Gemeinnütziges Recherchebüro Correctiv

4. September 2014 • Redaktionsmanagement • von

David Schraven, ehemaliger Recherche-Chef der Funke-Mediengruppe, hat laut eigenen Angaben das erste gemeinnützige Recherchebüro im deutschsprachigen Raum gegründet. Von der Brost-Stiftung finanziert, setzt Schraven auf investigativen Journalismus und will dessen Methoden verbreiten.

Herr Schraven, mit Ihrem Recherchebüro möchten Sie unabhängigen Journalismus betreiben. Wie genau definieren Sie diesen?

Unabhängiger Journalismus heißt, dass wir recherchieren können, ohne Rücksicht auf die Ergebnisse. Wir können uns Themen setzen, wir können die Mittel wählen, und die Ergebnisse präsentieren.

Gibt es Ihrer Meinung nach unabhängigen Journalismus in Deutschland?

Wir glauben, dass es unabhängigen Journalismus in Deutschland gibt. Wir glauben aber auch, dass es immer schwieriger wird, den zu betreiben – gerade wenn es darum geht, dafür große Mittel und viele Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Unabhängiger, investigativer Journalismus ist teuer und aufwendig, das ist das Problem. Kaum jemand kann heute ausreichend Geld ausgeben für intensive Recherchen. Dadurch fallen Themen unter den Tisch, die für die Gesellschaft relevant sind.

Also ist die Idee, Correctiv zu gründen, auch aus der aktuellen Entwicklung im deutschen Journalismus entstanden?

Klar. Die Entwicklungen sind in Deutschland ja seit Jahren so und in den letzten drei Jahren haben sie sich noch einmal erheblich verschärft. Es wird sehr viel gespart, einige Medien können sich investigativen Journalismus gar nicht mehr leisten. In diese Lücke wollen wir springen, denn wir sind der Meinung, dass unsere Demokratie diese Art von Journalismus braucht.

Inwiefern unterscheidet sich die Arbeitsweise von Correctiv von denen anderer Journalisten?

Wir haben mehr Zeit und wir können mehr Methoden anwenden. Und wir haben die Möglichkeit, mehr Leute zu involvieren. Die Redaktionen müssen immer gucken, dass ihnen die Konkurrenz kein Thema wegschnappt. Wir sind da anders. Wir können auch mal mit 20, 25 Leuten aus unterschiedlichen Medien an einem Thema arbeiten. Im Extremfall, wie bei der Sparkassen-Geschichte, streben wir an, mit weit über hundert Leuten zusammen zusammenzuarbeiten. Das können andere Redaktionen nicht, weil die tägliche Arbeit darunter leiden würde.

Wie viele Angestellte arbeiten derzeit bei Correctiv und in welcher Form?

Im Moment haben wir acht Festangestellte, darunter Reporter, aber auch Techniker. Wir werden das nach und nach aufstocken auf 20 Leute. Das ist der Plan. Generell möchten wir vor allem mit festen Journalisten arbeiten, um sie an uns zu binden.

Sie haben die Recherche über die Sparkassen angesprochen. Das ist die erste große Recherche des neuen Recherchebüros. Welche Themen bearbeiten Sie außerdem?

Wir wollen wissen: Wie arbeiten Sparkassen, was machen sie als Schatzkästchen der Kommunen mit dem Geld? Das schauen wir uns sehr, sehr genau an. Es ist eine große Herausforderung, weil es in Deutschland über 400 Sparkassen gibt. Die Recherche ist aufwendig und kompliziert. Über die anderen Geschichten kann ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht so viel erzählen.

Ihre Texte werden Sie später Ihren Medien-Kooperationspartner exklusiv, aber umsonst zum Abdruck anbieten, bevor Sie dann auf Ihrer Website für jedermann veröffentlicht werden. Wie finanzieren Sie sich?

Wir sind eine gemeinnützige GmbH, das heißt wir können Spenden annehmen. Und wir haben eine Stiftung gefunden, die Brost-Stiftung, die uns momentan zu 100 Prozent finanziert. Wir haben drei Millionen Euro bekommen. Und wir schauen, dass wir jetzt noch mehr Spender und Leute, die uns unterstützen finden, damit wir unsere Arbeit ausbauen können.

Die finanzielle Abhängigkeit von einer Stiftung könnte auch ein Nachteil sein?

Ich sehe erst einmal keinen Nachteil. Im Gegenteil, sie hat einen großen Vorteil. Die Stiftung selbst ist gemeinnützig, wir sind gemeinnützig. Wir können uns entwickeln und ausbauen und unsere Abhängigkeit, die durch die einmalige Geldgabe vorhanden ist, verringern, sobald wir weitere Geldgeber finden. Außerdem gibt es Verträge, die unsere Unabhängigkeit sichert. Bodo Hombach, früher Geschäftsführer bei der WAZ, ist Vorstandsmitglied der Brost-Stiftung. Er war damals mein Chef und aus der Arbeit heraus weiß ich, dass er mich unabhängig arbeiten lässt.

Eine ähnliche Variante des gemeinnützigen Journalismus ist das US-amerikanische Recherche-Netzwerk ProPublica.

Das war ein Vorbild, besonders die Art und Weise, wie ProPublica dann mit Medien zusammen arbeitet. Aber wir haben uns auch andere Plattformen angeschaut, von denen wir viel gelernt haben. Letztlich haben wir eine Mischung daraus entwickelt und dadurch etwas ganz Eigenes geschaffen. Und hinzu kommt noch unser Bildungsauftrag.

Sie wollen neben den gemeinnützigen Recherchen auch Seminare und Workshops anbieten.

Genau. Wir haben diesen Bildungsauftrag und den nehmen wir auch verdammt ernst. Wir wollen die Methoden des investigativen Journalismus weitergeben, damit möglichst viele Menschen ihre Auskunftsrechte wahrnehmen und selbst für Transparenz sorgen. Wir werden in verschiedene Kleinstädte gehen und Workshops anbieten, meist für Journalisten. Ich denke, das ist wichtig, damit auch die Kollegen im Lokalen noch intensiver recherchieren können als bisher.

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