„Nur bis zu einem gewissen Grad nützlich“

10. Dezember 2012 • Qualität & Ethik • von

Eine Studie untersucht, wie die Ombudsleute der französischen Tageszeitung Le Monde und den Rundfunkunternehmen Radio France Internationale und France 3 von ihren Redaktionskollegen wahrgenommen werden.

Ombudsleute sollen zwischen den Rezipienten und der Redaktion vermitteln. Sie sind Teil der Medienselbstkontrolle und verstehen sich als Anwälte der Nutzer. Sie sollen zudem die Transparenz und Glaubwürdigkeit von Medien stärken, indem sie als Beschwerdeinstanz fungieren, systematisch Fehlern nachspüren, Nutzerfragen beantworten und journalistische Entscheidungen erläutern.

In Frankreich sind Ombudsleute, die sogenannten médiateurs und médiatrices, bei ihren Medien längst zu einer Institution geworden. Wie effektiv sie letztlich arbeiten können, hängt aber vor allem davon ab, wie sie in ihrer Umgebung wahrgenommen werden; sowohl in der Öffentlichkeit als auch innerhalb der Redaktion.

Marc-François Bernier, Professor für Kommunikationswissenschaft und Journalismus an der Universität Ottawa, hat sich in seiner Untersuchung auf die Glaubwürdigkeit von Ombudsleuten innerhalb der Redaktion konzentriert und erforscht, wie die Ombudsleute in drei französischen Redaktionen von ihren Kollegen wahrgenommen werden: der überregionalen Tageszeitung Le Monde und den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten France 3 und Radio France Internationale (RFI).

Der Forscher aus Kanada arbeitete mit einem Online-Fragebogen, der aus einem quantitativen und einem qualitativen Teil bestand. Im Fragebogen kam eine 7-Punkt-Likert-Skala zum Einsatz (1=lehne stark ab; 7=stimme stark zu).

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Für die Wahrnehmung der Journalisten spiele es eine große Rolle, wie der Ombudsmann bestimmt werde, so Bernier.  Während die Journalisten von Radio France Internationale die Aussage „Der Ombudsmann in meiner Redaktion wurde in einer objektiven Art und Weise von den Eigentümern oder den Managern bestimmt“ eher ablehnten, stimmten die Journalisten von France 3 und Le Monde der Aussage eher zu (3,8 bzw. 4,3 Punkte auf der 7-Punkte-Skala).

In diesem Zusammenhang macht Bernier auf einen besonderen Umstand bei RFI zur Zeit der Studie aufmerksam: Der damalige Ombudsmann wurde entlassen, nachdem er in einem Radiobeitrag die Regierung Sarkozys kritisiert hatte. Die Besetzung des Nachfolgers wurde von den Journalisten äußerst kritisch betrachtet.

So vermerkte ein Journalist im Fragebogen, dass der nachfolgende Ombudsmann nicht aus der Redaktion, sondern aus dem Management berufen worden sei.

Ein internes Glaubwürdigkeitsproblem gebe es  auch, wenn der Ombudsmann von seinen  Redaktionskollegen als unfair und parteiisch wahrgenommen werde, so Bernier. In den drei untersuchten Redaktionen ist dies eher nicht der Fall. Der Aussage „Der Ombudsmann in meiner Redaktion behandelt nicht alle Journalisten gleich; einige werden bevorzugt und geschützt“ zeigten sich die Journalisten von RFI und Le Monde eher neutral (3,5 bzw. 3,1 Punkte auf der Skala); die Journalisten von France 3 lehnten die Aussage sogar mit durchschnittlich 2,4 Punkten eher ab.

Vielen Medienunternehmen wird vorgeworfen, dass sie sich nur aus Image-Gründen einen Ombudsmann leisten.  Auch einige befragte Journalisten teilen diese Ansicht. Die Journalisten von RFI stimmten der Aussage „Hauptaufgabe des Ombudsmann in unserem Medienunternehmen ist es, ein positives Bild des Medienunternehmens zu vermitteln“ am ehesten zu (4,3 Punkte), gefolgt von den Journalisten von France 3 (4,0 Punkte). Die Journalisten von Le Monde zeigten sich der Aussage gegenüber eher neutral (3,3 Punkte).

„Die Tendenz, dass Ombudsmänner vor allem ein positives Bild des Medienunternehmens vermitteln, ist vorhanden”, sagte ein RFI-Journalist, und ein anderer drückt es noch drastischer aus: „Ombudsmänner sind ein wesentlicher Teil der Aufrechterhaltung des Image; ich denke nicht, dass sie objektiv agieren.“

Bei France 3 äußerten sich einzelne Journalisten positiver in Bezug auf die Aufgaben eines Ombudsmanns. So meinte ein Journalist, dass Ombudsmänner „zwar zum positiven Image eines Medienunternehmens beitragen, aber ihre Hauptfunktion ist doch eine andere.“

Ein Journalist von Le Monde wies die Aussage, dass Ombudsmänner hauptsächlich ein positives Image des Medienunternehmens vermitteln sollen, vehement zurück: „Nicht bei meiner Zeitung, in keinem Fall.“  Seine Kollegen sahen das teilweise anders: Auch wenn das nicht die Hauptaufgabe des Ombudsmanns sei, komme es doch ab und zu vor. Ein Journalist sagte, dass Ombudsmänner nicht nur das Image des jeweiligen Medienunternehmens, sondern der gesamten Medienbranche verbesserten, was auch „dringend nötig“ sei.

Zwar stimmten die meisten Journalisten der Aussage „Die Beschäftigung eines Ombudsmanns zeigt, dass unser Medienunternehmen seine soziale Verantwortung ernst nimmt“ eher zu (im Durchschnitt 4,5 Punkte), dennoch kommentierten die meisten die Aussage nicht gerade positiv. Die Journalisten von RFI sind der Ansicht, dass die Position des Ombudsmanns „ein Trend” und „nur für die Wahrung des Scheins” ins Leben gerufen worden sei. Ein Journalist von France 3 betonte: „Wir nehmen unsere soziale Verantwortung ernst, aber nicht nur, indem wir einen Ombudsmann haben.“

Dennoch waren sich die Journalisten der drei untersuchten Redaktionen in einem Punkt relativ einig: „Alle Medienunternehmen sollten einen Ombudsmann haben.“ Die meisten Journalisten stimmten dieser Aussage zu (5,8 Punkte), wobei die Journalisten von Radio France Internationale diese Aussage am stärksten bejahten (6,0 Punkte).

Während einige die Position des Ombudsmanns als „unverzichtbar“ ansahen, betonten andere, dass ein Ombudsmann „nur bis zu einem gewissen Grad nützlich“ sei. Vor allem bei der internen Kommunikation sei der direkte Kontakt zu Kollegen immer noch der beste Weg. Einige Journalisten machten auf die wichtige Rolle aufmerksam, die der Ombudsmann als Ansprechpartner für das Publikum spiele, dem er „Antworten auf seine Fragen, Reaktionen, Anregungen und Kritik“ gebe.

Die Aussage „Das Publikum kann nicht die Probleme nachvollziehen, die mit der journalistischen Arbeit verbunden sind und ein Ombudsmann ist in diesem Zusammenhang keine Hilfe“ lehnten die Journalisten mit durchschnittlich 2,2 Punkten auf der Skala ab. Die Befragten waren der Ansicht, dass ein Ombudsmann der „Ignoranz“ einiger Rezipienten entgegenwirken könne. „Unser Publikum wird unsere Arbeit besser verstehen können, wenn sie ihnen vom Ombudsmann richtig erklärt wird“, sagte ein Journalist.

Allerdings scheint die Position des Ombudsmanns für die befragten Journalisten selbst nicht besonders attraktiv zu sein. Die Aussage „Ich wäre selbst gern Ombudsmann“ lehnte der Großteil der Journalisten eher ab (2,9 Punkte), wobei die Journalisten von Le Monde die Aussage mit 2,3 Punkten am stärksten ablehnten.

„Ich bin doch kein Masochist”, kommentierte ein Journalist von Le Monde die Aussage, ein anderer sagte: „Ich finde die Aufgabe sehr anstrengend“ und fügte hinzu, dass in seiner Redaktion die Position des Ombudsmanns nicht mit anderen Aufgaben vereinbar sei. „Ich möchte aber nicht aufhören, Artikel zu schreiben – nur die Kolumne des Ombudsmanns zu schreiben, würde mir nicht genügen.“

„Nie“ kommentierte ein Journalist von RFI kurz und knapp. Eine seiner Kolleginnen zeigte sich der Position gegenüber etwas aufgeschlossener: „Warum nicht”, meinte sie, „aber nur unter der Bedingung, dass ich nicht als Sprachrohr des Managements ende und ich Dingen auf den Grund gehen kann.“

Interessierter waren dagegen die Journalisten von France 3. „Warum nicht, wenn Rolle und Funktionen klar definiert sind“, sagte ein Redakteur. Ein anderer kommentierte: „Ja, wenn die Position eine größere Anerkennung hätte und ein  Ombudsmann wirklich unabhängig wäre.“

Ombudsmänner kosten Geld – und der Kostenfaktor sei einer der Gründe, warum das Konzept in der Praxis oftmals noch nicht etabliert sei, heißt es in der Studie. Die befragten Journalisten lehnten aber die spitz formulierte Aussage „Man sollte lieber in investigative Berichterstattung als in Ombudsmänner investieren“ eher ab (2,7 Punkte). „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun“, sagte ein Journalist. „Beides ist notwendig – Ombudsmänner und investigativer Journalismus.“

Zwar gebe es in den untersuchten Redaktionen einige „resistente“ Journalisten, die dem Konzept des Ombudsmanns nicht viel abgewinnen können, doch scheine es von der Mehrheit nicht gänzlich in Frage gestellt zu werden, fasst Bernier die Ergebnisse seiner Befragung zusammen und macht folgende Verbesserungsvorschläge:

– Alle Beteiligten würden profitieren, wenn die Bestimmung/Wahl zum Ombudsmann offener, transparenter vonstattengehen würde.
– Die Arbeit des Ombudsmanns sollte unter Journalisten und der Öffentlichkeit sichtbarer werden.
– Dem Ombudsmann sollte der höchste Grad an Autonomie und Unabhängigkeit gewährleistet werden.

Einige Journalisten schienen allerdings auch der Forschung über Ombudsleute gegenüber resistent zu sein: Von den 1052 Journalisten, die bei den drei Medien arbeiten, füllten nur 113 den Fragebogen aus; dies entspricht einer Rücklaufquote von 10,7 Prozent.

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Bernier, Marc-François (2012): “The internal legitimacy and credibility of press mediators in three French media: Le Monde, France 3 and Radio-France International (RFI)”, Vortrag im Rahmen der Konferenz “Journalism ethics: Individual, institutional or cultural?” am Reuters Institute for the Study of Journalism, University of Oxford, September 2012.

 

 

 

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