Politik – mit und ohne Etikett

4. März 2014 • Qualität & Ethik, Ressorts • von

Dass längst nicht immer Politik drin ist, wo Politik draufsteht, ist eine Binse, die sich jedem Mediennutzer täglich offenbart: Der ‚Fall Edathy‘ im Modus der öffentlichen Debatte mag alles Mögliche sein – moralische Empörung, rechtliche Grauzone, Kompetenz- und Postengerangel – am wenigsten jedoch lässt er einen politischen Diskurs erkennen.

Aber das Phänomen lässt sich auch andersherum wenden: Politisches zeigt sich dort, wo ganz Anderes draufsteht: Comedy, Satire, Late-Night-Talk. Hier werden nicht Fakten dargestellt und Hintergründe erklärt, sondern Entscheider bloßgestellt und Argumente sarkastisch gegen den Strich gebürstet.

In den USA schätzen insbesondere junge Zuschauer die Daily Show, die sich selbst als fake news charakterisiert, als relevante Informationsquelle. Eine Dekonstruktion des professionellen Nachrichtenbetriebs wird hier goutiert. Die heute show als deutsches Pendant zeigt sich (noch) deutlich milder. „Veralberung der Macht“ als selbsterklärtes Ziel. Auch bei den Late-Night Talks zeigen sich gewichtige Unterschiede: die US-amerikanischen Formate wie Letterman oder (bis Anfang Februar) Jay Leno sind aus dem politischen Betrieb nicht wegzudenken. Ähnliches ließ und lässt sich kaum von Harald Schmidt oder Stuckrad-Barre sagen.

Gleichwohl stellt sich damit für die Kommunikationswissenschaft die Frage, ob und wie Unterhaltungsangebote den politischen Diskurs beleben können. Eine erste Leistung ist es, ein jüngeres, politikfernes Publikum zu erreichen. Das ‚Vergnügen am Politischen‘ ist eine Art des Medienkonsums, der sich beim Nachrichtenschauen nur selten einstellt, bei Comedy oder Late-Night Talk aber im Vordergrund steht.

In einem Vergleich von tagesschau und Harald Schmidt von Cordula Nitsch und Dennis Lichtenstein an der Uni Düsseldorf zeigt sich, dass im Missachten der Regel nach Ausgewogenheit die spezifische Leistung liegt: Einseitig, polarisiert, verkürzt – das ist die Sicht auf die Welt, die hier vermittelt wird. Ein Schaden für den politischen Diskurs? Keineswegs zwangsläufig – kann es doch auch dazu beitragen, ritualisierte Muster der politischen Konfrontation als das sichtbar zu machen, was sie sind: Show.

Erstveröffentlichung: Tagesspiegel vom 3. März 2014

Der Beitrag ist Teil einer Serie – alle 14 Tage präsentieren drei Medienforscher im Tagesspiegel Ergebnisse und Streitfragen ihres Fachs, die das EJO zweitveröffentlicht.

Teil 1: Lauter, bitte!

Teil 2: Das Publikum vergisst rasch

Bildquelle: STEVENJOHNSELLER / Flickr CC

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