„Recherche nicht verpuffen lassen“

24. November 2015 • Internationales, Pressefreiheit, Qualität & Ethik • von

Das Netzwerk für Osteuropa-Berichterstattung n-ost hat vor kurzem das Projekt n-vestigate ins Leben gerufen. Vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finanziert, sollen Journalisten aus Armenien, Georgien, der Republik Moldau, der Ukraine, Russland und der EU investigativ und länderübergreifend zusammen arbeiten.

Globus

n-vestigate fördert grenzüberschreitende Recherchen in Armenien, Georgien, Moldawien und der Ukraine.

Projektkoordinatorin Annika Gläser spricht im Interview mit EJO-Reporterin Susann Eberlein über die Ziele des neugegründeten Netzwerkes, mögliche Themen und die Chance, gesellschaftliche Diskurse anzustoßen.

EJO: Seit 2006 engagiert sich n-ost für eine verbesserte Berichterstattung aus Osteuropa. Was ist das Neue am Investigativnetzwerk n-vestigate?

Annika Gläser: In den Projektländern ist investigativer Journalismus nur schwach verankert. Wir bringen lokale investigative Journalisten mit Kollegen aus anderen Ländern ebenso zusammen wie mit Medienanwälten, Entscheidungsträgern aus Politik und Zivilgesellschaft und Open-data-Aktivisten. Außerdem haben wir bei vergangenen Projekten festgestellt, dass es in vielen Ländern eine Diskrepanz zwischen dem oft guten Informationsfreiheitsgesetz auf dem Papier und dessen Umsetzung in der Realität gibt. n-vestigate ist eine Antwort auf diese Beobachtung. Dabei arbeiten wir mit vier gemeinnützigen Organisationen zusammen: das Regional Press Development Institute (Ukraine), RISE Moldova (Republik Moldau), Hetq (Armenien) und Liberali (Georgien). Gemeinsam fördern wir grenzüberschreitende Recherchen, die wir gut aufbereitet veröffentlichen.

Annika Gläser

Projektkoordinatorin Annika Gläser

Sind bereits Themen in der Bearbeitung?

Ja. Wichtig ist uns, dass nicht nur Themen bearbeitet werden, an die man klassischerweise denkt: Schmuggel oder Korruption zum Beispiel. Auch soziale Themen wie das Bildungs- oder Gesundheitssystem sind interessant. Ich denke da beispielweise an die Fälschung von Medikamenten oder an Animal Trafficking, bei dem Tiere, die als bedroht gelistet sind, aus Afrika über Armenien in die Ukraine verkauft werden – für das Privatvergnügen von reichen Menschen.

Wo werden die fertigen Produkte dann veröffentlicht?

Die Produkte werden einerseits auf der Plattform von n-ost veröffentlicht, andererseits in den Medien der teilnehmenden Journalisten. Zugleich planen wir, einen starken Medienpartner einzubinden. Zunächst werden Beiträge für Print und Online entstehen. Wir haben aber auch eine Fernsehjournalistin im Team, und unser Ziel ist es, in Zukunft crossmedial zu arbeiten. Die Publikation ist dabei keineswegs das Ende der Arbeit. Mit auf die Geschichte zugeschnittenen Kampagnen wollen wir dazu beitragen, dass die Rechercheergebnisse nach der Veröffentlichung nicht verpuffen, ohne konkrete Folgen nach sich zu ziehen.

Wie soll das gelingen?

Wir binden nicht nur Journalisten ein. Im Netzwerk haben wir Verbündete aus anderen gesellschaftlichen Sphären: Medienanwälte, Aktivisten, Politikberater, Universitätsdekane setzen sich für eine breitere gesellschaftspolitische Resonanz auf investigative Recherchen ein.

Wie ist es derzeit um den Investigativjournalismus in Osteuropa bestellt?

Jedes Land hat seine eigene Geschichte. In Armenien gibt es nur ein einziges Medium, das investigativ arbeitet. Die dortigen Journalisten sind Repression, im Extremfall körperlichen Gefahren ausgesetzt. Unsere Partner sagen, dass sie über den Punkt hinaus sind, davor Angst zu haben. In Georgien war die investigative Szene Anfang des Jahrtausends recht stark entwickelt. Nach der Revolution um Mischa Saakaschwili wurde ihre Arbeit massiv unterdrückt, sodass es heute keine Tradition mehr gibt, auf die sich jungen Journalisten beziehen können.

Bietet das Netzwerk dafür Training an?

Das Projekt richtet sich in erster Linie an Journalisten, die bereits Erfahrungen mit investigativer Recherche haben und auf einem guten Level sind. Trotzdem wird es kleinere Trainingseinheiten geben. Die Mitglieder sollen später selbst zu Trainern werden und ihre Erfahrungen weitergeben, damit n-vestigate Wirkung in die Gesellschaft hinein entfalten kann.

Mit Correctiv gibt es in Deutschland ein Investigativnetzwerk, mit Hostwriter eine Plattform für transnationale Recherchen. Was machen Sie anders?

Es gibt tatsächlich viele Projekte, die in einem ähnlichen Kontext arbeiten. Wir sehen uns nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung. Wir setzen auf eine qualitative Wirkung über unsere Geschichten, die wir nachhaltig recherchieren und publizieren. Unsere Kollegen von Correctiv, Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) etc. binden wir an sinnvollen Stellen ein. Deren Recherchen wurden etwa bei unserer Konferenz zum Auftakt des Projektes vorgestellt.

Bildquelle (Globus): duncan c / Flickr CC

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