Hosianna und Halleluja

28. November 2014 • Pressefreiheit, Qualität & Ethik • von

Die Adventszeit naht. Preisen wir also die Heiligen der Medien. Es sind die Journalisten der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG).

Beginnen wir mit einer Frage aus dem journalistischen Alltag der “Tagesschau”. Darf man sich in der “Tagesschau” über das christliche Vaterunser lustig machen?

Ja, das darf man.

Ein Zuschauer beschwerte sich über einen TV-Beitrag zum Straßenverkehr. Anmoderiert wurde der Beitrag mit dem Spruch: “Unsere tägliche Staumeldung gib uns heute.”

Diese Verulkung des Gebets empfand der Zuschauer als “respekt- und pietätlos”. Er beschwerte sich deshalb bei Achille Casanova, dem Ombudsmann der SRG.

Casanova schrieb nun höflich zurück, er zeige für seine “wohlbegründeten Überlegungen viel Verständnis”. Doch die Beschwerde lehnte er ab.

Das ist das Grundmuster bei Beschwerden gegenüber dem staatlichen Radio und Fernsehen. Als Erstes geht die Beschwerde an Ombudsmann Casanova. Der schreibt dann höflich zurück, dass “ich für Ihre kritische Reaktion viel Respekt aufweise” oder dass “ich persönlich Ihre kritischen Bemerkungen durchaus teile”. Die Beschwerden aber lehnt er ab.

Er lehnt auch Beschwerden ab, die selbst intern unbestritten sind, etwa jene gegen die unsägliche Idee, den “Samschtig-Jass” (Kartenspiel-Fernsehsendung) aus dem Thurgauer Bordell “Rote Villa” auszustrahlen. 183 Beschwerden gegen SRG-Sendungen sind im Jahr 2013 beim Ombudsmann eingegangen. Nur sechs Prozent davon erschienen ihm letztlich berechtigt.

Die sechs Prozent werden dann an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) weitergezogen. Das ist sozusagen das nächsthöhere Gericht zur Beurteilung journalistischer Verbrechen. Hier werden dann auch diese restlichen sechs Prozent abgeschmettert. Im Jahr 2013 wurde vom UBI keine einzige Beschwerde als berechtigt betrachtet.

Das Zweistufen-Modell der Reinwaschung funktioniert tadellos. Der Ombudsmann besorgt die Vorfilterung. Die Beschwerdeinstanz lehnt die paar verbliebenen Beanstandungen ab.

Damit ergibt sich ein merkwürdiges Bild, das so gar nicht zur Medienrealität passen will.

Journalisten, wie wir alle wissen, sind Sünder. Es ist unvermeidlich, dass ihnen in der täglichen Arbeit dauernd Verstöße gegen ihre Berufsregeln unterlaufen. Es sind Verstöße gegen Prinzipien wie Fairness und Sachgerechtigkeit. Nur die Journalisten der staatsnahen Medien sind fehlerfrei. In der SRG leben die letzten Heiligen des Journalismus. Hosianna und Halleluja.

Auch 2014 wurde nicht eine einzige Beschwerde gegen das Deutschschweizer Radio und Fernsehen gutgeheißen. Selbst extrem verzerrte Darstellungen wie etwa der “Rundschau”-Bericht zum Kampfjet Gripen wurden als “nicht tendenziös” durchgewinkt. Beim Gripen handelte es sich um das Wunschflugzeug des Schweizer Militärs, dessen Beschaffung vom Schweizer Volk jedoch abgelehnt wurde.

Dass die SRG-Journalisten dermaßen geschont werden, liegt in der Struktur ihrer beiden Aufsichtsinstanzen. Beide sind staatsnah aufgestellt und personell einseitig dotiert.

Ombudsmann Achille Casanova war 25 Jahre lang Bundesbeamter, zuletzt als Bundesratssprecher. Er denkt in politischen und nicht in journalistischen Kriterien. Finanziert wird er durch die Zwangsgebühren der SRG.

Noch staatsnäher ist die Beschwerdeinstanz UBI. Sie wird als Teil der eidgenössischen Verwaltung geführt und aus Bundesgeldern finanziert. Ihr Präsident, der ehemalige Medienprofessor Roger Blum, bringt immerhin frühere journalistische Erfahrung mit. Doch sieben der anderen acht Mitglieder seines Gremiums sind Juristen ohne Praxisbezug in den Medien.

Schließen wir also diese voradventliche Betrachtung mit einer philosophischen Frage: Wann ist in unserem Leben ein vollkommener Misserfolg garantiert?

Die Antwort ist einfach: Wenn wir eine Beschwerde gegen eine SRG-Sendung einreichen.

 

Bildquelle: jh146 / pixabay.com

Erstveröffentlichung: Die Weltwoche vom 13. November 2014

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