Mediale Intoleranz gegenüber den Intoleranten

6. Oktober 2014 • Medienpolitik, Qualität & Ethik • von

In verschiedenen Ländern Europas legen rechts-konservative Parteien an Wählerstärke zu. Diese Entwicklungen stellen Medien vor eine große Herausforderung. Doch wie sich Medienhäuser diesbezüglich effektiv positionieren, kann exemplarisch am Beispiel der erstarkten Partei der Schwedendemokraten betrachtet werden. 

Vor zwei Wochen erzielte die rechts-konservative Alternative für Deutschland (AfD) bei den Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg Ergebnisse im zweistelligen Bereich. Damit schließt die Partei an vorherige Wahlerfolge in Sachsen oder bei den Europawahlen vom Mai an. Vor allem die Linkspartei und die CDU haben Wähler an die Alternative verloren. Diese sprach mit ihrem Unmut über den Euro, die EU-Mitgliedschaft, Ausländer und Zuwanderung diejenigen Themen an, die andere Parteien größtenteils ausklammerten. Auch in Griechenland, Ungarn und Frankreich sind rechts-konservative Parteien in den regionalen, nationalen und europäischen Parlamenten auf dem Vormarsch.

Weiter nördlich, in Schweden, wurde parallel zu den Landtagswahlen in Deutschland ebenfalls gewählt. Der bisherige bürgerliche Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt musste dabei eine Niederlage einstecken; in Zukunft wird der Sozialdemokrat Stefan Löfven die Geschicke des Landes lenken. Ähnlich wie die AfD hat auch die weit rechts operierende Partei der Schwedendemokraten (SD) erstmals Stimmen im zweistelligen Bereich erhalten: Das Ergebnis von 13 Prozent ist doppelt so hoch wie noch vor vier Jahren.

Misslungene Ausgrenzung 

Ausgrenzen und Ignorieren – so lautete die von den schwedischen Medien verfolgte Strategie gegenüber den Schwedendemokraten bis 2006. Da die Partei trotzdem an Stimmen zulegte, wechselte man den Kurs der Berichterstattung. Die mediale Darstellung der SD und ihrer Repräsentanten in der folgenden Legislaturperiode bis 2010 war negativ geprägt: Verschiedene Zeitungen, wie beispielsweise das Aftonbladet, weigerten sich, Inserate der SD zu schalten. Die Thematisierung rechts-konservativer Anliegen wurde in der Medienberichterstattung vermieden. Informationen wurden bewusst zurückgehalten, Argumente und Akteure der SD wurden umfassender geprüft und parteikritische Stimmen gefördert. Hervorgehoben wurden im Gegenzug parteiinterne Konflikte und Fehltritte von Parteimitgliedern. Im Buch „Problempartiet“ (dt.: Die Problempartei) über das Verhalten der Medien zur Partei vor den Wahlen 2010 zitiert der Autor Björn Häger einen Reporter der Tageszeitung Svenska Dagbladet:

„Es ist ja so, dass die Redaktionen Artikel zu den Schwedendemokraten zurückhalten. Jedes Mal wenn man etwas über die Partei schreiben soll, ist es verdammt schwierig. Jeder Text wird statt von einer von zehn Personen gegengelesen, bevor er in den Druck kommt.“

Trotzdem legte die Partei in den Wahlen von 2010 wieder zu und zog mit 6 Prozent Stimmenanteil erstmalig ins schwedische Parlament ein. Die negativ gefärbte Berichterstattung über die SD schien ihre Wirkung zu verfehlen, teilweise verhalfen die Medien mit ihrem Verhalten der Partei sogar zu unbeabsichtigter Publizität:

  • Die SD verzeichnete einen PR-Coup, als der private Fernsehsender TV4 sich weigerte, 2009 einen Wahlwerbespot der Schwedendemokraten auszustrahlen.
  • Die Zeitung „Aftonbladet“ änderte 2009 den Titel eines Kommentars von SD-Parteichef Jimmie Åkesson von „Schwedens Machthaber schließen ihre Augen vor den Gefahren des Islams“ zu „Muslime sind unsere größte ausländische Bedrohung“. Diese Zuspitzung sollte Åkessons kompromisslose Haltung hervorheben, verfehlte aber seine Wirkung und resultierte in eine noch größere Unterstützung für die SD in Meinungsumfragen.
  • 2012 stellte „Agenda“, eine Diskussionssendung des öffentlichen Fernsehens SVT, die Frage „Wie viel Einwanderung verträgt Schweden?“ und erntete dafür sofort Kritik. Die Fragestellung suggeriere, dass Einwanderung ab einem bestimmten Ausmaß immer zum Problem werde und bediene sich somit Begriffen und Weltanschauung der Schwedendemokraten.
  • Einen Monat vor den Wahlen 2014 durfte SD Parteichef Jimmie Åkesson in einer Wahlsondersendung des öffentlichen Fernsehens sein Parteiprogramm zur besten Sendezeit ausführen, während sich die rivalisierten Ministerkandidaten Reinfeldt und Löfven gleich darauffolgend nur kurz äußern konnten und sich dabei abwechseln mussten. Die an sie gestellten Fragen bezogen sich größtenteils auf die Ausführungen ihres Vorredners Åkesson. Sowohl in Punkto Redezeit als auch in Punkto Themensetzung ging diese Runde an die SD. Ungewollt verschaffte man Åkesson eine Plattform auf Kosten der etablierten, gemäßigten Parteien.

Anhänger der Schwedendemokraten sehen im besonderen Vorgehen der Medien eine gezielt geführte Kampagne gegen die Partei, die vergleichbar ist mit dem Verhalten der übrigen im Parlament vertretenen Parteien: Auch hier wurde und wird auf eine parlamentarische Zusammenarbeit mit der SD bewusst verzichtet. Es überrascht daher nicht, dass sich die Schwedendemokraten als Reaktion darauf in einer Opfer- und Außenseiterrolle als Kämpfer gegen das politische Establishment darstellen und diese gezielt hervorheben.

Ein journalistisches Dilemma

Der Umgang mit dieser Situation wird in der Medienbranche derzeit heiß diskutiert. Das schnelle Wachstum der Partei, ihr professioneller Einsatz von sozialen Medien bei der Kommunikation und eine unkooperative Einstellung gegenüber Journalisten fordern die Medienunternehmen heraus. Hinzu kommt das folgende Dilemma: Einerseits soll keine Partei besonders behandelt werden. Unparteiisch und zugleich kritisch soll in Medienbeiträgen auf verschiedene Ideologien und Parteiprogramme eigegangen werden. Möglichst neutral gehaltene Informationen stehen hierbei im Mittelpunkt. Die Schwedendemokraten als nunmehr drittstärkste Partei in Schweden sollen hier keine Ausnahme darstellen und Teil einer ausgewogenen Berichterstattung sein. Andererseits handelt es sich bei der SD um eine Partei, die den gleichen Wert aller Menschen in Frage stellt und das friedliche Zusammenleben verschiedener Kulturen herausfordert. Sie wird von vielen Seiten als undemokratisch angesehen, deshalb soll ihr nicht zusätzliche Publizität verschafft werden.

Wie sollen sich Schwedens Medien gegenüber den Schwedendemokraten und ihren Wahlerfolgen verhalten? Die Antwort auf diese Frage – falls es eine gibt – hängt von der Funktion des Journalismus ab: Journalisten, die sich als reine Vermittler möglichst unparteiischer und neutraler Informationen und Hintergründe sehen, würden von einer Sonderbehandlung der Schwedendemokraten absehen. Medienschaffende, die mit ihrer Arbeit einem Rechtsrutsch der Gesellschaft entgegenwirken möchten, werden die Partei aufgrund der von ihr ausgehenden angenommenen Gefahr anders behandeln als gemäßigte Parteien.

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Kommentar:

Beide Vorgehensweisen sind problematisch. Die SD distanziert sich nach außen bewusst von Rassismus, hat aber ihren Ursprung im rechtsextremen Milieu und betont die Gefahr für die „schwedische“ Kultur, die von Einwanderung ausgehe. Das nationalistische, aber nicht rechtsextreme Image der Partei macht sie so für eine breitere Masse wählbar, vergiftet aber Teile der Gesellschaft schleichend mit Islamophobie und Fremdenfeindlichkeit. Journalisten tun gut daran, die Partei äußerst wachsam zu beobachten. Jedoch besänftigt eine Ausgrenzung gewisser Themen und Akteure weder gesellschaftliche Konflikte noch wirkt sie wachsender Fremdenfeindlichkeit entgegen. Es ist zu begrüßen, dass Schwedens Medien ihre ehemals ausgrenzende Strategie aufgegeben haben und dazu bereit sind, sich selber und die 87 Prozent der schwedischen Bevölkerung, die ihre Stimme nicht den Rechtskonservativen gegeben hat, mit in Schweden offensichtlich vorhandenen Ängsten und Fremdenfeindlichkeit zu konfrontieren. Ausgewogenheit und Unparteilichkeit schließt eine kritische Berichterstattung nicht aus.

 

Bildquelle: News Oresund / flickr.com

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