Konkurrenz für Griechenlands mächtige Medienbarone

24. Mai 2016 • Internationales, Medienpolitik, Pressefreiheit • von

In Griechenland sind die Medien derart eng mit Wirtschaftsinteressen verflochten,  dass objektive Berichterstattung auf der Strecke bleibt. Das Medienprojekt AthensLive will nun eine Alternative zu den griechischen Mainstream-Medien bieten.

AthensLive2015 stürzte Griechenland um 50 Plätze auf Position 91 in der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen ab. Damit war es das am zweitschlechtesten bewertete Land innerhalb der Europäischen Union. Der NGO zufolge sind die griechischen Medien in der Hand von wenigen mächtigen Medienbaronen, die jahrelang ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgt haben. Die neue Regierung, angeführt von Alexis Tsipras, hat versprochen, ihr Monopol zu beenden. In diesem Jahr ist Griechenland in dem Ranking um zwei Plätze nach oben auf Platz 89 geklettert, aber es ist immer noch unklar, ob die Wahlversprechen auch gehalten werden.

Mit AthensLive ist ein neues unabhängiges Medienprojekt gestartet, das eine Alternative zur Berichterstattung von konzerneigenen griechischen Medien, die an bestehende politische Interessen gebunden sind, bieten möchte.

Die Plattform, die eine Kooperation zwischen griechischen und internationalen Journalisten ist und durch Crowdfunding finanziert werden soll, wird englischsprachige Berichterstattung, Analyse und Kommentare aus Athen und ganz Griechenland liefern. Sie verspricht, dass ihre Arbeit nur den Lesern gegenüber verpflichtet sein wird.

„In Griechenland gibt es bisher noch nichts Vergleichbares“, sagt Tassos Morfis, Journalist und Mitbegründer von AthensLive. „Ob Zensor, Besitzer oder Finanzier – die politische Elite hat die griechischen Medien jahrelang kontrolliert und die Klientelpolitik hat sich während der Wirtschaftskrise in den vergangenen sechs Jahren nur verschlimmert.“ Die Besitzer der Medienunternehmen, gleichtzeitig häufig Schlüsselfiguren in anderen Industrien, und die politische Elite seien voneinander abhängig. „Die umfangreichen Konsolidierungen der Besitzstrukturen in den Medien sorgen dafür, dass die paar übrig gebliebenen Besitzer und ihre politischen Interessen die einzig repräsentierten Sichtweisen sind. Struktureller Pluralismus im Journalismus existiert in Griechenland einfach nicht“, so Morfis.

Selbst verhängte Nachrichtensperre bei den Luxembourg Leaks

Es ist ziemlich offensichtlich, wie sich die Vertreter von politische Interessen in die Berichterstattung über kontroverse Themen einmischen: „Die Mainstream-Medien haben keine Meinungen, die sich gegen die Sparpolitik richteten, veröffentlicht“, sagt Mrofis. „ Leser, die sich im Vorfeld des griechischen Referendums ausschließlich in Mainstream-Medien informiert über die Rettungspläne haben, hätten mit Sicherheit gesagt, dass die Mehrheit der griechischen Öffentlichkeit für die Fortsetzung der Sparmaßnahmen ist.“

Tatsächlich aber wurden die Sparmaßnahmen von der Mehrheit zurückgewiesen – 61 Prozent stimmten dagegen. Im Nachhinein wurde bekannt, dass einflussreiche Mitglieder der Partei Nea Dimokratia (Neue Demokratie) ein Memo an die wichtigsten Medien geschickt hatten, in dem sie Anweisungen gaben, wie die Berichterstattung über diese umstrittene Abstimmung auszusehen habe.

Durch die strenge Kontrolle durch den Herausgeber werden auch Interessen des jeweiligen Unternehmens aufrecht erhalten. Ein besonders bemerkenswerter Fall ist die Berichterstattung über die Luxembourg Leaks im Jahr 2014. Ein Reporter der Ta Nea, einer Tageszeitung mit Sitz in Athen und der einzige offizielle Partner des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) in Griechenland, bekam exklusiven Zugang zu einer Reihe von Namen einflussreicher griechischer Firmen, die in den Steuerhinterziehungsskandal verwickelt waren.

Trotzdem veröffentlichte Ta Nea nur einen kleinen Artikel darüber – ohne Namen zu nennen. In ganz Griechenland verhängten sich die Mainstream-Medien selbst eine Nachrichtensperre über diese Geschichte.

Das Vertrauen in die griechische Presse ist gering

Viele glauben, dass die griechischen Medien nicht viel mehr sind als ein Instrument der politischen Parteien und Unternehmen. Während die Alphabetisierungs- und Bildungsraten in Griechenland hoch sind, ist die Zeitungsleserschaft sehr gering (nur 63 von 1000 Menschen kauften im Jahr 2000 eine Tageszeitung).

Selbst Griechenlands englischsprachige Medien haben den Ruf, die gleichen politischen und unternehmerischen Verbindungen zu haben wie die griechischen.  Internationale Medien sind zwar eine Alternative, aber sie berichten lediglich über Aufstände und die Bankenmisere. Ihre Berichterstattung  zeichnet nur ein schlechtes Bild des Landes.

Die klägliche wirtschaftliche Situation der griechischen Medienlandschaft hat auch Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen der Journalisten. So mussten die unter 25-Jährigen im Durchschnitt eine Senkung ihres Einkommens von 581 auf 490 Euro hinnehmen. Damit können sich die Betroffenen aber noch relativ glücklich schätzen. Der Journalistengewerkschaft der Athener Tageszeitungen zufolge sind 20 Prozent ihrer Journalisten arbeitslos, während 30 Prozent ohne Gehalt arbeiten. Zudem ist aufgrund der strikten Kontrolle durch den Herausgeber Selbstzensur für Journalisten oft der einzige Weg, um ihren Job nicht zu verlieren.

Der Kommunikationswissenschaftler Petros Iosifidis sprach in einer Rede an der City Universität in London im vergangenen Jahr von einem „Machtdreieck aus ökonomischen Interessen, Politikern und den Medien“, das in Griechenland exisitiere und objektiven und investigativen Journalismus unterdrücke. In den Medien herrsche ein Schweigegelübde vor, das zu einer umfangreichen Vertuschung von Skandalen führe. Das Wachstum unabhängiger Medienplattformen aber könne das Machtgeflecht durchtrennen, so Iosifidis.

Fundraising als alternatives Finanzierungsmodell

Tassos Morfis hofft, dass AthensLive solch eine Plattform sein kann: „Wir wollen mit AthensLive den Journalisten geben, was sie brauchen, um kontroverse Themen vollständig zu recherchieren, und sie fair für ihre Arbeit bezahlen. Auch unsere Leser interessieren sich nicht für ein Wiederkäuen der konzerneigenen Nachrichten.“, sagt er.

AthensLive wird von einer Reihe von Fundraising-Techniken Unterstützung erhalten, die von anderen schwarmfinanzierten, Abonnement-gestützten europäischen Medienprojekten ausprobiert und für gut befunden wurden. „Wir sehen die digitalen Medien als eine Möglichkeit für Pluralismus und Unabhängigkeit, aber bis jetzt wurde dort nicht mehr angeboten als schlechte Qualität, Klatsch und Tratsch und offensichtliche Plagiate”, so Morfis. Um die Fehler, die bei den Mainstream-Medien gemacht wurden, nicht zu wiederholen, brauche es ein alternatives Finanzierungsmodell – man könne sich nicht auf Anzeigen und Kredite verlassen.

Über Griechenland gebe es mehr zu berichten als die Flüchtlingskrise und politische Unruhen. Dem Land sei eine lebhafte Kultur erhalten geblieben, die der Rest der Welt momentan nicht sehe, sagte Morfis. Das wolle AthensLive ändern: „Wir leben hier, wir kennen die ganze Geschichte und wir denken, dass die Welt sie auch erfahren muss.”

Original-Artikel auf Englisch: AthensLive: Challenging Greece’s ‘Powerful Media Barons’

Übersetzt aus dem Englischen von Lena Christin Ohm

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1 Responses to Konkurrenz für Griechenlands mächtige Medienbarone

  1. M sagt:

    Super Projekt! 🙂

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