Crossmedia „auf Zuruf“

3. August 2012 • Digitales, Redaktionsmanagement • von

Crossmediales Arbeiten beim dänischen Medienunternehmen Nordjyske

Crossmediales Arbeiten scheint grundsätzlich im Alltag deutscher Zeitungsredaktionen angekommen zu sein ­– sie schöpfen die Möglichkeiten jedoch bei weitem noch nicht aus.

Dies ist das zentrale Ergebnis einer Studie des Projektteams Lokaljournalismus (PLJ) der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) und der RWTH Aachen.

Mit der Studie möchten die Forscher aufzeigen, wie eine durchschnittliche Zeitungsredaktion in Deutschland neue Medien und crossmediales Arbeiten in die journalistische Produktion integriert und welche Schwierigkeiten dabei auftreten. Die Studie widme sich weniger der Frage, was die „Avantgarde“ der Zeitungsredaktionen in Bezug auf Crossmedia mache, betonen die Autorinnen des Forschungsberichts Crossmedia 2012, Prof. Dr. Susanne Kinnebrock (RWTH Aachen/Universität Augsburg) und Prof. Dr. Sonja Kretzschmar (Universität der Bundeswehr München).

Das Forscherteam fragte in einer qualitativen Vorstudie zwölf Chefredakteure deutscher Zeitungsredaktionen in persönlichen Leitfadeninterviews, inwieweit Crossmedia bei ihnen umgesetzt werde. Aus den Antworten leiteten die Wissenschaftler die Fragestellungen für die überwiegend schriftliche Befragung von Crossmedia-Verantwortlichen via Online-Fragebogen ab.

90 Personen beantworteten den Fragebogen, darunter waren 27% Chefredakteure, 11% stellvertretende Chefredakteure und 39% Ressortleiter. Dies entspricht einem Rücklauf von knapp 90%.  Als Grund für die hohe Rücklaufquote führen die Autorinnen des Forschungsberichts die Kooperation mit dem Projektteam Lokaljournalismus an, das die Kontakte zu den Crossmedia-Verantwortlichen herstellte. 37% der Befragten arbeiten bei lokalen Zeitungen, 54% bei Regionalzeitungen und 3% bei überregionalen Zeitungen.

Zwar betonen die Befragten, wie wichtig eine crossmediale Angebotspalette sei, aber die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Produktion einer guten Printausgabe nach wie vor im Fokus der redaktionellen Arbeit steht. Das Printprodukt nimmt durchschnittlich über 80% der Arbeitszeit in Anspruch. Auch wenn die Aussage „Die Online-Ausgabe ist Nebenprodukt“ von den Befragten eher abgelehnt wurde, gehen nur 15% der Arbeitszeit im Durchschnitt in die Website der Zeitung. iPad- und Smartphone-Ausgaben widmet sich der deutsche Durchschnittsredakteur kaum: In sie werden nur 1-2% der Arbeitszeit investiert.

Multimediale Tools werden in der Berichterstattung vergleichsweise wenig eingesetzt. Allenfalls werden Videoclips erstellt; auf interaktive Graphiken und Audiofiles wird in der Regel verzichtet, heißt es im Forschungsbericht.

Die Nutzung von sozialen Netzwerken scheint beliebter zu sein: Facebook und Co haben laut der Studie nicht nur für die Recherche, sondern auch als Publikationskanal enorm an Bedeutung gewonnen. Im Schnitt recherchieren die Befragten täglich bis mehrmals täglich in sozialen Netzwerken, 90% der Redakteure publizieren über Facebook, zwei Drittel twittern über einen Redaktionsaccount.

User Generated Content und lokale Blogs werden hingegen durchschnittlich nur ein paar Mal im Monat zur Recherche genutzt. „Bürgerbeteiligung scheint kein Ziel des Lokalteils zu sein“, stellen die Forscher fest, auch wenn die Redaktionen hin und wieder Votings, Online-Diskussionen oder Foren anböten.

Großen Verbesserungsbedarf sehen sie in der Koordination des crossmedialen Arbeitens. Momentan werde noch „auf Zuruf“ für verschiedene Ausspielkanäle produziert – Konferenzen zur Kanal- und Themenkoordination seien noch kein fester Bestandteil des Arbeitsalltags.

Es seien vor allem die Redakteure, die den Wandel im Alltag tragen müssten, betonen die Forscher, aber die Crossmedia-Implementierung erfolge überwiegend als Top-Down-Prozess, den primär die Verlagsleitungen anstreben. In den Redaktionen aber herrsche oft Unklarheit, wie mit Innovationen am besten umzugehen sei.

Auch die Verlagsleitungen selbst sehen bei ihren Redakteuren noch „enormen Schulungsbedarf“ in Sachen Crossmedia. „Aber auch das Selbstinformations- und Beratungsverhalten der Zeitungen, die sich mit neuen Medien beschäftigen, ist eher diffus“, stellen die Forscher fest. Am ehesten werde noch die Marktforschung konsultiert, wissenschaftliche Befunde spielten lediglich ab und an eine Rolle und auf externe Beratung werde eher verzichtet.

Hier geht es zum Forschungsbericht Crossmedia 2012

 

 

 

 

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