Immer mobiler, immer kürzer

12. Mai 2015 • Digitales • von

Von Smartphones und Tablets werden in den USA bereits jetzt mehr Nachrichten abgerufen als von stationären Computern. Zugleich sinkt die Verweildauer. Was bedeutet dies für die Medien?

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Immer mehr Nutzer lesen immer kürzer Nachrichten von ihren mobilen Endgeräten

Immer mehr Menschen lesen Nachrichten auf ihren mobilen Geräten, aber die meisten lassen sich dafür weniger Zeit pro Seite denn je. Das ist ein zentraler Befund des neuen Forschungsberichts des Pew Research Centers in Washington. Der Trend ist deutlich: 39 der wichtigsten 50 amerikanischen Nachrichten-Sites erzeugten mehr Zugriffe von mobilen Endgeräten als von stationären Computern aus, aber vier von fünf mobilen Zugriffen dauerten nur halb so lang: Bei NBC Digital zum Beispiel blieben die Nutzer zweieinhalb statt fünf Minuten, bei Yahoo zwei statt vier Minuten auf der Seite.

Entwicklungen im Medienbereich in den USA glichen schon oft einer Wahrsager-Kugel für die Zukunft – auch der deutschen Medienlandschaft. Wenn das Publikum noch schneller weg zappt, nimmt für Nachrichtenjournalisten die Herausforderung zu, den Demokratie-Auftrag zu erfüllen: Aktuelle, relevante Informationen, durch Recherche geprüft, kurz und bildhaft als Nachricht aufbereitet, sind – in den Worten des Mathematikers Norbert Wiener – der „Kitt der Gesellschaft“. Das verlangt auch: Die kostbare Zeit muss noch professioneller genutzt werden – und konstruktiver.

Ulrik Haagerup, Chefredakteur des dänischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks DR, hat daraus Konsequenzen gezogen und ein ganzes Konzept gestrickt: Constructive News umfasst kritische, negative Nachrichten und ferner bewusst positiv ausgerichtete – aber nicht im platten Sinne à la „heute kein Hochwasser“, sondern indem ähnlich prominent berichtet wird, wenn die Kriminalität zurückgeht wie wenn sie steigt. Oder indem in der Nachricht über ein Schadstoffproblem auch steht, welche Einrichtung dafür bereits eine Lösung gefunden hat. Dieses Nachrichtenkonzept bewirke, so Haagerup, ein weniger verzerrtes Bild von der Welt, senke die Medienverdrossenheit und sei wohl mit ein Grund für den wachsenden Zuschauerzuspruch seines Senders.

Die Pew-Studie vergleicht Zuschauerströme genau: Soziale Netzwerke und lokale Sender sind beim amerikanischen Publikum im Aufwind, ferner TV-Abendnachrichten und auch TV-Morgennachrichten. Das Zuschauerinteresse an gedruckten Zeitungen bleibt jedoch im Sinkflug. Das spiegelt sich auch in den Werbeeinnahmen: Minus vier Prozent im Zeitungsgeschäft, plus 18 Prozent im digitalen Umfeld, Facebook belegt die Spitzenposition.

Erstveröffentlichung: Tagesspiegel online vom 10. Mai 2015

 

Literatur:

Mitchel, Amy und Dana Page (Hg.) State of the News Media 2015. Pew Research Center, April 2015.

 

Bildquelle: miniyo73/flickr.com

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