Zweierlei Maß bei der Skandalisierung

23. Februar 2012 • Qualität & Ethik • von

Was muss eigentlich noch alles passieren, bis der mutmaßlich mächtigste Medienmogul der Welt zurücktritt?

Rupert Murdoch hat zwar kein öffentliches Amt inne wie Christian Wulff, der bisherige deutsche Bundespräsident, oder Philipp Hildebrand, bis vor kurzem Präsident der Schweizer Nationalbank. Ob Murdoch rechtlich für den wohl größten Abhörskandal, in den je ein Medienunternehmen involviert war, zu belangen ist, sei dahingestellt. Dass er politisch und moralisch als Unternehmenslenker die Mitverantwortung dafür trägt, dass seine Journalisten illegal und systematisch über 6000 Telefone abgehört haben, steht außer Frage.

Es geht nicht mehr um einzelne schwarze Schafe, die es in vielen großen Redaktionen gibt. Unter Murdochs Oberaufsicht ist eine Unternehmens-(Un-)Kultur entstanden, die auf bisher beispiellose Weise den Journalismus verludern ließ. Krasser wurde selten die Pressefreiheit missbraucht – und damit wohl auch gefährdet, weil solch kriminelle Energie natürlich Gegenreaktionen provoziert, um die Medien an die Kandare zu legen.

Nur: Wo bleiben die Medien, die Murdoch skandalisieren, wie sie es bei Wulff und vielen anderen Politikern und Wirtschaftsführern wochen- und monatelang aus eher nichtigen Anlässen – im Vergleich zu „Hackgate“* – getan haben? Wie kann Murdoch die Chuzpe haben, die Briten nun auch noch mit einer Sun on Sunday (als Nachfolge-Skandalblatt für die vor Monaten von ihm eingestellte News of the World) beglücken zu wollen? Und weshalb hält sich die mediale Aufregung in Grenzen, wenn Murdoch sich dazu persönlich in London einquartiert, statt sich in Scham und Gram im hintersten Winkel Australiens zu verkriechen? Mir scheint, die Medien skandalisieren mit zweierlei Maß. Es wäre an der Zeit, dass sie auch Murdoch ihre Muskeln zeigen – und nicht nur den Wulffs und Hildebrands dieser Welt.

*John Mair/Richard L. Keeble: The Phone Hacking Scandal: Journalism on Trial, Suffolk: Abramis Publ.

Erstveröffentlichung: Die Furche Nr. 8 / 2012

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