Was Polens Regierung mit den Medien macht

27. Januar 2016 • Internationales, Pressefreiheit • von

Anfang Januar hat Polens Regierung nach einer Änderung des Mediengesetzes das Führungspersonal des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausgetauscht und kritische TV-Sendungen aus dem Programm genommen. Die Änderungen haben zahlreiche Proteste und internationale Kritik ausgelöst, die EU hat Polen unter Aufsicht gestellt.

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Die nationalkonservative Partei PiS (Recht und Gerechtigkeit), die seit November an der Macht ist, aber zeigt sich von der Kritik unbeeindruckt und hat angekündigt, dass die Medienreform nur der Anfang sei. Als nächstes möchte sie die elektronische Überwachung und Datenerfassung ausweiten.

Die Beziehungen zwischen der Politik und den Medien in Mittel- und Osteuropa sind noch nie einfach gewesen. So wurde jede Regierung, die zwischen 1989 und 2015 in Polen an der Macht war, beschuldigt, die öffentlich-rechtlichen Medien als Instrument der politischen Propaganda zu benutzen. Die Anzahl der Änderungen der jetzigen Regierung und die Schnelligkeit, mit der sie implementiert werden, aber überrascht sowohl polnische als auch internationale Beobachter.

Kontrolle über die Medien

Das neue Mediengesetz hat es der Regierung ermöglicht, Manager der öffentlich-rechtlichen Medien zu entlassen und sie mit Führungspersonal, das ihr nahe steht und/oder von rechtsstehenden Medien kommt, zu ersetzen. Zudem wurden beliebte Fernseh- oder Radiosendungen, die für ihre Kritik an der Regierung bekannt waren, eingestellt. Die „Säuberungsaktion“ hat zu einer Kündigungswelle bekannter Journalisten und Nachrichtensprecher geführt.

Besorgniserregend ist vor allem, dass nun der Schatzminister der polnischen Regierung über die Besetzung der Spitzenpositionen von Telewizja Polska und Polskie Radio entscheidet. Bislang hatte eine von der Regierung unabhängige Rundfunkkommission (Krajowa Rada Radiofonii i Telewizji – KRRiT) über die Besetzung der Führungsriege bestimmt.

Proteste und internationale Kritik

Das neue Modell der Kontrolle steht in völligem Widerspruch zu dem, was die EU, der Europarat und die Europäische Rundfunkunion (EBU) bezüglich Qualität und politische Unabhängigkeit von öffentlich-rechtlichen Medien empfehlen. In einem offenen Brief hatten forderten EBU-Vertreter den polnischen Präsidenten Andrzej Duda auf, das Gesetz nicht zu unterschreiben: „[Die Gesetzesänderungen sind] ein Angriff auf eine Institution, die nicht länger unabhängig sein wird, sobald die geplanten Maßnahmen greifen. Wir sind der Ansicht, dass dies ein schwerer Rückschritt ist, der die öffentlich-rechtlichen Medien schwer beschädigen wird.“

Ebenso äußerten der Menschenrechtskommissar des Europarats, Nils Muižnieks, der Generalsekretär des Europarats, Thorbjørn Jagland, zahlreiche Vertreter des Europäischen Parlaments und internationale Medienorganisationen ihre Bedenken.

„Die Einführung eines Systems, in dem ein Regierungsminister nach eigenem Ermessen Aufsichtsräte ernennen und entlassen kann, richtet sich gegen die Grundprinzipien der öffentlich-rechtlichen Medien“, schrieben Vertreter der European Federation of Journalists (EFJ), der Association of European Journalists (AEJ), von Reporter ohne Grenzen (ROG) und des Committee to Protect Journalists (CPJ).

Als Antwort auf die Kritik verkündete die polnische Regierung, dass die neuen Regulierungen notwendig gewesen seien, um sicherzustellen, dass die öffentlich-rechtlichen Medien in Polen „unparteiisch und objektiv“ blieben.

Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Die jetzigen Änderungen werden von PiS nur als Übergangslösung betrachtet. Mitte des Jahres soll eine umfassende Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Kraft treten. Laut Piotr Glinski, Minister für Kultur und Kulturgüter, werden dann die öffentlich-rechtlichen Medien sowie die staatliche Nachrichtenagentur des Landes, Polska Agencja Prasowa, in „nationale kulturelle Institutionen“ umgewandelt werden, die „eine stabile Finanzierung und Entwicklungsmöglichkeiten“ garantieren.

Die Hauptziele der neuen Reformen sollen folgende sein:

  1. Die Einrichtung eines nationalen Medienrats, der Polens öffentlich-rechtliche Medien (TVP – polnisches Fernsehen und PR – polnisches Radio) kontrollieren soll. Seine Mitglieder sollen so ernannt werden wie bislang auch die Mitglieder des Rundfunkrats ernannt wurden: zwei vom Präsidenten, zwei von der ersten Kammer des Senats (Sejm) und eines von der zweiten Kammer des Parlaments (Senat).
  2. Die Etablierung eines neuen Finanzierungsmodells für öffentlich-rechtliche Medien: Die Lizenzgebühr soll von einer sogenannten „audiovisuellen Gebühr“ abgelöst werden, es wurde aber noch nicht bekannt gegeben, wie sie kassiert werden soll. Vom privaten Rundfunk sollen zusätzliche finanzielle Mittel kommen.
  3. Eine neue Aufgabe für den jetzigen Rundfunkrat: Er wird über die Medien keine regulierende Kraft mehr ausüben können, soll aber für den Schutz der Meinungsfreiheit sorgen.

Details der geplanten Änderungen sind noch unbekannt, da die Reform bisher nicht öffentlich vorgestellt wurde. Fest steht aber, dass die neuen institutionellen und rechtlichen Rahmenbedingungen die Rolle und den Einfluss des nationalen Rundfunkrats sowie des Parlaments auf die Medien erheblich einschränken werden und die Regierung direkte Kontrolle über die Medien erlangen wird.

Die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks reicht der kontrollhungrigen Regierung aber scheinbar nicht. PiS möchte auch private Medienunternehmen verstaatlichen – „re-polonisieren“, wie sie es nennt. Regierungsangehörige haben bereits mehrmals erklärt, dass die polnischen Medien „polnischer“ werden sollten. Allerdings ist eine Verstaatlichung privater Medienunternehmen eher unwahrscheinlich, da eine solch schwerwiegende Änderung der Eigentümerstrukturen der Medien nicht möglich wäre, ohne gegen wichtige EU-Regeln zu verstoßen.

Die polnische Regierung hat auch eine Änderung von Überwachungsgesetzen angekündigt, um die elektronische Datenerfassung auszuweiten. Das neue Gesetz soll im Februar in Kraft treten und würde der Polizei mehr Überwachungsmöglichkeiten in der Telekommunikation und im Internet zugestehen. Vergangenes Wochenende waren deshalb wieder erneut viele Polen gegen ihre Regierung auf die Straße gegangen.

Mitte Januar hat die EU-Kommission aufgrund der Gesetzesreformen ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit Polens eingeleitet. Polen ist das erste EU-Land, das sich offiziell und öffentlich Zweifeln an dessen Rechtsstaatlichkeit zu stellen hat. Am Ende des Verfahrens könnte Polen Sanktionen der EU erwarten. Dazu müssten die anderen EU-Mitgliedsstaaten aber einstimmig feststellen, dass es einen „schwerwiegenden und anhaltenden Verstoß“ gegen EU-Grundwerte gibt, was voraussichtlich nicht der Fall sein wird.

Es ist eher unwahrscheinlich, dass die polnische Regierung mit ernsthaften Konsequenzen von Seiten der EU zu rechnen hat, dennoch sollte sie das Verfahren als erste und starke Warnung betrachten.

Original-Artikel auf Englisch: What exactly is happening to Poland’s Media?

Übersetzt aus dem Englischen und leicht modifiziert von Tina Bettels-Schwabbauer

Bildquelle: Grzegorz Zukowski / Flickr Cc

 

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