Auch für traditionelle Medien ist Online die Zukunft

18. Juli 2013 • Digitales • von

Der kürzlich erschienene Digital News Report 2013 des Reuters Institute for the Study of Journalism der University of Oxford, dessen Ergebnisse auch das EJO vorgestellt hat, beleuchtet einen besonders spannenden Aspekt: Er vergleicht die Einnahmen der Medien im Online- und Offline-Bereich.

Wie der Bericht zeigt, behaupten sich in Großbritannien bekannte Print- und TV-Medien wie der Guardian, die Daily Mail, Sky News und die BBC gut in der Online-Welt und verdienen dort ebenso viel wie in ihren traditionellen Bereichen, beziehungsweise im Fall des Guardian sogar mehr. Bemerkenswert ist allerdings, dass die Online-Zeitung Huffington Post, deren britische Ausgabe erst seit Mitte 2011 auf dem Markt ist, inzwischen mehr Online-Nutzer als die bestverkaufte Zeitung Großbritanniens The Sun erreicht.

In Frankreich sind die überregionalen Tageszeitungen Le Monde und Le Figaro online erfolgreicher als offline (so nutzen von den 11.000 Befragten des Digital News Reports 13 Prozent die Online-Ausgabe und 6 Prozent die Printausgabe von Le Monde), französische Rundfundsender tun sich dagegen schwer mit Online-Angeboten. In Deutschland ist Der Spiegel der große Online-Gewinner, während Rundfunksender ihre Anteile nach und nach an Portaldienste wie Google News verlieren.

Mit Sicherheit werden die erfolgreichen Medienunternehmen in Zukunft diejenigen sein, die es schaffen, online genau so viel oder sogar noch mehr Umsätze zu machen als offline. Vor diesem Hintergrund stelle ich im Folgenden einige Leitlinien bezüglich Inhalten, Nutzern und Nutzerfreundlichkeit sowie Einnahmequellen vor, die Medien dabei helfen können, sich für die Zukunft zu wappnen.

Sie basieren zum einen auf Ergebnissen aus dem Digital News Report und zum anderen auf den Kommentaren der Teilnehmer einer Podiumsdiskussion beim ‚Global Editors Network News Summit 2013′ Ende Juni in Paris. Unter dem Titel „Our Vision of a Daily News(Paper/Media) in 2020“ diskutierten Natalie Nougayrède, Chefredakteurin der französischen Tageszeitung  Le Monde, Juan Luis Cebrian, Gründer der spanischen Tageszeitung  El País, Michael Maness, Leiter des ‚Journalism and Media Innovation Programms der Knight Foundation‘, und ich, wie das Nachrichtengeschäft auch in Zukunft noch erfolgreich sein kann.

Inhalte. Alle Medienunternehmen kämpfen um die besten Inhalte. Allerdings tendieren auch alle Medienunternehmen dazu, zu denken, dass ihre Inhalte wichtiger sind – für die Gesellschaft, für die Bürger und für die Demokratie – als die Inhalte von anderen. Im Wettkampf um die besten Inhalte herrscht zunehmend große Konkurrenz: Es gibt wesentlich mehr Inhalte als die Nutzer, die sowieso keine Zeit haben, konsumieren können; zudem sind viele Inhalte gratis. Das macht es den Medienunternehmen schwer, sich von der Masse abzuheben, außer sie fokussieren sich auf Inhalte, die wirklich Mehrwert bieten und beim Aufbau der Medienmarke helfen.

Mehrwert bedeutet hierbei, dass die Journalisten nicht nur Antworten auf das ‚Wer, Was, Wo?‘ liefern. Ein Journalismus, der den Nutzern Mehrwert bietet, muss auch Antworten auf das ‚Warum und wie?‘ geben und Konsequenzen erläutern.

Investigative und exklusive Beiträge, mit denen Journalisten ihre demokratische Funktion erfüllen und die dazu beitragen, dass sich Nutzer an die Berichterstattung und das Medium erinnern, sind nötig. Mit gutem Beispiel gehen in Großbritannien der Daily Telegraph, (Berichterstattung über die Ausgaben von Politikern), der Guardian (Berichterstattung über den NSA-Skandal), die Nachrichtenagentur Reuters (Berichterstattung über die Steuerumgehung von Starbucks) und in Frankreich die Online-Zeitung Mediapart (Berichterstattung über Finanzminister Jerome Cahuzac) voran.

Nutzer und Nutzerfreundlichkeit. Nachrichten werden heutzutage auf verschiedenen Plattformen wie Print, Computer, Smartphone und Tablet präsentiert. Auf vielen Plattformen präsent zu sein, bietet Vorteile: Laut den Ergebnissen des Digital News Reports besuchen Nutzer, die mit verschiedenen Empfangsgeräten online gehen, mehr Nachrichtenwebsites als diejenigen, die nur ein Gerät besitzen. So besuchen von den Nutzern mit einem Gerät 33 Prozent Nachrichtenwebsites; von den Nutzern mit drei unterschiedlichen Empfangsgeräten (also z.B. PC, Smartphone und Tablet) besuchen 66 Prozent Nachrichtenwebsites. Wenn ein Medienunternehmen seine Nachrichten auf allen Plattformen vertreibt, kann es generell mehr Nutzer erreichen und diese zudem zu verschiedenen Tageszeiten anlocken.

Medienunternehmen sollten die Nachrichten gemäß der Plattform und des Nutzungsverhaltens unterschiedlich aufbereiten. Le Monde und die Financial Times waren die ersten, die ihren Lesern auf dem Tablet nicht nur die Zeitung, sondern auch einen konstant aktualisierten Newsfeed angeboten haben.

Le Monde geht noch einen Schritt weiter, indem sie verschiedene Formate für das Lesen auf dem Tablet anbietet, darunter eines, dessen Blätter-Funktion stark an die traditionelle Zeitung erinnert. Sogar ein und derselbe Leser kann zu verschiedenen Zeiten und auf verschiedenen Plattformen unterschiedliche Lese- und Nutzungsbedürfnisse haben. Manchmal wünscht er schnelle Updates, manchmal Hintergrundartikel, manchmal Analysen – und manchmal die gewohnte Zeitung, auch auf dem Tablet.

Dabei müssen Medienunternehmen ihre Leser genau kennen und sich besser denn je auf sie einlassen. Nutzer erwarten, dass ihnen Interesse entgegen gebracht wird, Offenheit und Ansprechbarkeit der Redaktion werden immer wichtiger. Medienunternehmen sollten ihnen Inhalte anbieten, für die sie sich interessieren.

Einnahmequellen. In Zeiten des Wandels und des Rückgangs der Printauflagen müssen Medienunternehmen neue Wege finden, um Geld zu verdienen. Die Debatte, ob Paywalls gut oder schlecht sind, ist inzwischen veraltet. Inzwischen geht es um die Frage, welche Bezahlschranke eingeführt werden sollte. Nur die großen Medienunternehmen werden sich trauen, ihre Inhalte komplett kostenpflichtig zu machen. Die meisten Medien werden sich für eine mehrstufige Bezahlschranke entscheiden (‚metered paywall‘), bei der einige Inhalte weiterhin frei zugänglich bleiben, aber für Premium- Inhalte oder Apps gezahlt werden muss.

Diese Strategie ist am einfachsten für Premium-Nischenprodukte wie z.B. die Financial Times, den Economist oder das Wall Street Journal umzusetzen – und viel schwieriger für allgemeine Nachrichtenmedien, vor allem in kleineren Ländern als in den USA.

Aber man sollte nicht vergessen, dass viele Medien Nischenprodukte haben, für die Nutzer durchaus Geld bezahlen würden. Ich würde zum Beispiel in Großbritannien für den Media Guardian zahlen, der bei Medienexperten einen guten Ruf genießt und für die er ein Must- have geworden ist.

Ein Bezahlmodell sollte meiner Ansicht nach drei Dinge vereinen: Erstens sollte es auf Bedürfnisse der Nutzer ausgerichtet sein und das Preis-Leistungsverhältnis transparent machen.Zweitens sollten Bezahlschranken vermieden werden, die den Traffic auf der Website zum Erliegen bringen. Internetnutzer, die per Link von Blogs oder sozialen Netzwerken  auf die Seite geleitet werden, sollten auf die Beiträge weiterhin kostenlos zugreifen können – außer  es handelt sich um ein Must-have-Produkt und das Medium kann es sich leisten, den Zugang rigoros einzuschränken. Drittens sollten Bezahlvorgänge so reibungslos wie möglich gestaltet und nicht gänzlich Drittanbietern überlassen werden. Unternehmen wie z.B. Piano Media bieten Paid-Content-Pakete für Nachrichtenprodukte an, überlassen den Medienunternehmen aber relativ viel vom Gewinn und auch die Nutzerdaten.

Die Medienunternehmen, die auch in Zukunft Erfolg haben wollen, können sich natürlich nicht nur auf die Dinge, die ich hier beschrieben habe – Inhalte, Nutzerfreundlichkeit und Einnahmequellen – fokussieren. Sie werden auch beobachten müssen, wie sich das Verhalten des digitalen Nutzers verändert. Bislang haben sich Medienunternehmen vor allem am heimischen Markt orientiert und achtgegeben, was ihre direkten Konkurrenten machen. Unternehmen, die aber auch im Jahr 2020 florieren wollen, müssen über den Tellerrand schauen, in andere Medienmärkte und ins Ausland, um mehr über Konsumenten zu lernen und herauszufinden, was sie in Zukunft wollen.

Übersetzt aus dem Englischen von Tina Bettels

Original-Artikel: A True Romance. How Media Brands Need to Get Online

Bildquelle: Dulnan/Flickr

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