Eine Landkarte mahnt zu mehr Pressefreiheit

12. August 2014 • Qualität & Ethik • von

Auf der Europa-Landkarte von Ushahidi Media Freedom sind mehr als 170 rote Punkte verzeichnet. Jeder Punkt steht für einen Verstoß gegen die Pressefreiheit. Die Landkarte ist das Herzstück der mehrsprachigen Online-Plattform, die Ende Mai vom italienischen Osservatorio Balcani Caucaso (Obc) und Index on Censorship  als Crowdsourcing-Projekt gegründet wurde, um Verletzungen der Pressefreiheit in Europa zu dokumentieren.

Während die Medienwelt fortwährend von der Wirtschaftskrise erschüttert wird, werden Presse- und Redefreiheit immer mehr untergraben. So erzählen die besorgniserregenden Geschichten der Augenzeugen auf Ushahidi Media Freedom von großem Druck auf Journalisten, von Gelegenheitsjobs, von Entlassungen, Bedrohungen und Missbrauch sowie neuen heimtückischen Formen von Zensur.

Zwar wurden auch Länder wie Finnland, Dänemark und Deutschland mit roten Punkten markiert, aber mehr als die Hälfte der Verstöße gegen die Pressefreiheit wurden in Südosteuropa und der Türkei beobachtet.  Allein in Serbien sind 16 Fälle aufgelistet. Dort wurden, nachdem viele Journalisten die Art des Umgangs der Regierung mit der verheerenden Flut im Mai kritisiert hatten, zahlreiche Angriffe auf die Pressefreiheit verzeichnet.

In Serbiens Hauptstadt Belgrad gab es zudem einen Diffamierungsskandal bei der Tageszeitung Informer. Das Boulevard-Blatt hatte behauptet, dass die montenegrinische Aktivistin Vanja Ćalović Sex mit Hunden gehabt habe. Laut Beobachtern in Montenegro war dies nur eine Episode einer seit Monaten andauernden Hetzkampagne gegen die Rivalen des amtierenden Ministerpräsidenten Monenegros Milo Dukanović.

Auf Ushahidi Media Freedom kann jeder, egal ob Journalist, Blogger oder aktiver Bürger, Verletzungen der Pressefreiheit melden. Die Berichte können auch anonym eingereicht werden, müssen aber eine Quelle nennen und werden erst auf der Seite veröffentlicht, nachdem ein Expertenteam sie geprüft hat.

Die Plattform ist Teil des transeuropäischen Safety Net for European Journalists, das vom Osservatorio Balcani Caucaso, dem italienischen Ossigeno per l’Informazione, der South-East European Media Organization und der Wissenschaftlerin Eugenia Siapera von der Dublin City University ins Leben gerufen wurde. Das Projekt, an dem überdies zehn Zeitungen aus Italien und dem Balkan teilnehmen, beobachtet und dokumentiert Verletzungen der Pressefreiheit in Italien, Südosteuropa und der Türkei und will damit sowohl die Regierungen als auch die Bürger der Länder für das Thema der Pressefreiheit sensibilisieren.

Die Crowdsourcing-Plattform stammt übrigens ursprünglich aus Kenia – Ushahidi ist Suaheli und bedeutet Zeuge. Sie wurde dort 2007 während der politischen Krise gestartet, um Fälle von Gewalt, Missbrauch und Wahlbetrug zu dokumentieren. Mit der Hilfe von Augenzeugen entstand in kurzer Zeit eine interaktive Landkarte mit zahlreichen Informationen, die sonst nie an die Öffentlichkeit gekommen wären. Ushadidi half dabei, die Gewalt der Armee gegenüber der Bevölkerung aufzudecken, das Ausmaß der Krise zu verstehen und humanitäre Hilfe zu sichern.

Das Projekt zog die Aufmerksamkeit der Harvard Kennedy School of Government auf sich, die in einer Studie zu dem Ergebnis kam, dass Ushahidi mit seinem partizipativen Journalismus effektiver als die traditionelle Presse war, wenn es darum ging, in brenzligen und unvorhersehbaren Situationen Informationen zu sammeln, vor allem in ländlichen Gebieten.

 

Übersetzt aus dem Englischen von Tina Bettels

Originalversion auf Italienisch: Ushahidi Media Freedom, una mappa per la libertà di stampa

Bildquelle: Screenshot der Seite http://mediafreedom.ushahidi.com/. 

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