Existenzangst und Innovation: Medien-Startups in Spanien

20. Februar 2015 • Digitales, Internationales • von

Seit dem Beginn der Wirtschaftskrise 2008 sind in Spanien mehr als 450 neue Medien-Startups entstanden. Manche publizieren Nachrichten, andere Informationen über Technik oder Kultur. Die meisten vereint, dass ihr Unternehmen keinen Gewinn abwirft, das zeigt ein aktueller Bericht.

Viele der Jungunternehmer sind erfahrene Journalisten, die ihren Job in der anhaltenden Rezession verloren haben. Andere fanden nach dem Journalismusstudium keine Arbeitsstelle in der finanziell schwächelnden Medienindustrie und starteten deshalb ihr eigenes Projekt.

Der “Zweite Journalismusbericht Spanien”, der sich mit diesen aktuellen Entwicklungen befasst, wurde von einer spanischen Journalistenorganisation, der Asociation de la Prensa de Madrid (APM), veröffentlicht. Er beruft sich auf die Angaben von 120 der 450 neuen Medien-Startups und offenbart, dass fast 60 Prozent von ihnen mit Verdiensten zwischen 1 und 50.000 Euro gerade so überleben. Nur 13 Prozent der Unternehmen verdienten mehr als 100.000 EUR im Jahr 2013

Knappe Ressourcen solch neuer Medienplattformen sind nicht Spanien-spezifisch. Einem Forschungsbericht zum Status von mikro-lokalen Community Medien im Vereinigten Königreich zufolge, verdienen viele der dort aktiven Startups ähnlich schlecht und viele ihrer Mitarbeiter müssen einen zweiten Job annehmen, um über die Runden zu kommen.

Erfolgreiche Startups verfolgen meist einen kommerziellen Ansatz

Die Analyse im APM-Bericht zeigt, dass Jungunternehmer vor allem dann erfolgreich sind, wenn sie einen klar kommerziellen Ansatz vertreten und redaktionelle und kommerzielle Teams gut integrieren. In der Regel stützen sie sich auf eine Mischung aus unterschiedlichen Finanzierungswegen: Werbung, Sponsoren, genossenschaftliche Anteile und manchmal sogar Einkünfte durch crowdfunding-Aktionen.

Start-Ups als redaktionelle und technische Innovatoren

Eines der aktuellsten spanischen Startups ist Contexto. Es wird von einer Gruppe erfahrener Journalisten betrieben, die sowohl journalistische als auch technische Fähigkeiten in das Unternehmen einbringen. „Wir vertreten kein breaking news-Model“, sagt Miguel Mora, Chefredakteur und ehemaliger Journalist der spanischen Tageszeitung El Pais. „Unser Ansatz ist der sogenannte slow journalism, in dem der Kontext und der Hintergrund der Nachrichten das wichtigste sind. Wir bieten Informationen über aktuelle und relevante Ereignisse an“, ergänzt Mora.

Noch betreibt Contexto eine Beta-Version, die im März offiziell online gehen soll. Für den Anfang sollen Gesellschafter ihre Zeit und ein gewisses Startkapital zur Verfügung stellen. Crowdfunding-Aktionen, teilweise zahlungspflichtige Beiträge und Sponsorenvereinbarungen sollen folgen.

Viele der neuen spanischen Medienplattformen experimentieren mit neuen Redaktionsmodellen und bieten zugleich technische Innovationen. Forscher der Miguel Hernandez Universität in Elche in Südspanien haben kürzlich die innovativsten spanischen Medien in einem Innovationsranking für Journalismus im Jahr 2014 gekürt.

An erster Stelle stand Civio, eine Nicht-Regierungsorganisation, die für eine Verbesserung der Demokratie kämpft, indem sie technische und journalistische Mittel, vor allem datenjournalistische Mittel, einsetzt. Mit einem Projekt zum „Recht auf Wissen“ informierten sie über Transparenz in Institutionen. Ein anderes Projekt, „Wer ist Verantwortlich“, zeichnete Spaniens öffentliche und private Machtzentren auf. „El Indultometro“ beobachtet und sammelt offizielle Entschuldigungen der Regierung.

Civios Direktor, David Cabo, sagt, dass Technik zwar wichtig sei, die Inhalte kämen aber immer an erster Stelle: „Technik ist ein wichtiger Teil unserer Projekte, aber sie dienen immer dem Journalismus, der die Richtung und den Umfang vorgibt. Das war nicht immer so. Als wir anfingen, verfolgten wir einen stärker technischen Ansatz. Wir merkten aber bald, dass die Leute mit den reinen Daten, die wir visualisierten und veröffentlichten, nichts anfangen konnten. Die Leser wollten von uns durch die komplexen Sachverhalte gelotst werden. Wir analysieren umfangreiche Datensets, die es uns ermöglichen, über vereinzelte Anekdoten und Einzelfakten hinauszugehen.“

Die traditionellen spanischen Medien sind angeschlagen von der Krise

Die neuen spanischen Medienplattformen boomen in einer Zeit, in der sich die traditionellen Medien in der Krise befinden. Laut dem AMP-Bericht ist der Gesamtumsatz der Medienindustrie seit 2009 um 27 Prozent auf 5,2 Milliarden Euro gesunken. Seit Beginn der Krise sind 11.875 Jobs in der Branche verlorenen gegangen und mindestens 364 Fernsehsender, Zeitungen, Magazine und Online Plattformen mussten schließen. Die Zahlen vom zweiten Halbjahr 2014 geben Hoffnung, dass sich die Lage für Fernsehsender entspannt, nicht jedoch für Zeitungen, Magazine und Radiosender.

Eine Folge der angespannten Lage sind auch die zunehmend schlechten Arbeitsbedingungen für spanische Journalisten. Einbußen beim Einkommen mussten 85 Prozent der Journalisten in den letzten vier Jahren hinnehmen. 81 Prozent der Journalisten waren außerdem gezwungen, weitreichende Änderungen an ihren Beiträgen vorzunehmen, da die traditionellen Medien politischem und kommerziellem Druck immer schlechter standhalten können.

Literatur:

Associacion de la Prensa de Madrid (2014) Informe anual de la profesión periodística. Madrid, December 2014.

Übersetzung: Judith Pies

Bildquelle: Tech Cocktail/flickr.com

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