Die Qualität, die sie meinen

18. Mai 2012 • Pressefreiheit, Qualität & Ethik • von

Zur Lage der Medienlandschaft in Österreich: Politische Unabhängigkeit setzt wirtschaftlichen Erfolg voraus. Das eine wie das andere ist schwierig zu erreichen. Kritik und Kontrolle durch Medien entscheiden über Qualität einer Demokratie.

Auf kaum etwas ist eine Demokratie so angewiesen wie auf die Qualität ihrer Vermittlung. Doch kaum etwas wird hierzulande so gering geschätzt, so behindert wie Medienqualität. Das hat teils historische, teils politische Ursachen. Für die Zukunft ist wenig an Besserung der Umstände zu erwarten. Es sei denn, Umdenken setzt ein.

Wie so oft, kommt man auch in dieser Sache um Grundsätzliches nicht herum. Diesfalls ist zu sagen: Freiheit nachrichtlicher Medien bedarf der Unabhängigkeit ihrer Verlage und Unternehmen. Diese Unabhängigkeit wiederum setzt geschäftlichen Erfolg und Freiheit vom Zugriff Dritter voraus. Das eine wird schwer gemacht, das andere nicht gewährt.

Die Bundesregierung hebt, einzigartig in der entwickelten Welt, eine Sondersteuer auf die für Medienunternehmen bedeutsamen Werbeerlöse ein. Die Einkünfte des Staates aus dieser Steuer betragen das Zehnfache der Presseförderung, die sich damit finanzieren lässt. Der verbleibende Rest reicht aus, die Regierungskampagnen in den Straßenblättern zu bezahlen.

Förderung? Behinderung!

Der Qualitätsjournalismus der einen Medien wird eingedämmt, dem Erpressungsjournalismus der anderen wird nachgegeben. Das ist Medienpolitik von jener Qualität, die Herrscher schon schätzten, als am Ballhausplatz noch unter Fürst Metternich die Fäden von Zensur und Polizeistaat zusammenliefen: kritische Blätter behindern, Klatsch-Blätter gewähren lassen. In dieser Tradition steht die stete Übung Regierender, sich staatliches Radio und Fernsehen mittels Zuwendungen und Vorrechte gefügig zu halten. Daher duftet es in der Volksküche ORF so penetrant nach Opiumschwaden. Diese werden durch die Winde jener Blätter weitergetrieben, deren Leser nicht erkennen, welchen Preis an Irreführung sie für angeblich gratis bezogene Titel zu bezahlen haben.

Österreichs Geschichte ist – unter anderem – eine des Herrschens mit allen Mitteln. Zu diesen gehört es nicht, Kritik und Kontrolle zuzulassen. Genau das aber macht Unabhängigkeit und Qualität von Medien, macht die Substanz der Demokratie erst aus, was man hier nicht hören will. Wiederholt musste sich unsere Republik vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einige Lektionen in Sachen Meinungsfreiheit erteilen lassen. Dieser Gerichtshof erblickt aufgrund des Rechtes auf Meinungsfreiheit in den Medien einen “öffentlichen Wachhund“. Erst diese Kritik- und Kontrollfunktion durch die – faktische – vierte Gewalt vollendet die Demokratie, weil sie Übereinstimmung herzustellen und Korrektur auszulösen vermag. Die Pressefreiheit ist folglich ein hohes Gut, das Verantwortung jener auslöst, denen sie anvertraut ist.

Der breiten Öffentlichkeit ist dies klar: Der hohe Wert freier und nicht zensurierter Information und Meinung sei der Bevölkerung überwiegend und beeindruckend deutlich bewusst, berichtete dieser Tage der Präsident des Verlegerverbandes, Hans Gasser, unter Hinweis auf eine Umfrage.

Der stete Kampf um Pressefreiheit

Allerdings sei diese Pressefreiheit nur ein Recht einer kleinen privilegierten Minderheit, denn 80 Prozent der Weltbevölkerung hätten keinen oder nur bedingten Zugang zu freier Presse, wie Gasser sagte.

Wie wahr: Wo einzelne Journalisten ermordet oder auch nur gewaltsam an ihrer Arbeit behindert werden, sind Lenkung oder gar Unterdrückung der Massen nicht weit. Russland, Iran, andere Staaten ebenso und insbesondere China liefern beschämendes Anschauungsmaterial: “Bestrafe einen, erziehe hundert“ lautet das Prinzip diktatorischer Herrschaft.

In Sachen Pressefreiheit steht der einzelne Fall für viele. Die Qualität der Nachrichten-Medien steht für jene der Demokratie. Daher ist es schändlich, wenn in und mit diesen Medien weder der Freiheit noch der Demokratie gedient wird. Sondern die Pressefreiheit in Erwerbsfreiheit verfällt. Was Herrscher zulassen, weil es sie billiger kommt als Kritik und Kontrolle. Den Preis für deren Mangel zahlen ohnedies andere.

Erstveröffentlichung: Die Furche Nr. 18/2012

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