Medienkonvergenz in Regionalzeitungen

19. März 2015 • Medienökonomie, Redaktionsmanagement • von

Von einer „Mogelpackung“ spricht man gemeinhin, wenn das, was draufsteht, nicht mit dem übereinstimmt, was drinsteht. Ganz so krass ist das bei Marc-Christian Ollrogs Buch „Regionalzeitungen 2015 – Geschäftsmodelle für die Medienkonvergenz“ nicht, aber ein wenig in die Irre geführt wird der potentielle Leser durch den vollmundigen Titel eben doch, denn die Forschung hinkt der Realität mal wieder hinterher.

Es geht um eine Doktorarbeit, die sich mit der Zukunftsfähigkeit der Zeitungsbranche befasst. Ollrogs Untersuchung basiert auf Interviews mit Verlagsexperten, die bereits 2011 durchgeführt wurden. Kaum jemand hatte damals damit gerechnet, dass sich die Erlös-Situation für Tageszeitungen weiter so dramatisch verschlechtern würde – und so haben die Szenarien, die auf seinerzeitigen Befragungsergebnissen beruhen, ihre Halbwertszeit wohl bereits hinter sich. Letztlich erfahren wir etwas darüber, wie gesprächsbereite Verlagsexperten sich im Jahr 2011 die Zeitungszukunft 2015 „ausgemalt“ haben.

Auch das ist allerdings streckenweise spannend. Ein wichtiges Ergebnis bringen die Betreuer der Arbeit, Michael Haller (Universität Leipzig) und Harald Rau (Ostfalia Hochschule Salzgitter), bereits im Vorwort auf den Punkt: „Dort, wo wir Schnelllebigkeit und rasante Phasenverschiebungen vermuten, entdeckte Marc-Christian Ollrog erstaunliches Beharrungsvermögen: Die Organisationsstrukturen in den Unternehmen wie auch die Mediennutzungsmuster auf Seiten der Rezipienten wandeln sich unerwartet langsam.“

Zehn Verlagsexperten von deutschen Regionalzeitungshäusern, die in ihren Märkten jeweils führend sind, hat Ollrog in seine Analyse einbezogen. Ihnen wurde Anonymität garantiert, damit sie unbefangen Auskunft geben. Sie wurden wiederholt befragt – erst in einem Leitfadengespräch, dann in Online-Befragungen, in die jeweils die Ergebnisse der vorhergehenden Runde eingespeist wurden. Zumal Zeitungsverlage ja gegenüber Forschern als nicht gerade auskunftsfreudig gelten, ist es bereits als beachtliche Leistung Ollrogs zu verbuchen, dass er über mehrere Befragungswellen hinweg auf die Kooperation der Gesprächspartner zählen konnte.

Die Angaben zur Geschäftsentwicklung seitens der Befragten fördern dann auch keine Überraschungen zutage, sie spiegeln den Branchentrend wider: Steuerungsmöglichkeiten gab es aus der Sicht der Befragten nur von der Kostenseite her – was sich in einen „starken Druck auf die Personalkosten“ übersetzte.

Nur zwei der Befragten hoben hervor, wie wichtig der Markenwert für alle anderen Geschäftsfelder sei, weil er bei der Marktdurchdringung helfe und letztlich Glaubwürdigkeit transportiere. Nicht nur an diesem Punkt haben Verlagsmanager Frühwarnungen aus dem Wissenschaftssystem lange ignoriert. Forscher diagnostizieren seit Jahren einen fortschreitenden Glaubwürdigkeitsverfall, der bis in die 70er Jahre zurückreicht.

Immerhin sieben der zehn Befragten hielten 2011 das digitale Geschäft für „strategisch wichtig“. Die meisten Verlagsoberen betrachteten ihr Unternehmen nicht mehr als Zeitungsverlag, sondern als „Medienhaus“. Nur einige gaben indes eine neue Entwicklungsrichtung vor und bezeichneten sich als „Dienstleister“. Was das konkret beinhalten könnte, dazu gab es dann sehr unterschiedliche Vorstellungen.

Zum Schluss vergleicht Ollrog die Ergebnisse seiner Studie mit der Branchenbefindlichkeit, die er 2014 kurz vor Publikation seines Buches vorfand: „Mit wachsendem Abstand zu der 2011 durchgeführten Erhebung zeichnet sich ab, dass die von den Verlagen selbst erdachten Wege zu ihrer Zukunftssicherung nicht ausreichen könnten.“ Die Dynamik der Medienkonvergenz sei unterschätzt worden; letztlich fehlten die „Ideen zur notwendigen Rückkehr auf einen Wachstumspfad“.

Bei der Gestaltung der Zeitungs- und Journalismus-Zukunft weist der Autor auch der Forschung eine Rolle zu: Sie solle den Verlagen nicht „von der akademischen Warte aus belehrend“ daherkommen, sondern im Dialog mit den Redaktionen praxisrelevante Lösungen erarbeiten. Leider ist das noch meist Zukunftsmusik. Fruchtbare Annäherungsversuche gibt es. In der Schweiz wäre da etwa die Zusammenarbeit von Miriam Meckel (bis vor kurzem: Universität St. Gallen) mit der NZZ-Gruppe zu nennen. Weitverbreitet ist indes Misstrauen. Nur wenige Medienforscher interessieren sich fürs Verlags- und Redaktionsmanagement, und auch in den Chefetagen der meisten Medienhäuser dominiert eher Skepsis gegenüber den Elfenbeinturm-Wissenschaftlern.

Erstveröffentlichung: Schweizer Journalist vom 9. März 2015

Literatur:

Marc-Christian Ollrog (2015) Regionalzeitungen 2015. Geschäftsmodelle für die Medienkonvergenz, Baden-Baden: Nomos Verlag

 

Bildquelle: Andreas Maurer/flickr.com

 

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