Medien und Glaubwürdigkeit in Ägypten und Tunesien

16. Januar 2013 • Pressefreiheit, Qualität & Ethik • von

„Können wir Instrumente der Selbstregulierung einfach aus dem Westen importieren?“ – Bei den Konferenzen zum Thema  „Media Accountability in Transition“, zu denen Journalisten und Medienwissenschaftler aus Deutschland und dem arabischen Raum auf Einladung des Erich-Brost-Instituts im Oktober 2012 nach Kairo und im Dezember 2012 nach Tunis gekommen waren, kam diese Frage nicht nur einmal auf.

Dabei wurden nicht nur die Best-Practice-Beispiele, die von Wissenschaftlern des EU-Projekts MediaAcT vorwiegend in Europa gesammelt worden waren, diskutiert, sondern auch Modelle aus Ländern der arabischen Region wie Jordanien und der Türkei. Dazu gehören vom Staat unabhängige Kontrollgremien, die unter anderem Publikums-Beschwerden aufnehmen, sowie die Etablierung professioneller Medienkritik und eines offenen Dialogs zwischen Journalisten und Publikum.

Auf besonderes Interesse stieß das Modell des Ombudsmanns als Mediator zwischen Redaktion und Lesern, wie es Yavuz Baydar von der türkischen Zeitung Sabah vorstellte. Bisher gebe es in Ägypten und Tunesien kaum Möglichkeiten für Leser oder Zuschauer sich über Medienberichte zu beschweren, klagten Journalisten in Kairo wie Tunis. Sanktionsmöglichkeiten gegen Medien waren dann auch ein vieldiskutiertes Stichwort, nachdem Ragai al-Merghany, Journalist und Leiter der 2011 gegründeten National Coalition for Freedom of the Media, ein Konzept zur Gründung eines unabhängigen Medienrates vorgestellt hatte. Denn die Medienmärkte in Ägypten und Tunesien leiden vor allem unter dem Mangel an Professionalität – Folge jahrzehntelanger Diktatur und Klientelismus.

In Kairo wie auch in Tunis kritisierten Journalisten privater und staatlicher Medien sowie Medienwissenschaftler aus lokalen Hochschulen den Fortbestand alter Verhaltensweisen und Praktiken in den Redaktionen: „Wir müssen unsere Medien nicht nur reformieren, wir müssen sie neu aufbauen.“ Denn gerade in den staatlichen Medienorganisationen seien viele Mitarbeiter vor allem aufgrund persönlicher Beziehungen aufgestiegen statt infolge ihrer professionellen Fähigkeiten. Reformen, die zu mehr journalistischer Qualität und Transparenz führen sollen, müssen daher oft gegen den Widerstand dieser Mitarbeiter durchgesetzt werden.

Dabei hängt die Zukunft der Medien in Ägypten und Tunesien in hohem Maße davon ab, das Vertrauen ihres Publikums zurück zu gewinnen. Wegen ihrer Nähe zu den Regimen Mubaraks und Ben Alis stehen staatliche Zeitungen, Fernsehsender und Radiostationen massiv in der Kritik. Aber auch den privaten Medien werfen in beiden Ländern Wissenschaftler und Publikum oftmals unprofessionelle und skandalisierende Berichterstattung vor. Gerade junge Leser und Zuschauer wenden sich von den traditionellen Medien ab und informieren sich lieber  über Blogs und soziale Netzwerke oder bei überregionalen Medien wie al-Jazeera.

Nach Ansicht der Konferenzteilnehmer bietet aber gerade das Internet auch für Mainstream-Medien besonders gute Möglichkeiten, das Vertrauen des Publikums wiederzugewinnen. Ob Kommentarfunktion oder Redaktionsblog – die Kommunikation mit Lesern dürfe keine Einbahnstraße sein, sondern ein respektvoller Dialog, waren sich die Teilnehmer in Kairo und Tunis einig. Redaktionen, die kritische Kommentare im Internet nicht beantworten oder einfach löschen, zeigten, dass vor ihnen noch ein weiter Weg hin zu verantwortungsvollem, professionellem Journalismus liege.

Mehr Informationen zur Konferenz in Kairo auf der Website des Erich-Brost-Instituts

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