Instagram ist Fluch und Segen zugleich

15. April 2014 • 10 Jahre EJO, Digitales • von

Im Rahmen unserer Serie zum zehnjährigen Bestehen des EJO wollen wir auch die Zukunft des Fotojournalismus beleuchten. Marcello Foa, einer der beiden Gründer des EJO, hat mit der preisgekrönten britischen Fotojournalistin Hazel Thompson über die Veränderungen des Business und künftige Herausforderungen, denen sich der Nachwuchs anpassen sollte, gesprochen.

Thompson, die ihre Karriere 1997 bei einer Lokalzeitung in London begann, hat in den vergangenen Jahren für Zeitungen und Magazine in über 40 Ländern gearbeitet, darunter renommierte Titel wie die New York Times, die Vogue, die Sunday Times, Politiken und der Stern.Eines ihrer bedeutendsten Werke ist ihr e-Book „Taken“, in dem sie einen erschütternder Einblick in die Zwangsprostitution in Indien gibt.

Hazel Thompson

Hazel Thompson

Marcello Foa: Die digitalen Medien formen den Journalismus neu, traditionelle Medien leiden darunter. Spürt das auch der Fotojournalismus?

Thompson: Ich sehe es auch so, dass die digitalen Medien den Journalismus neu definieren und dass die Printmedien leiden. Dass weniger Werbeeinnahmen reinkommen und die Medienhäuser noch immer nicht in der Lage sind, online richtig Geld zu verdienen, bedeutet für den Fotojournalismus, dass die Auftragsbudgets extrem zusammengeschrumpft sind und vor allem die Finanzierung von Langzeitprojekten immer schwieriger wird. Es wird für Fotografen jedes Jahr härter, allein von der journalistischen Fotografie zu leben, denn die Aufträge gehen zurück und die Honorare sind seit zehn Jahren nicht mehr erhöht worden, während die Lebenshaltungskosten gestiegen sind. Fotojournalismus muss sich nun über den Journalismus und die traditionellen Medien hinaus orientieren und kreative Lösungen erdenken, um Projekte zu finanzieren. Ich habe etwa Firmen um Spenden für mein e-Book „Taken“ gebeten. Meiner Meinung nach haben die digitalen Medien jedoch den Vorteil, dass sie neue Plattformen geschaffen haben, um mit einem breiteren Publikum zu kommunizieren und neue Erzählformate umzusetzen.

Gibt es im Zeitalter von Instagram überhaupt noch Bedarf für hochwertige Fotografie?

Ich denke, dass Instagram den Appetit der Öffentlichkeit auf visuelle Dokumentation verstärkt hat, was meiner Meinung nach eine spannende Situation ist. Denn so kannn Fotojournalismus ein neues Publikum erschließen. Vor allem hat er die Chance, auch einmal die jüngeren Generationen mit Themen zu erreichen, mit denen sie sonst nicht in Kontakt kämen, etwa humanitäre oder Menschenrechts-Themen. Das digitale Zeitalter mit Photoshop, den sozialen Medien undiPhone-Fotografie hat allerdings auch das öffentliche Verständnis dafür gewandelt, was qualitätvolle Fotografie wert ist. Der einfache, freie Zugang zu Bildern im Internet hat dazu geführt, dass die Leute Fotografie nicht mehr so wertschätzen wie früher. Ich denke zwar, dass die Leute noch immer zwischen hochwertigen, professionellen Fotos und den sonstigen verfügbaren Bildern unterscheiden können. Doch traurigerweise bedeutet das in Zeiten des Internets nicht mehr, dass sie noch willens sind, dafür zu bezahlen.

Sie haben sich immer im Bereich der humanitär motivierten Reportage bewegt. Was treibt Sie an und wonach suchen Sie dabei?

Mein Hauptmotiv dafür sind die Geschichten selbst und die Menschen, die ich treffe und dann fotografiere. Ich bin eine Optimistin und glaube noch daran, dass es den Betrachtern die Augen öffnet und ihren Willen zur Veränderung fördert, wenn man die Wahrheit mit der Kamera einfängt. Mein Lohn, der mich diese Art von Arbeit weiterführen lässt, liegt in den Reaktionen der Leute auf meine Geschichten. Es ist die größte Bestätigung zu sehen, wie sie zum Handeln inspiriert werden, ob durch Geldspenden für karikative Zwecke oder durch persönliches Engagement und Öffentlichkeitsarbeit für eine Sache. Wenn es keine Reaktion auf meine Geschichte gibt, habe ich in meinen Augen meinen Job als visueller Kommunikator nicht richtig gemacht. Meine Bilder sollen eine emotionale Bindung zum Betrachter aufbauen.

Würden Sie jungen Leuten immer noch empfehlen, professioneller Fotograf zu werden?

Ich würde immer wieder empfehlen, Fotograf zu werden, denn es ist ein unglaublich toller Job! Aber ich rate es gleichzeitig nur denjenigen, die wirklich überzeugt und leidenschaftlich dabei sind, da es da draußen wirklich hart zugeht. Man muss seine Ziele genau kennen und sollte eine große innere Motivation mitbringen, um in der Industrie zu bestehen. Ich denke, dass junge Fotojournalisten in den Journalistenschulen besser auf die reale Notwendigkeit vorbereitet werden sollten, dass sie eigene kreative Vertriebswege entwickeln und wirtschaftlich denken müssen, damit sie in dieser Hinsicht beim Berufsstart mehr Fähigkeiten mitbringen.

Übersetzt aus dem Englischen von Karen Grass.

Original-Beitrag auf Englisch: Shutter Bugged: Can Photojournalism Survive?

Bildquelle: Don DeBold / Flickr CC

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