Das Ende der Schizophrenie

3. Februar 2011 • Medienökonomie • von

Die Zeit ist reif: Man muss das Schweizer Fernsehen vom Joch der Einschaltquote befreien.

Das ging schnell. Nur wenige Wochen brauchte der neue SRG-Generaldirektor Roger de Weck, um sein Unternehmen zum politischen Streitpunkt zu machen. Der Streit dreht sich um die ökonomische Definition des Service public.

Konkret geht es um zwei neue Geschäftsmodelle für die SRG. Zuerst einmal stellt sich die Frage nach dem künftigen Gebührenmodell. De Weck möchte eine Steuer für alle Haushalte und Betriebe, egal, ob sie ein Empfangsgerät haben oder nicht. Diese Idee einer Mediengebühr findet Unterstützung im Parlament. Die SVP protestiert.

Dann geht es um das Modell im Internet. Die SRG möchte hier ihr Programmangebot mit zusätzlichen Inhalten anreichern und Werbung verkaufen. Das ist einleuchtend, denn TV verlagert sich auf Smartphones, Tablets und Computer. Die Zuschauer können das Programm unabhängig von der Sendezeit konsumieren. Zu Recht erwarten sie darum im Netz ergänzende Informationen.

Die Schweizer Verleger opponieren diesen Plänen heftig. Sie wollen eine gesetzliche Beschränkung der Inhalte, welche die SRG im Internet anbieten darf. Sie wollen also Journalismus regulieren. Seltsamerweise hat sich auch die liberale Weltwoche in ihrer letzten Ausgabe den Regulatoren angeschlossen. Doch nicht Regulierung, sondern Deregulierung ist das Gebot der Stunde im Medienmarkt.

Wo liegt das Problem des Schweizer Fernsehens heute? Das Fernsehen leidet an Schizophrenie. Sie ist unheilbar.

Die öffentlichen Gebührengelder verpflichten unser TV zu Qualität. Information, Kultur und Bildung sind der Auftrag. Der Auftrag bedingt hochstehende Sendungen, die darum nicht immer Zuschauerrekorde brechen können. Das Magazin Kulturplatz etwa ist eines der teuersten Wochenmagazine auf SF 1 und erreicht keine zehn Prozent Marktanteil.

Die Lösung heißt Werbeverbot

Die Werbeeinnahmen andererseits verpflichten das Fernsehen zum Boulevard. Werbung gibt es nur bei hohen Quoten. Hier zählt der Kampf um jeden Zuschauer und der Kampf gegen die gleichzeitige Boulevard-Konkurrenz von RTL, Sat 1 und Pro Sieben. Sendungen wie Music Star und Deal or No Deal waren typische Formate, die das Diktat der Einschaltquote erfolgreich umsetzten.

Anspruch und Boulevard – beides geht nicht unter einen Hut. Die Lösung ist darum einfach und deregulatorisch: Die SRG bekommt die gewünschte Mediensteuer, bei der alle Haushalte und Betriebe bezahlen. Damit steigen ihre Einnahmen beträchtlich. Im Gegenzug sind künftig alle SRG-Angebote werbefrei.
Mit dem Werbeverbot ist das Problem gelöst. Die Schizophrenie der SRG ist beendet. Sie kann ihr Programm nach dem öffentlichen Auftrag ausrichten und muss nicht dauernd auf den Marktanteil zielen. Sie ist vom Joch der Einschaltquote befreit.

Die Lösung ist kein finanzielles Risiko. Der Werbeausfall von rund 370 Millionen Franken kann durch die neue Mediensteuer, ergänzt mit den angekündigten Einsparungen, aufgefangen werden. Auch die Werbewirtschaft erleidet keine Nachteile. Das durchschnittliche Alter der TV-Zuschauer liegt bei 58 Jahren. Die Zielgruppe der Oldies ist auch auf anderen Werbekanälen gut erreichbar.

Die Lösung bewährt sich auch bei konkreten Fragen wie dem Internet-Konflikt. SF 1 könnte nun eine Plattform mit attraktiven Inhalten bauen, wie es dies wünscht. Auf der Site aber würden keine Werbeeinnahmen generiert.
Die Lösung scheint politisch machbar. Wir sehen keinen Grund, warum sich SP, FDP und CVP gegen eine nachhaltige Finanzierung der SRG stellen sollten. Bleibt noch die SVP. Wenn auch sie auf Vernunft statt auf ihren Anti-SRG-Reflex setzt, dann könnte man einen unnötigen Streit endlich beenden.

Erstveröffentlichung:  Weltwoche  Nr. 4/11

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