Klatsch: Plädoyer zweier Pionierinnen

11. März 2015 • Ausbildung, Qualität & Ethik, Ressorts • von

„Das erste Lehrbuch über Klatschjournalismus ist erschienen“, so wirbt der Herbert von Halem Verlag. Die Autorinnen Bettina Hennig und Rike Schulz, selber Klatschjournalistinnen, belehren damit nicht nur Nachwuchsjournalisten, sondern auch Wissenschaftler und Kollegen aus anderen Genres.

 „Klatsch im Journalismus ist eine hohe Kunst“, erklären die Autorinnen von „Klatsch. Basiswissen für die Medienpraxis“. Bettina Hennig und Rike Schulz möchten in ihrem Buch mit dem „Hochmut gegen eine journalistische Form“ aufräumen. Die Einführung in das Thema ist folglich eine Auseinandersetzung mit den Vorbehalten gegen Klatschjournalismus. Dabei wird dagegen argumentiert, dass Klatschjournalismus nicht relevant sei, nicht zur demokratischen Meinungsbildung beitrage oder in die Privatsphäre von Prominenten eindringe.

Gegen das Vorurteil, dass Klatschjournalismus Informationen erfinde, führen die Autorinnen zwei bekannte – gut über ein Jahrzehnt alte – Beispiele fingierter Geschichten von Journalisten „seriöser Qualitätsmedien“ an. Daneben belegen sie die Klatsch-Relevanz durch hohe Käuferzahlen und den Verweis auf die deutlich geringeren Verkaufszahlen der Frankfurter Allgemeine Zeitung und der Süddeutschen Zeitung. Publikationen, die von Hennig und Schulz später als „sogenannte‚ bürgerliche Premiummedien“ tituliert werden. Doch, genau diese Argumente verursachen beim Lesen einen faden Beigeschmack, denn der Klatschjournalismus wird nicht dadurch besser, dass andere journalistische Publikationen schlecht gemacht werden. Gut nur, dass Hennig und Schulz auch Negativbeispiele zu erfundenem Journalismus aus der Yellow-Press-Publikation die aktuelle liefern und nicht nur die „schwarzen Schafe“ in anderen Genres suchen.

Dennoch, schon nach der Einleitung bekommt der Leser das Gefühl ein Plädoyer für den Klatsch zu lesen oder wie es die Herausgeber im Vorwort nennen: eine „Kampfansage“. Verständlich, denn, wer seine Arbeit als Yellow-Press-Journalist schon mal von Kollegen als „journalistischen Schrott“ betiteln lassen muss, hat es mit seiner Profession auch in der Wissenschaft nicht leicht. Vom „Sündenfall“ bis zum „Teil einer Verdummungskultur“ – wer die Aussagen der Wissenschaft liest und Klatschjournalist ist, muss sich wie auf dem heißen Stuhl vorkommen. Die Seiten, auf denen die Autorinnen zeigen, welche „Standardwerke und Denkmodelle der Kommunikationswissenschaft, Journalismusforschung und Soziologie diese vorverurteilende Denkweise befördert haben“, lassen den Leser erahnen, dass die Frustrationen über diese „Ignoranz“ und herablassende Betrachtungsweise tief sitzt. Für Forschung, die Ergebnisse liefern, die Klatschjournalisten dienlich sind, sehen die Autorinnen noch viel Potential. Denn es gäbe nur eine einzige Arbeit, die sich der für Praktiker entscheidenden Frage nähere: Was ist guter Klatschjournalismus?

Durch mitunter boulevardeske Formulierungen von Fakten (z.B. „Drei Kinder gehen aus der Ehe hervor, bevor seine Vorliebe für Rennboote die Prinzessin 1990 zur Witwe macht.“) und Fragen aufwerfende Aussagen, mit denen der Leser alleingelassen wird (z.B. „Gala präsentiert sich nicht als Klatschillustrierte, sondern als <Peoplemagazin> – was auch immer das heißen mag.“), liest sich dieses Lehrbuch nicht wie eine klassische Studien- oder Weiterbildungslektüre. Doch eine große Variation der Darstellungsformen (Checklisten, Porträts, Analysen, Kommentare, Interviews usw.) bietet dem Leser stilistische Abwechslung. Ob Einsteiger oder alter Hase, ob Journalist, Verleger, Hochschullehrer oder Wissenschaftler – für jeden ist etwas dabei. Nur nicht immer für jeden auch das Passende. So sollen sich Nachwuchsjournalisten, besonders Frauen, wie die Autorinnen mehrfach betonen, durch die Lektüre ermuntert fühlen im Klatsch Fuß zu fassen. Dazu bekommt der Nachwuchs auch gleich einige Tipps zur Themenfindung: „Stars, deren Nummer man hat, regelmäßig anrufen und mit ihnen plaudern“ oder zu einer „glamourösen Gala“ nicht in Jeans und T-Shirt kommen. Auch wenn wahrscheinlich nur wenige Einsteiger die Telefonnummer von Promis oder die Einladung zu einer Gala haben, es wird deutlich: „Klatsch ist harte Arbeit“. Allerdings sind diese Tipps eher eine Abhandlung der praktischen Aufgabenfelder des Klatsch-Journalismus und für Einsteiger, die sie lesen, noch weit weg. Ähnlich – hier für alle journalistischen Leser – irritierend ist beispielsweise die Beschreibung des Außenumschlags aus stabilem Papier der Klatsch-Publikation InTouch. Diese gestalterischen Merkmale in der Umschau über Akteure und Formate, Macher und Märkte erscheinen dem, der nach journalistischem Handwerkszeug sucht, fast etwas trivial. Eben diese Divergenz ist die Folge dessen, dass Hennig und Schulz versuchen, mit ihrem Handbuch allen Klatsch-Aspekten gerecht zu werden. Aber genau dadurch irritieren sie mitunter den Leser.

Dabei liefert Hennigs und Schulz‘s „echte Pionierarbeit“ viel interessantes Hintergrundwissen: Eine Checkliste für Soft Skills sowie eine Auflistung von allen Klatsch-Verlagen inklusive Ausbildungsinformationen für Einsteiger. Eine ausführliche Abhandlung über die Historie des Klatschjournalismus und die Darlegung der Denkmuster, welche einen objektiven Blick auf die Yellow-Press in der Forschung verstellen. Natürlich fehlt auch die juristische Auseinandersetzung mit dem Caroline-Urteil und der Abwägung zwischen dem „Schutz der Privatsphäre“ und dem „Recht auf freie Meinungsäußerung“ nicht. Zudem werden Antworten geliefert, die das Genre Klatsch zwangsläufig als seriöses Genre braucht – beispielsweise eine Definition, was Klatsch überhaupt ist oder eine Vorstellung der Klatsch-spezifischen Darstellungsformen.

Hennig und Schulz schaffen nicht zuletzt durch das Anführen von Best Practice-Beispielen und dem kritischen Blick auf Klatsch-Billighefte, die Inhalte und Layout kopieren, aber nicht selber recherchieren, sowie die gesamte Bewertung auf die Entwicklungen der Klatsch-Branche einen differenzierten Eindruck der Yellow-Press. Ihr Anliegen „Transparenz“ zu schaffen und etwas Licht in das Schattendasein des Klatschjournalismus zu bringen, ist damit gelungen.

Literatur:

Hennig, Bettina / Schulz, Rike (2014) Klatsch. Basiswissen für die Medienpraxis. Köln: Herbert von Halem Verlag.

 

Bildquelle: Burda/flickr.com

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