So setzen SZ, Welt und Zeit Online-Bezahlsysteme ein

2. August 2017 • Digitales, Redaktion & Ökonomie • von

1998 fing das Wall Street Journal als weltweit erste Zeitung an, Beiträge im Internet hinter eine Paywall zu stellen. Auch viele Medien in Deutschland setzen inzwischen auf mehrstufige Modelle, bei denen der Nutzer einige Inhalte im Netz frei abrufen kann, für andere aber bezahlen muss. Auf der Jahreskonferenz 2017 des Netzwerk Recherche diskutierten Jochen Wegner, Chefredakteur von ZEIT ONLINE, Stefan Plöchinger, Mitglied der Chefredaktion von SZ.de, und Oliver Michalsky, stellvertretender Chefredakteur von WeltN24, wie sie mit ihren jeweiligen Modellen in Zukunft Leser behalten und gewinnen können.

Eine Frage, die alle Redaktionen beschäftigt, die auf Paid Content setzen: Für welche Beiträge sind die Nutzer bereit zu zahlen? Welt Digital hat zuerst eine News-App eingeführt, erklärt Michalsky. Darin wurden Nachrichten mit zusätzlichen digitalen Elementen kombiniert, zum Beispiel mit einer Korrespondentengeschichte oder einer Weltkarte, auf der täglich verzeichnet war, was am selben Tag in einem anderen Jahr an einem Ort auf der Welt stattgefunden hatte. „Aber dieser Mehrwert ging an den Nutzern offenbar vorbei“, berichtet Michalsky, „das mussten wir auch erstmal lernen.“ Welche Beiträge hinter die Bezahlschranke kommen, sei bei Welt Digital eine tägliche redaktionelle Entscheidung. „Wir fragen uns: Worauf sind wir stolz?“ Gerade liefen zum Beispiel Servicethemen gut.

Dennoch sei nicht klar erkennbar, welche Formen und Inhalten online gut laufen, in diesem Punkt waren die drei Chefredakteure sich einig. Jochen Wegner: „Ein Muster gibt es nicht. Das ist Teil der Magie. Wir stehen morgens auf und wissen nicht so genau, was kommt. Und das ist halt cool. Allerdings sammeln wir stalinistisch Zahlen darüber, was geklickt wird – die Frage ist, was das mit den Journalisten macht?“ Die Unberechenbarkeit habe auch Vorteile, findet Wegner. So sei er positiv überrascht gewesen, als ein Text zum Thema Steuern gut angenommen wurde. „Oft laufen nicht die großen Storys am besten, sondern eher Themen, die die Lebenswelten der Leser betreffen“ beobachtet er. Auch die Süddeutsche zählt auf die Qualität ihrer Inhalte. Plöchinger: „Unser SZ-Magazin funktioniert ganz einfach mit guten Geschichten, die die Leute lesen wollen.“

Auch auf den redaktionellen Alltag hat die stärkere Konzentration auf die Online-Inhalte einen Einfluss, wie Plöchinger sagt. „Es werden neue Jobs erfunden, es gibt andere Workflows, man redet in Konferenzen anders.“ Michalsky schließt sich dieser Einschätzung an: „Wir reden in allen Konferenzen zuerst über Welt+ und fragen uns: Wie versuchen wir heute, den Nutzern Angebote zu machen?“ So versuche man beispielsweise, auch „harte“ Themen aus einer anderen Perspektive zu beleuchten. „Wir haben vor der Wahl in Frankreich eine bebilderte Reportage aus der Hochburg des FN gebracht und das lief gut“, verrrät Michalsky. Der bestverkaufte Beitrag im Mai sei allerdings eine Reportage über Kabul gewesen, die zufällig einen Tag vor den Anschlägen dort veröffentlicht wurde.

Für welche Inhalte online gezahlt wird, ist untrennbar damit verbunden, welches Publikum dieses Angebot nutzt und anhand welcher Kriterien es Kaufentscheidungen trifft. „Das Publikum gibt es nicht“, so Plöchinger.  Michalsky stellt fest, dass der Name eines bekannten Mediums scheinbar für mehr Klicks sorgt: „Die Leute kaufen eher Abos einer bestimmten Zeitung als einzelne Artikel.“ Die etablierten Zeitungen setzen daher auf Markenbindung. Nutzer zum Zahlen zu bewegen, die über Social-Media auf die Seite gelangen, ist eine weitere Herausforderung. „Am Anfang war das für uns schwieriger. Dann haben wir diese Beiträge auch auf Facebook ganz deutlich mit unserem SZ+-Logo gekennzeichnet. Seitdem läuft es gut. Facebook ist für uns eine Marketing-Plattform, vieles dort ist Commerce.“

Ein generelles Problem für Paid-Content-Modelle sei, dass es kein einheitliches Bezahlsystem gebe. Dies erschwere besonders den Einzelverkauf. „Die Paywall-Modelle werden immer raffinierter werden“, vermutet Plöchinger. „Die Angebote werden immer genauer auf bestimmte Vorlieben ausgerichtet sein.“ Michalsky meint: „Es wird sich auch immer mehr herumsprechen, dass es nicht weh tut, für einen Text im Internet zu bezahlen.“

Bildquelle: Giovanni Saccone / Flickr CC: Paywall; Lizenzbedingungen: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/

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