Satire ist mehr als nur lustig: Forscher haben herausgefunden, dass Satire-Sendungen eingängiger informieren als traditionelle Nachrichten. Ihre Studien sind ein Plädoyer für mehr Satire im deutschen Fernsehen.
Wenn Gernot Hassknecht im Zweiten Deutschen Fernsehen mal wieder richtig ausrastet, ist das nicht nur urkomisch. Seine Wutausbrüche in der heute-show schaffen das, woran es sachlichen Nachrichtenformaten oft mangelt: Hassknecht berührt den Zuschauer. Seine Tiraden mögen verrückt sein, aber sie lassen einen nicht kalt.
Es ist die Mischung aus Kommentar und Komik, die wöchentlich über drei Millionen Leute die heute-show einschalten lässt. Dabei bietet politischer Klamauk mehr als nur gute Unterhaltung: Forscher haben herausgefunden, dass Satire-Sendungen besser informieren als klassische Nachrichtenformate. Im November 2014 veröffentlichen Wissenschaftler der University of Delaware ihre Forschungsergebnisse, nach denen John Oliver in seiner Show Last Week Tonight verständlicher über Netz-Neutralität informierte als traditionelle Medien wie Tageszeitungen und TV-Nachrichten. Die Satire-Sendung war das einzige Format, das das komplizierte Thema erklärte – in den klassischen Medien wurde kaum oder gar nicht darüber berichtet. Viele der Befragten hatten zwar eine Meinung zur Netz-Neutralität, wussten aber nicht, worum es sich dabei handelt. Zuschauer von Last Week Tonight hingegen konnten ihre Meinung begründen, weil sie besser informiert waren.
Eine andere Studie kam im Juni 2014 zu ähnlichen Erkenntnissen: Wissenschaftler der University of Pennsylvania fanden heraus, dass Zuschauer der Satire-Show The Colbert Report während der vergangenen Präsidentschaftswahlen mehr über Kampagnen-Finanzierung und die Bedeutung von Geld in der amerikanischen Politik wussten als Zuschauer von klassischen Nachrichtenformaten. Grund dafür sei die „umgekehrte Pyramide“, nach der Journalisten Meldungen schreiben: Wenn die wichtigste Nachricht zuerst komme, sei das so „als werde einem die Pointe vor dem Witz erzählt“, heißt es in der Studie.
Satire bietet also mehr als Unterhaltung. Oliver Welke und Christian Ehring machen zwar Witze, aber sie erklären Nachrichten so, dass sie verständlich sind. Mit dem Neo Magazin Royale soll ab Februar 2015 eine neue Satire-Sendung im ZDF zu sehen sein, allerdings auf einem denkbar ungünstigen Sendeplatz: Freitags nach der etablierten heute-show und erst ab Mitternacht. Auch andere im Programm verankerte Satire-Beiträge wie extra 3 auf NDR oder Die Anstalt im ZDF laufen erst am späten Abend. Die ZDF-Entscheidung für mehr Satire ist wichtig für das deutsche Fernsehen. Satire sollte aber laufen, wenn die Leute noch fernsehen– und nicht, wenn sie schon schlafen.
Die Studien:
Hardy, Bruce W. , J. A. Gottfried, K. M. Winneg & K. H. Jamieson (2014) Stephen Colbert’s Civics Lesson: How Colbert Super PAC Taught Viewers About Campaign Finance. In: Mass Communication and Society, 17(3). 329-353. (Zusammenfassung)
University of Delaware Center for Political Communiction (2014) National Agenda Poll. October 21-26, 2014. (Zusammenfassung)
Bildquelle: Screenshot “Hassknecht erklärt …”/ZDF.de
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