalismus zwischen diesen unterschiedlichen Positionen vermittelt, sie also innerhalb eines Berichtes oder über mehrere Berichte hinweg gegenüberstellt und miteinander in Diskussion bringt. Diese Aspekte könnte die Forschung vermehrt in den Blick nehmen.

Wie müsste ein Analyseinstrument, das auf diesen Überlegungen aufbaut, denn aussehen?

Basal ist hierbei die Analyse des Austausches von unterschiedlichen Positionen zwischen gesellschaftlichen Gruppen. Es stellt sich also die Frage nach der Diskursivität beziehungsweise dem konkreten Wechsel zwischen Sprechern und Angesprochenen, zwischen denen der Journalismus vermittelt. Das ist in der Forschung bisher zu wenig berücksichtigt. In der Kommunikationswissenschaft werden vor allem die neuen Medien auf ihre Diskursivität und Interaktivität untersucht. Das zeigt sich beispielsweise auch in den Publikationen des fög (siehe die aktuellen Hauptbefunde zum Jahrbuch „Qualität der Medien“). Hier wird der „Geltungsanspruch“ auf „Interaktion und Diskurs“ an die Social Media, beispielsweise Twitter, herangetragen. Der Journalismus wird dagegen als einseitige Kommunikation betrachtet (S. 21). Diese Perspektive schlägt sich dann auch im Untersuchungsinstrument nieder. Die Berichterstattung wird daran gemessen, wie vielfältig die vermittelten Themen sind, welche gesellschaftliche Relevanz die vermittelten Sprecher haben und inwieweit etwa auch Experten und Gastautoren eigene Beiträge veröffentlichen können. Das ist mit unserem Ansatz durchaus kompatibel, aber in unseren Augen nur ein erster Schritt. Denn es müsste stärker untersucht werden, wie sich die verschiedenen Sprecher und Positionen aufeinander beziehen und wen sie adressieren und repräsentieren. Diskurse sind zudem an Themen gebunden, die sich über mehrere Berichte und Ausgaben hinweg entfalten. Entsprechend würden wir Vielfalt zum Beispiel nicht innerhalb einzelner Zeitungsausgaben messen und jeden Beitrag nur für sich betrachten. Stattdessen interessieren wir uns dafür, inwieweit längerfristig innerhalb bestimmter Diskussionen und Themenverläufe alle von einem Problem betroffenen Gruppen und Sichtweisen einbezogen werden. Der Fokus des Instrumentes liegt also auf dem Diskurs zwischen verschiedenen Positionen, der Qualität der Vermittlung und den in der Berichterstattung repräsentierten Gruppen (dazu ausführlich Schönhagen 2000, S. 564-566). Trotz dieser wichtigen Unterschiede ist es richtig, dass es auch viele Überschneidungen zur bestehenden Methodik gibt. Auch der vermittlungstheoretische Ansatz interessiert sich für die Vielfalt von Themen, Sprechern und Meinungen, für die Transparenz der Primärquellen oder die Trennung von Nachricht und Kommentar. Insofern ist der Ansatz anschlussfähig an vorliegende Studien, betont aber die Bedeutung von Sprechervielfalt und Sprecherwechseln innerhalb eines Themas.

Was glauben Sie, hat bei Ihrem Vortrag die zum Teil hitzigen Reaktionen ausgelöst? Warum wurde er als Provokation verstanden?

Darüber können wir natürlich nur Mutmaßungen anstellen. Vermutlich wurde er zum Teil als Angriff auf einen zentralen Wert empfunden. Denn wenn die Forschung feststellt, dass wir in einer Journalismuskrise stecken oder dass die journalistische Qualität in den letzten Jahren abgenommen hat, dann kann sie an Hand des demokratietheoretischen Rahmens die Tragweite dieser Ergebnisse unmittelbar verdeutlichen. Und zwar nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch im öffentlichen Diskurs. Sie kann sagen: „Die Leistungen des Journalismus stimmen nicht mehr“ oder „der Journalismus kann seiner öffentlichen Funktion nicht mehr nachkommen“. Folglich: „Der Bürger wird nicht mehr in die Lage versetzt, sich zu politischen Prozessen eine eigene Meinung bilden zu können – damit ist ein Grundpfeiler unserer Demokratie gefährdet.“ Der missverständliche Punkt ist, dass wir die Wertigkeit der Demokratie ja gar nicht untergraben. Wir greifen solche Aussagen nicht an. Wir machen nur deutlich: Mit dem Journalismus steht noch mehr auf dem Spiel als die Demokratie, nämlich der gesellschaftliche Zusammenhalt. Eine Gesellschaft kann nur durch gesellschaftsweite Kommunikation entstehen und fortbestehen. Der Journalismus ist dafür ungemein wichtig. Er stellt einen Diskurs innerhalb der verschiedensten gesellschaftlichen Felder her, nicht nur der Politik, und bringt verschiedene Gruppen kontrovers ins Gespräch. Die Bedeutung des Journalismus wird aber dadurch nicht geschmälert, im Gegenteil. Mit seiner Vermittlungsfunktion ist er für jede Gesellschaft von zentraler Bedeutung.

Das Interview knüpft an folgenden Vortrag an:

Fürst, Silke / Schönhagen, Philomen / Bosshart, Stefan (2014): Die Verknüpfung von Journalismus und Demokratie – eine historische und theoretische Engführung? SGKM-Jahrestagung „Abbruch – Umbruch – Aufbruch: Der Wandel der Schweizer Medienlandschaft im internationalen Kontext“. Universität Zürich, 12.04.2014.

Bildquelle: Wordle / Visualisierungsgrundlage der Darstellung:
McNair, Brian (2009): Journalism and Democracy. In: Wahl-Jorgensen, Karin / Hanitzsch, Thomas (Hrsg.): The Handbook of Journalism Studies. New York: Routledge, S. 237-249.

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