Maßstab der Freiheit?

1. August 2016 • Pressefreiheit • von

Wie kann man Medienfreiheit eigentlich messen und dabei ganz unterschiedliche Länder vergleichen? Klaus Beck ist dieser Frage nachgegangen.   

PressefreiheitNicht erst seit dem gescheiterten Putsch verschlechtert sich die Lage der Medien in der Türkei. Erdogans Wende zum autoritären Staat geht seit Jahren mit einer ernsten Bedrohung der Medienfreiheit einher, wie Reporter ohne Grenzen (ROG) mit der Platzierung der Türkei auf Rang 151 der Weltrangliste der Pressefreiheit verdeutlicht. Mit tatsächlichen oder vermeintlichen Terrorgefahren werden polizeiliche und gerichtliche Repression begründet: Journalisten werden gefeuert, drangsaliert, eingesperrt, Dutzende von Medien verboten, wie der Medienforscher Bilge Yesil für die Türkei gezeigt hat.

Auch Deutschland ist auf der Rangliste abgerutscht (Rang 16): Zwar tun sich auch hierzulande die Behörden mitunter schwer mit der Presse, entlassen große Medienkonzerne Journalisten. Doch neuartige Gefahren für die Medienfreiheit drohen von anderer Seite: Pegida-Demonstranten schüchtern Journalisten ein, greifen sie oder die Redaktionen an, AfD und NPD schließen sie von der Berichterstattung aus.

Wie kann man Medienfreiheit eigentlich messen und dabei ganz unterschiedliche Länder vergleichen? Was taugen die Rankings von ROG oder Freedom House, denen die Feinde der Medienfreiheit, aber auch einige Forscher Parteilichkeit vorwerfen?

ROG stellt weltweit 100 Experten und eigenen Korrespondenten 87 detaillierte Fragen zu Vielfalt und Unabhängigkeit der Medien, wirtschaftlichen und rechtlichen Bedingungen, journalistischem und technischem Arbeitsumfeld, redaktioneller Transparenz und Selbstzensur sowie zu Übergriffen und Gewalt gegen Journalisten. Zunehmend werden nicht mehr nur staatliche Eingriffe und Repressionen berücksichtigt. Auch die für Demokratien typischen, ökonomisch bedingten Einschränkungen der Medienfreiheit gehen in die Rankings ein. Die Befragungen sind in den letzten Jahren aussagekräftiger und zuverlässiger geworden. Dafür spricht auch die wachsende Übereinstimmung der konkurrierenden Studien von ROG und Freedom House.

Die Befunde von Reporter ohne Grenzen zeigen nicht nur die klassischen Probleme autoritärer Staaten, sondern dass auch neue Bedrohungen der Medienfreiheit verstärkter Aufmerksamkeit bedürfen: in der Praxis wie in der Forschung.

Erstveröffentlichung: tagesspiegel.de vom 31. Juli 2016

Bildquelle: Nina Haghighi / Flickr CC: Press freedoms; Lizenzbedingungen: creativecommons.org/licenses/by-nd/2.0/

 

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