Im Bett mit dem Anwalt?

6. Mai 2011 • Qualität & Ethik • von

Seit 1994 ist der 3. Mai der Internationale Tag der Pressefreiheit, und seither stehen alle Jahre wieder vor allem Länder und Regierungen im Mittelpunkt, in denen Journalisten todesmutig sein müssen, um ans Licht zu bringen, wie die Wirklichkeit ist oder man ihr so nahe wie möglich kommt.

Das ist wichtig. Doch Unfreiheit beginnt viel früher. Nicht nur irgendwo weit weg, sondern auch hier, in Deutschland.
Wer sich um die Unabhängigkeit der Medien sorgt, muss sich mit der Abhängigkeit von Journalisten auseinandersetzen.

Angriffe auf die äußere Pressefreiheit werden hierzulande vergleichsweise rasch pariert. Die Presse müsse verpflichtet werden, Informationen zu verschweigen, die Terroristen nützlich sein könnten, verlangte der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Siegfried Kauder (CDU),  im Dezember vergangenen Jahres. Sowohl die eigene Partei als auch der Deutsche Journalistenverband winkten ab: Es gebe keinen Grund für solche Einschränkungen.

Um die innere Pressefreiheit hingegen muss man sich große Sorgen machen.

Das ist teils ein selbst gewähltes Schicksal: Immer öfter arbeiten Journalisten von sich aus mit gekrümmtem Rückgrat, gehen in die Knie, lassen Haltung vermissen und haben sich in das bequeme Denken verliebt. Ökonomischer Druck und Zeitdruck spielen zwar eine Rolle, oft sind dies aber nur Ausreden.

Besonders dreist allerdings wird gegenwärtig die journalistische Berichterstattungsfreiheit oft beschnitten, wenn sich die Anwälte der Protagonisten einer Geschichte ins Spiel bringen, die ihre Mandanten nicht nur vor Gericht vertreten, sondern zudem sich verantwortlich sehen, dass diese in der Öffentlichkeit gut da stehen. Litigation-PR nennt sich dieses „Bettspiel“. Ähnlich wie beim „Embedden“ der PR-Strategen des US-Militärs wollen Anwälte Medien unter ihre Decke ziehen. Wer nicht kapiert, soll durch Briefe, Geld- und Strafandrohungen gefügig werden.

Der oft zitierte Warnruf des Präsidenten des Bundesgerichtshofs, Klaus Tolksdorf, vor diesem „Sturmangriff“ auf die Rechtsfindung blieb wirkungslos. Kritisch gebliebene Journalisten stöhnen. Steffen Essbach, Chef des Medienmagazins „zapp“ (NDR), klagt über Anwälte, die in Nebensachen einhaken, um Geschichten zu verhindern, um zu zermürben oder durch einstweilige Verfügungen einen Mantel des Schweigens zu erzwingen. Wie etwa die Advokaten der Diözese Regensburg. Sie erwirkten, dass nicht mehr über einen bestimmten Missbrauchsfall berichtet werden durfte – und nicht darüber, dass darüber nicht mehr berichtet werden darf.

Oder wie Thilo Sarrazin. Der Banker schickte dem Vernehmen nach seinen Anwalt vor, um zu verhindern, dass Medien weiterverbreiten, was die “Bunte” in einem Interview offenbart hatte: Sarrazins Sohn lebt von Hartz IV. Das Prekäre: Papa zeigt auf die anderen, beschuldigt Eltern von Hartz IV-Empfängern, durch falsche Erziehung beigetragen zu haben, dass die Kinder nicht mehr erreichten. Er verschweigt aber seine eigene Betroffenheit und versucht zudem; die Medien zum Schweigen zu bringen.

Diese Fesseln können am Besten die Medien selbst lösen, indem sie sich die Freiheit nehmen, über solche Angriffe auf ihre Unabhängigkeit zu berichten, und alle von der Bettkante stoßen, die dies vereiteln wollen.

Erstveröffentlichung: Kölner Stadtanzeiger vom 3. Mai 2011 (leicht geänderte Fassung)

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