Abschied vom “Berlusconismo”

15. Januar 2007 • Medienpolitik • von

Erstveröffentlichung: Message 01/07
Die neue italitenische Regierung will die Medienmacht von Ex-Premier Silvio Berlusconi eindämmen. Doch dem symbiotischen Verhältnis zwischen Medien und Politik ist kaum beizukommen.
Italien ist keine demokratische Republik mehr«, kommentierte Medientycoon und Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi das neue Rundfunkgesetz von Medienminister Claudio Gentiloni, das eine Wende in der italienischen Medienpolitik einleitet. Jedenfalls sind die Zeiten vorbei, als unter der Regierung Berlusconi Gesetze ad personam verabschiedet wurden. Das letzte dieser Art, das 2004 in Kraft gesetzte Mediengesetz von Gentilonis Vorgänger Gasparri, hatte Curzio Maltese in La Repubblica noch als »die Vollendung des Berlusconismus« bezeichnet. Die »Reform« Gasparris gefährdete nach Ansicht vieler Medienbeobachter die Meinungsvielfalt und das Recht auf Information, denn sie zementierte die Medienmacht in der Hand eines einzigen Akteurs.
Berlusconi dominierte mit seinen drei führenden Privatsendern weiterhin das Werbegeschäft und die Meinungsbildung – und kontrollierte als Ministerpräsident zusätzlich das Staatsfernsehen.

Dass die neue Regierung nun so schnell tätig wurde, hat auch mit einer Intervention der EU-Kommission zu tun. Im Juli 2006 forderte sie Rom auf, innerhalb von zwei Monaten das von Gasparri durchgedrückte Gesetz zu ändern, weil es gegen gemeinschaftsrechtliche Vorgaben zum Wettbewerb und zur Ausgestaltung der elektronischen Kommunikationsnetze verstosse.
Die Regierung Prodi reagierte mit einem Gesetzentwurf, der das Duopol RAI-Mediaset in Frage stellt und ein pluralistischeres TV-System ermöglichen soll. Vorgesehen ist eine Öffnung des Fernsehmarkts und der Einstieg neuer Anbieter.
Schon von 2009 an sollen Berlusconi und die RAI gezwungen werden, jeweils einen ihrer drei Kanäle auf digitales Fernsehen umzustellen. Die frei werdenden Frequenzen soll die unabhängige Medienaufsichtsbehörde dann an neue Bieter versteigern.
Ab 2012 soll in Italien dann allerdings nur noch digital gesendet werden.
Wie Berlusconi als Regierungschef geltendes Recht verletzte, zeigt eine Geldstrafe in Höhe von 14,3 Millionen Euro für die RAI: Alfredo Meocci hätte nicht in das Amt des RAI-Generaldirektors berufen werden dürfen, das er von 2005 bis 2006 dank Berlusconi innehatte. Die Aufsichtskommission konstatierte nachträglich
einen Interessenkonflikt, weil Meocci zuvor selbst als Kommissar bei der Aufsichtskommision tätig war, was ihn für das Amt als RAI-Generaldirektor vier Jahre lang hätte disqualifizieren müssen.
Weil Berlusconi seinen Mann trotzdem an die Spitze der RAI gehievt hat, werden heute die Gebührenzahler zur Kasse gebeten.
Derweil lässt der Ex-Ministerpräsident in seinen eigenen TV-Kanälen lautstark klagen, gegen ihn und sein Mediaset-Imperium werde konspiriert.

AUSSEN-UND INNENPERSPEKTIVE: NEUEBÜCHER ÜBER ITALIENS MEDIEN

Martin Hambückers: Arrivederci Berlusconi. Medienpolitische Verflechtungen in Italien seit 1945.
Konstanz: UVK-Verlag, 354 Seiten, 19,19 Euro

Silvio Berlusconi ist zwar der Titelheld von Martin Hambbückers Untersuchung der Medienpolitik Italiens, aber nicht die alleinige Hauptfigur im Stück. Diese Rolle muss Berlusconi sich mit anderen Spielern teilen, die ihm in den 80er Jahren zu Macht und Reichtum verholfen haben, vor allem mit dem früheren italienischen Ministerpräsidenten Bettino Craxi und seiner sozialistischen Partei.
Letztendlich ist es aber, so der Autor, doch das italienische »System« der Politik und der Medien, das diese Karriere möglich gemacht hat. Alles ist »interdependent«: Berlusconi war und ist nicht nur der Mitgestalter des Mediensystems, er ist dessen Geschöpf, Gewinner und Opfer.
Wird es der neuen Mitte-Links Regierung gelingen, dem symbiotischen Verhältnis zwischen Politik und Medien ein Ende zu setzen? Hambückers ist überzeugt, sie werde das Duopol RAI-Mediaset aufweichen und Berlusconis Medienmacht Grenzen setzen. Aber er bleibt skeptisch, inwieweit sie dem Filz beikommen kann.
Das Buch untersucht die Gründe, Motive und Akteure, durch die in Italien ein so weit verzweigtes Beziehungsnetzwerk zwischen Politik, Medien und Wirtschaft entstehen konnte: Es zeichnet das Bild eines Kommunikationssystems, in dem es, so Hambückers, noch nie einen Journalismus gegeben habe, der als »vierte Macht« im amerikanischen Sinne wirkte.
Berlusconis Erfolgsrezept in diesem Koordinaten-System war es, eine perfekte Marketingstrategie mit gut gepflegten, politischen Beziehungen zu verbinden. Weil eine hinreichende rechtlich-politische Regulierung des Mediensystems fehlte, habe er zum einflussreichsten Mann Italiens aufsteigen können.
Hambrückers wertete für sein Buch zahlreiche italienische Quellen aus und befragte Medien- und Politikwissenschaftler. Die von ihm getroffene Auswahl ist allerdings bemerkenswert einseitig – wie ja überhaupt die Darstellung der italienischen Zustände von aussen häufig kritischer ausfällt als aus der Binnenperspektive.

Enzo Biagi: Quello che non si doveva dire. Mailand: Rizzoli Verlag 2006, 318 Seiten, 18 Euro

Eine Ausnahme bildet Enzo Biagi, mit 86 Jahren Granseigneur des italienischen Journalismus und ein furchtloser Kritiker des Politik- und Mediensystem. Im April 2002 mußte er sich von seinen Zuschauern für fünf volle Jahre verabschieden.
Seine Sendung Il Fatto, in der er Abend für Abend im ersten Programm der RAI die Tagesnachrichten kommentierte,
wurde trotz hoher Einschaltquoten aus dem Programm genommen. Was Berlusconi wollte, bekam er. Enzo Biagi wurde geschasst – ebenso wie andere prominente Journalisten. Heute erobert sich Biagi die Presse- und Meinungsfreiheit zurück: »Quello che non si doveva dire« – »Das, was man nicht sagen durfte« ist sein neues Buch betitelt.
Darin hat er die Themen und Geschichten zusammengestellt, über die er gerne in seiner Sendung gesprochen hätte. Es geht um die politische und gesellschaftliche Entwicklung Italiens seit dem Ende des 2. Weltkrieges bis hin zur Verstrickung in den Irak-Krieg und dem Mafia-Mord an Francesco Fortugno in Kalabrien.
Eine Schande, meint Biagi, dass das Fernsehen heute nur noch an Einschaltquoten interessiert sei – von Ethik und Moral keine Spur.
Natürlich schreibt auch Biagi über Berlusconi, dessen Wahlniederlage er kaum erwarten konnte. Nun hofft Biagi, dass die RAI wieder zu den Standards öffentlich-rechtlichen Rundfunks zurückkehrt. Ein Anfang ist bereits gemacht: Ende des Jahres 2006 wurde ihm wieder ein Sendeplatz bei der RAI offeriert.

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