Journalismus im Auftrag von Firmen

13. Dezember 2016 • Qualität & Ethik • von

Während die Medienanbieter mit Finanzierungsproblemen kämpfen, ist die von Firmen finanzierte Publizistik im Aufschwung. Eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung beurteilt den Trend skeptisch. Stephan Russ-Mohl hat sie sich angeschaut.

content-marketingGemäß einer Befragung von Publicitas räumen Schweizer Medienmanager dem sogenannten Content Marketing (CM) höchste Priorität ein. Welchen langfristigen Schaden sie damit dem Journalismus und der Glaubwürdigkeit der Medien zufügen, wird aus einer Studie ersichtlich, die der deutsche Medienforscher Lutz Frühbrodt (Hochschule Würzburg-Schweinfurt) im Auftrag der Otto-Brenner-Stiftung erstellt hat.

Beim Content Marketing handelt es sich um eine subtile Form der Werbung „in gewollt journalistischer Anmutung“, so Frühbrodt. Vor allem Großfirmen nutzen die neuen Möglichkeiten des Internets, um sich mit eigenen Online-Magazinen, Themenseiten, Blogs, Youtube-Videos und mobilen Apps direkt an ihre Kunden und „Stakeholder“ heranzupirschen – in Kommunikationsräumen, die sie hundertprozentig kontrollieren und in denen kein kritischer Journalist mit lästigen Fragen oder Einwänden dazwischenfunken kann.

Frühbrodt spricht von einer regelrechten „Invasion des Unternehmensjournalismus“, und in der Tat kann er eindrucksvoll dokumentieren, in welchem Umfang sich in Deutschland allein schon die dreißig DAX-Unternehmen in diesem neuen Feld tummeln. Content Marketing sei „ein Zwillingsbruder des Corporate Publishing, aber nur ein zweieiiger“, denn CM setze stärker auf digitale Kanäle und sei außerdem „der kleine, stillere Bruder der großen, lauten Schwester Werbung“. Die CM-Produkte würden „immer öfter in sogenannten Newsrooms erstellt, die den Großraumbüros journalistischer Redaktionen nachempfunden sind“.

Frühbrodt sieht die Unterschiede zwischen Medienhäusern und Unternehmen, die ihr Geld nicht mit Medienprodukten verdienen, schwinden. Die klassischen Medienunternehmen spielten ein gefährliches Spiel. Weil sie „quasi um jeden Preis Werbeeinnahmen erzielen wollen, lassen sie sich auf fragwürdige Werbemethoden und Geschäftsmodelle ein“ – zum Beispiel auf Native Advertising, eine CM-Variante, bei der bezahlte Werbung als Journalismus getarnt direkt im redaktionellen Angebot platziert wird. Die Medienhäuser gäben „durch ihre Diversifizierung ihre eindeutige Identität und ihr scharfes Profil auf“ und sollten sich „nicht wundern, wenn das Vertrauen der Mediennutzer weiter schwindet“.

So nuanciert und zutreffend die Analyse, so pauschal und hilflos bleibt die Schlussfolgerung der Studie: Journalismus sei verstärkt als Kulturgut und nicht als Wirtschaftsgut zu betrachten, und das habe zur Folge, „dass staatliches Handeln und neue Finanzierungsmodelle“ für den Journalismus stärker ins Blickfeld rückten. Wer das fordert, sollte auch sagen, wo das zusätzliche Geld herkommen soll. Zumal in Deutschland wären da wohl die aufgeblähten Budgets des öffentlichen Rundfunks genauer unter die Lupe zu nehmen. Dort wird viel öffentliches Geld verschwendet, das weder dem Journalismus noch wohlverstandenem öffentlichem Interesse zugutekommt – zum Beispiel im Bieterwettbewerb um Sportrechte, aber auch bei Intendanten-Gehältern, die zum Teil höher sind als das Salär der Bundeskanzlerin, und im äußerst intransparenten Geflecht von privaten Partnerfirmen, wo Gebührengelder versickern. Nicht zuletzt gefährdet die Erwartung, dass der Staat es richten soll, ja auch massiv die Unabhängigkeit des Journalismus.

Interessant auch, dass sich an Frühbrodts Versuch, per Fragebogen Zusatzinformationen von den untersuchten Unternehmen zu erhalten, nur sieben der insgesamt dreissig DAX-Konzerne beteiligten. „Die meisten Großunternehmen werden beim Content Marketing schmallippig“, schreibt Frühbrodt und mutmaßt, dass es „sich auch aus ihrer Sicht um ein heikles Thema handelt“. Die geringe Resonanz habe sich aber durch die umfassende Internet-Recherche problemlos kompensieren lassen.

Frühbrodt, Lutz (2016): Content Marketing. Frankfurt, Otto-Brenner-Stiftung.

Bildquelle: The Wild Blogger / Flickr CC: Content marketing; Lizenzbedingungen: https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/

Erstveröffentlichung: NZZ vom 10. Dezember 2016

Zum Thema auf EJO: In den Fängen des Content Marketing

 

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