Alternativen zur Finanzierung des Rundfunks

25. März 2013 • Medienpolitik • von

Wenn es um die Gelder geht, die in Deutschland den öffentlich-rechtlichen Rundfunk finanzieren, kochen die Emotionen oft hoch und es fallen Sätze wie „So verschleudern ARD und ZDF unsere Gebühren“. Auch über die Haushaltsabgabe, die seit Beginn dieses Jahres greift und mit der pauschal jeder Haushalt 17,98 Euro monatlich bezahlen muss, wird heftig diskutiert, etwa so: „Rundfunkgebühren – absoluter Wahnsinn“.

Denn viele Beobachter glauben, dass die Einnahmen von ARD und ZDF sowie den drei Wellen des Deutschlandradios damit noch einmal steigen werden – im Jahr 2011 betrugen die Budgets knapp 7,6 Milliarden Euro. Doch so genau weiß bisher noch niemand, wie hoch die Summen sein werden. Es kursieren nämlich verschiedene Zahlen dazu, wie viele zahlungspflichtige Haushalte es gibt. Dass selbst die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) die Höhe der Einnahmen noch nicht abschätzen kann und die Sender von eventuellen Mehreinnahmen nur 300 Millionen Euro behalten dürften, beruhigt die Gemüter kaum.

In einer aktuellen Analyse zeigen die Wirtschaftswissenschaftler Andrea Beyer (FH Mainz) und Hanno Beck (Hochschule Pforzheim) nun Alternativen auf, wie die Rundfunkfinanzierung gerechter und auch transparenter werden könnte. Dies wäre in den Augen der Autoren etwa möglich, indem die Budgets der Sender anders als bisher festgelegt werden: Wieviel Geld die Rundfunkanstalten bekommen, sollte demnach unter anderem an der allgemeinen Preisentwicklung und dem Konsumverhalten der Bürger ausgerichtet werden. Die Gelder für die Anstalten sollten dabei über Spenden und bereits bestehende Steuern wie die Einkommens- und die Mehrwertsteuer eingenommen werden. Der Staat würde sich in diesem Modell verpflichten, bestimmte Teile der Steuereinnahmen zweckgebunden für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einzusetzen.

Zwar gibt es laut der beiden Ökonomen keinen Königsweg, den Rundfunk zu finanzieren. Doch bei der Auswahl zwischen den Modellen Beiträge, Werbeeinnahmen, Steuern und Spenden, die sie in ihrem Beitrag diskutieren, wäre die oben genannte Kombination aus zweckgebundenen Steuern und Spenden die attraktivste Lösung. Sie sei sozial gerecht und gewährleiste gleichzeitig, dass die Rundfunksender finanziell abgesichert sind. Zudem sei der Verwaltungsaufwand gering.

Die seit Januar geltende Haushaltsabgabe schneidet in der Analyse dagegen relativ schlecht ab. Zunächst einmal sei sie sozial unfair: „Je höher das Einkommen des Gebührenzahlers, umso geringer seine Belastung mit dem Rundfunkbeitrag relativ zu seinem Einkommen“, schreiben die Autoren.  Außerdem kritisieren sie, dass die Verwaltungskosten mit der Haushaltsabgabe hoch blieben, auch wenn nun weniger Menschen schwarzsehen können als zu  Zeiten des gestaffelten Rundfunkbeitrags. 2011 kostete jedes Teilnehmerkonto die Gebühreneinzugszentrale 3,90 Euro, insgesamt verlangte die Arbeit der GEZ in diesem Jahr ein Budget von 163 Millionen Euro. Wie die Bürokratiekosten in diesem Jahr aussehen werden, ist zwar noch nicht ganz absehbar, an den Kosten für die Konten dürfte sich jedoch wenig ändern.

Auf einen Kritikpunkt in der aktuellen Debatte gäbe das Modell der Autoren allerdings keine Antwort: Häufig wird kritisiert, dass seit Einführung der Haushaltsabgabe jeder Haushalt belastet wird, egal ob er Rundfunkempfangsgeräte besitzt oder nicht. Nicht nur Privatleute, sondern auch etliche Städte, Unternehmen und Kirchen klagen, dass sie jetzt zahlen sollen und sich das nicht leisten könnten. Ihre Gebäude zählen nun als „Betriebsgebäude“ und somit als Einheiten, für die Kosten anfallen. Diese explizite Betriebsabgabe wäre bei Beyers und Becks Vorschlag, die Mittel für die Sender aus allgemeinen Steuern zu speisen, wohl vermeidbar. Doch es würde wiederum jeder Bürger zahlen – und eventuell keine Gegenleistung bekommen.

Eine andere Schwachstelle der Haushaltsabgabe und auch der vorherigen Rundfunkgebühren gehen die Autoren hingegen an: Die Art und Weise, wie die Budgets der Sender festgelegt werden. Die  beiden Wissenschaftler plädieren dafür, die Etats zumindest teilweise an den Lebenshaltungskosten der Menschen, also an der Inflationsrate zu orientieren. Sind die Preise hoch und geben die Leute insgesamt viel Geld aus, stiegen auch die Einnahmen der Rundfunkanstalten; sparen die Leute, sollten auch die Rundfunkanstalten sparen, also weniger Geld bekommen. Dann kämen die Mittel für den Rundfunk den Bürgern auch nicht mehr so unnatürlich hoch vor, glauben Beyer und Beck.

Das wäre ein Schritt hin zu mehr Akzeptanz der Sender, denn aktuell ärgern sich viele Bürger über die starren Rundfunkbeiträge, wie auch eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts You.Gov im Auftrag der dpa zeigt: 51 Prozent der Befragten stimmen demnach „überhaupt nicht” zu, dass das Programmangebot der Öffentlich-Rechtlichen 17,98 Euro im Monat wert sei. Nur sieben Prozent der insgesamt 1.025 Interviewten stimmen „voll und ganz zu“.

Die Budgets der Sender sollten jedoch in den Augen von Beck und Beyer nicht nur an die Ausgaben der Bürger gekoppelt sein. Ein Teil der Gelder könnte sich auch daran ausrichten, was sich in der gesamten Rundfunkbranche tut. Würden die privaten Sender in neue Technologien investieren und damit ihre Ausgaben erhöhen, sollten dem Modell zufolge auch die Budgets der Öffentlich-Rechtlichen steigen. So wäre gewährleistet, dass die Anstalten mit technischen Neuerungen der privaten Sender mithalten können. Sobald die Technologien zu Effizienz-Einsparungen der Privaten führen, müssten wiederum auch die öffentlich-rechtlichen Sender sparen – laut Beck und Beyer wäre das ein großer Fortschritt.

Bisher habe stets gegolten: „Ein kostensenkender technischer Fortschritt dürfte selten berücksichtigt werden, jedenfalls nicht von den Rundfunkanstalten.“ Da diese im aktuellen System alle zwei Jahre ihre Bedarfe selbst schätzen und an die KEF zur Prüfung geben, ist dies durchaus problematisch. Denn die KEF hat momentan nicht ausreichend Kompetenzen, um dem etwas entgegenzusetzen. Dass sie gesetzlich gehalten ist, die Programmautonomie der Sender zu wahren, gestaltet die Argumentation für Kürzungen schwierig.

Andererseits bewerten es die Autoren positiv, dass die Gebühren aktuell unabhängig von politischen Institutionen festgelegt werden. Dies wäre auch eine Schwachstelle ihres Vorschlages, die Kosten für den Rundfunk mit allgemeinen Steuern zu decken. Denn es stellt sich die Frage, wie gewährleistet bleiben soll, dass die Rundfunkanstalten unabhängig sind, wenn sie um Geldtöpfe mit anderen staatlichen Einrichtungen konkurrieren müssen. Das könnte dazu führen, dass  genehme Hofberichterstattung gegenüber Parlamentsmitgliedern und Fachausschüssen gemacht wird.

Die Autoren schlagen vor, den Finanzbedarf nach wie vor von einer unabhängigen Stelle wie der KEF ermitteln zu lassen und den Staat gleichzeitig zu verpflichten, die benötigten Gelder in jedem Fall aus den allgemeinen Steuereinnahmen abzuzweigen. „Eine Möglichkeit wäre es, dies über eine öffentliche Stiftung zu organisieren“, erklärt Beck. Ein Vorbild könne das System in Neuseeland sein, wo die Gelder über die öffentliche Stiftung NZ on Air an die Sender verteilt werden.

Während die Steuern nach Meinung der Autoren für die  Grundfinanzierung der Sender sorgen sollten, könnten zusätzliche Spenden die Bindung zwischen den Öffentlich-Rechtlichen und dem Publikum wieder erhöhen. Die Ökonomen empfehlen den Sendern, sich etwa an ihren Kollegen in den USA zu orientieren. Diese versuchen ihr Programm stetig den Hörerwünschen anzupassen und werben so erfolgreich private Spendengelder ein. Diese Einnahmen machen 64 Prozent der Budgets der nationalen Radiosender aus.

Solch komplexe Überlegungen finden in der hitzigen Debatte um die Rundfunkbeiträge bisher wenig Gehör. Die beiden Wissenschaftler wollen mit ihrer Analyse neue Impulse geben, sind sich aber gleichzeitig der Realität bewusst: „Man muss befürchten, dass es zu erheblichen Widerständen von Seiten der Politik und der Sender kommt. Beiden Interessengruppen kann es eher gelegen kommen, wenn die wahren fiskalischen Belastungen der Bürger nicht transparent werden.“ Beck, der zehn Jahre als Journalist tätig war, ergänzte im Gespräch: „Da ist man frei von der Illusion, dass man mit seinen Artikeln die Welt auf einen Schlag verändern kann.“

Beck, Hanno; Beyer, Andrea (2013): Rundfunkgebühr, Haushaltsabgabe oder Rundfunksteuer? Kriterien und Optionen zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, in: Publizistik 1/2013, 58. Jg., S. 69-91.

Bildquelle: Rainer Sturm  / pixelio.de

 

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