Zeitungen unter Druck

4. Oktober 2017 • Qualität & Ethik • von

Lokalzeitungen in Polen sind besonders abhängig von der finanziellen Unterstützung durch lokale Eliten. Davon wollen sich Journalisten in ihrer Berichterstattung aber nicht beeinflussen lassen.

2016 stand die Redaktion der polnischen lokalen Wochenzeitung Panorama Powiatu vor einer schwierigen Entscheidung: Ein neuer Bürgermeister wurde in der Stadt Brzeg gewählt und sie musste sich entscheiden, ob sie sein Angebot, die Zeitung finanziell zu unterstützen,  annehmen will. Doch die Redakteure befürchteten, dass sie dann nur noch positiv über ihn und seine Politik berichten dürften – hatte er in Gesprächen doch einige unmissverständliche Andeutungen dazu gemacht – und lehnten es ab.

Die Abhängigkeit von lokalen Eliten und deren finanzieller Unterstützung ist typisch für Lokalzeitungen in Polen. „Trotzdem legt unsere Redaktion großen Wert darauf, verschiedene Meinungen darzustellen“, sagt Artur Pionka. Er arbeitet als Redakteur für die Panorama Powiatu, die zur Verlagsgruppe Wydawnictwo Pomorskie gehört. Pionka und seine Kollegen wollen alle Seiten eines Themas beleuchten und politische Entscheidungen nicht nur benennen, sondern, wenn nötig, auch kritisieren.

Eine kritische Berichterstattung über Politiker ist momentan nicht in allen polnischen Medien möglich. Seitdem die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) an der Macht ist, stehen die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender unter starker Kontrolle der Regierung, regierungskritische Manager und Journalisten wurden durch regierungsnahe ersetzt. Laut dem polnischen Journalistenverband Towarzystwo Dziennikarskie haben durch die Medienreformen der Regierungspartei über 200 Journalisten ihren Job verloren.

Zeitungen haben klar definierte Linie

Über Zeitungen übt die polnische Regierung keine Kontrolle aus – zumindest nicht offiziell. Doch jede Zeitung verfolgt eine politische Richtung. Laut der Medienwissenschaftlerin Beata Klimciewicz ist der Zeitungsmarkt in Polen stark vom „politischen Parallelismus“ geprägt. Das bedeutet, dass jede Zeitung eine klar definierte Linie habe, die sich nicht nur auf politische Einstellungen beziehe, sondern auch auf kulturelle und soziale Werte. So sind die Zeitungen Gazeta Polska Codziennie und Rzeczpospolita eher PiS-nah eingestellt. Sie berichten in ihren Artikeln und Kommentaren hauptsächlich positiv über die Regierung. Zeitungen wie die Gazeta Wyborcza sind dagegen eher PiS-kritisch eingestellt.

„Es ist generell typisch, dass Politiker ihre Meinung unter den Bürgern verbreiten wollen“, sagt Pionka, „entweder durch ‚Werbung‘ wie in dem Fall mit dem Bürgermeister, oder in Interviews.“ Trotzdem schrecke die Redaktion nicht vor Kritik an den Werbetreibenden zurück, so der Journalist.
Werbung von privaten Unternehmen kann die Unabhängigkeit auch beeinträchtigen – davon lässt sich die Panorama Powiatu aber nicht beeinflussen. Es habe einen Fall gegeben, in dem ein privates Unternehmen, das Werbung bei ihnen geschaltet hat, vor Gericht musste. Die Zeitung habe über den Fall berichtet und sich dafür entschieden, dass das Unternehmen keine Werbung mehr bei ihnen veröffentlichen darf. „Wir versuchen außerdem, uns nicht nur auf große Unternehmen zu konzentrieren“, sagt Pionka. Er und seine Kollegen wollen möglichst viele verschiedene Werbepartner haben, da alles andere ihre Unabhängigkeit einschränken könnte.

Auch Malwina Gadawa von der Lokalzeitung Gazeta Wroclawska (gehört zur Polska Press-Gruppe/Verlagsgruppe Passau) fühlt keinen Druck vonseiten der Regierung. Gadawa ist bei der Gazeta Wroclawska als Redakteurin für die lokale Politikberichtserstattung zuständig und versucht stets, auch kritisch zu berichten. „Die Politiker wollen natürlich, dass wir in ihrem Sinne schreiben“, sagt sie, „aber ich möchte immer neutral und ehrlich in meinen Artikeln sein.“ Wenn sie über ein politisches Thema schreibe, berichte sie sowohl über die Auffassung der Regierung zu dem Thema als auch über die Meinung der Gegenseite. Leserbriefe sind für die Gazeta Wroclawska ein weiteres Mittel, um internen Pluralismus zu garantieren. „In jeder Ausgabe drucken wir Leserbriefe zu unterschiedlichen Themen ab, die dürfen auch gerne kritisch gegenüber der Regierung oder uns eingestellt sein“, so Gadawa. Dadurch wollen sie verschiedene Einstellungen der Bürger zeigen und eine umfassende Meinungsbildung ermöglichen.

Starke Konzentration auf dem Medienmarkt

Auf den externen Pluralismus bezogen sieht die polnische Medienwissenchaftlerin Beate Klimkiewicz Verbesserungspotential. „Der polnische Medienmarkt ist stark konzentriert, sowohl horizontal als auch in Bezug auf Crossownership“, sagt sie. Das bedeute, dass es nur wenige Angebote beziehungsweise Unternehmen auf einem Markt (Print, Fernsehen, Radio und Online) gebe. Außerdem produzierten manche Unternehmen auf zwei Märkten. So besitze das polnische Medienunternehmen Agora zum Beispiel die Tagezeitung Gazeta Wyborcza und den Radiosender „Rock Radio“.  Die vier Verlage, die den polnischen Printmarkt dominieren, seien Bauer, Axel Springer Ringier, die Verlagsgruppe Passau und Agora. Durch diesen geringen externen Pluralismus gebe es hohe Eintrittsbarrieren für neue Unternehmen: Der Markt werde bereits von den großen Unternehmen dominiert, die in großer Stückzahl und deshalb günstig produzieren können. Deshalb könnte es für neue Unternehmen schwierig werden, sich gegen die etablierten durchzusetzen, vor allem, wenn weder die nötigen Geldmittel noch eine große Reichweite vorhanden sind.

Am besten wäre es laut Klimkiewicz, die Wettbewerbsregeln zu ändern: Zum Beispiel durch geringere Markteintrittsbarrieren, um auch kleinen Verlagen zu ermöglichen, Zeitungen herauszubringen. Außerdem solle es strenge Regeln geben, die die Transparenz der Medien garantieren. Die von der polnischen Regierung geplante „Repolonisierung“ würde auf keinen Fall zum Pluralismus beitragen, betont die Medienwissenschaftlerin. „Jede Form von staatlichem Einfluss ist nicht gut für die Medien, da diese aus Prinzip unabhängig sein sollten“, so Klimkiewicz.

Bildquelle: pixabay.com 

 

Dieser Beitrag ist Teil unseres deutsch-polnischen Themenspezials, das von der Deutsch-Polnischen Wissenschaftssstiftung (DPWS) gefördert wird. Er ist im Rahmen eines Workshops mit deutschen und polnischen Studierenden an der Universität Wroclaw unter Leitung von Tina Bettels-Schwabbauer (Erich-Brost-Institut, TU Dortmund) und Michał Kuś (Universität Wroclaw) entstanden. 

 

Bislang im deutsch-polnischen Themenspezial auf der deutschen Seite erschienen:

Im Fokus: deutsche und polnische Medien

Polnische Medien im Wandel

Der Einfluss der polnischen Regierung auf die Medien

Starke Kritik an Polens Medienreformen

Kampf gegen deutsche Dominanz

Polnische Medien und Flüchtlinge: viele Fake News

Politikthemen waren tabu – Medien im Kommunismus 

Katholische Medien in Polen – nah am Staat? 

Polnische Medienreform forderte ihre Opfer

Vereint im Populismus?

Über die Freiheit der Berichterstattung

 

Hier geht es zum deutsch-polnischen Themenspezial auf der polnischen EJO-Seite:

http://pl.ejo-online.eu/tag/niemcy-polska-temat-specjalny

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