Die Aggregatoren kommen

5. Dezember 2013 • Digitales • von

Eine neue Studie des amerikanischen Medienforschers C. W. Anderson wirft einen Blick auf die Praktiken von Aggregatoren („Sammler“ von Nachrichteninhalten), problematisiert die „Exklusivität“ von eigenständiger Recherche und wirbt für „Netzwerke journalistischer Expertise“. Seine Forschung legt nahe, dass sich Aggregatoren und Journalisten ähnlicher sind als es auf den ersten Blick scheint.

Aggregatoren stehlen Inhalte, verkürzen Nachrichten und schlagen aus dem Verwursten von fremder Recherche auch noch Profit. Während Journalisten die Knochenarbeit machen, sammeln Aggregatoren die Lorbeeren ein. So lautet zumindest die landläufige Meinung unter Journalisten. Seitdem Aggregatoren wie die Huffington Post und Buzzfeed sich daran gemacht haben, die Vorherrschaft von traditionellen Nachrichten-Websites zu brechen, werden Journalisten nicht müde, die Kopiermentalität dieser „Hochstapler“ als opportunistisch und oberflächlich zu verurteilen.

Dieser Eindruck sei allerdings allzu simpel, folgert C. W. Anderson, Assistenzprofessor im ‘Department of Media Culture’ des ‘College of Staten Island’ (City University of New York), in seiner Studie „What aggregators do: Towards a networked concept of journalistic expertise in the digital age“ (Journalism 18/8, 2013).

Anderson vertritt die Ansicht, dass sich journalistische Kompetenz nicht länger auf Expertenwissen in Redaktionen beschränken lässt. „Aus praktischer Sicht ist die Trennlinie zwischen dem Sammeln von Nachrichten (aggregation) und dem Recherchieren von Nachrichten (original reporting) nicht eindeutig, trotz aller rhetorischer Versuche der Vereinheitlichung von Kategorien und dem Ziehen von Grenzen“, schreibt Anderson. „Sowohl Aggregatoren als auch Journalisten sammeln Fakten, Zitate, Dokumente und Links, um daraus Geschichten zu machen.“ Aggregatoren und Journalisten seien keine Rivalen sondern Partner, meint Anderson. Statt zu konkurrieren, sollten sich beide Gruppen als Teil eines „Netzwerks journalistischer Kompetenz“ verstehen.

In seiner Studie nahm Anderson einen Workshop der amerikanischen Regulierungsbehörde FCC (Federal Communications Commission) unter die Lupe und befragte Aggregatoren zu ihrer Arbeit.

Anhand einer Inhaltsanalyse des FCC-Workshops arbeitete Anderson heraus, in welcher Weise Forscher, Journalisten und Regierungsexperten journalistische Produkte als Originalrecherche oder Aggregation bewerteten. Laut Anderson strukturierten die folgenden Themengebiete die Debatte: „die Annahme, dass journalistische Recherche und eine gesunde Demokratie in enger Verbindung stehen; die negativen, wirtschaftlichen Auswirkungen der digitalen Ökonomie auf Produzenten von eigenen Inhalten und die Verwirrung darüber, was Aggregatoren sind und in welcher Form sie sich von Suchmaschinen unterscheiden.“

In einem zweiten Schritt präsentierte Anderson die Ergebnisse seiner Interviews. Aggregatoren bündeln Online-Inhalte, schreiben Texte um und illustrieren sie, beschreibt Anderson ihre Arbeit und identifiziert als ihre vorrangige Qualität ein gutes Urteilsvermögen, was Nachrichteninhalte betrifft. „Nachrichten sammeln ist eine Kunst“, lautet Andersons Fazit in den Worten eines Journalisten, der zum Aggregator wurde. Nach ihrer Selbsteinschätzung gefragt sagen Aggregatoren, dass sie ihre „Fühler ins Internet ausstrecken“ und dadurch einen „gewissen Mehrwert“ generieren würden. Allerdings, so merkt Anderson an, eine genauere Beschreibung dessen, worin dieser „Mehrwert“ denn bestehe, könnten sie nicht liefern.

Andersons Schlussfolgerung: „Für Aggregatoren sind Websites, Links und, ganz allgemein, digitale Nachrichteninhalte zulässige Elemente für die Recherche. Journalisten auf der anderen Seite verlassen sich als Rohmaterial vor allem auf analoge Belege – Zitate, Regierungsakten, Beobachtungen, Dokumente –, aus dem dann Geschichten entstehen.“ Aggregatoren und Journalisten unterscheiden sich damit aber nicht nur bezüglich ihrer Recherche, sondern vor allem hinsichtlich ihres Selbstverständnisses, so Anderson.

Original-Version auf English: The Rise of the Aggregators

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