Wie selbstkritisch sind die deutschen Journalisten?

19. April 2013 • Qualität & Ethik • von

Der Fall Wulff hat eine Welle der Selbstreflexion bei deutschen Medien in Gang gesetzt. Sind die Journalisten fair mit dem früheren Bundespräsidenten und seiner Frau umgegangen – oder haben die Medien bei der Berichterstattung über die Vorwürfe gegen Christian und Bettina Wulff das Augenmaß verloren und überzogen?

Nachdem zunächst in der Öffentlichkeit viel über den Werteverfall in der Politik debattiert wurde, wirft die Causa Wulff auch ein Schlaglicht auf die Medien selbst: Wie gut funktioniert das System Medienselbstkontrolle in Deutschland noch – in einer Zeit des Medienumbruchs und massiv gestiegener Medienkonkurrenz? Kehren die Journalisten auch vor der eigenen Haustür, sorgen sie hinreichend effektiv dafür, dass Missstände in den Medien aufgedeckt und Verstöße gegen die Spielregeln im Journalismus nachhaltig geahndet werden?

MediaAcTDeutschland kann im europäischen Vergleich überdurchschnittlich gut ausgeprägte Infrastrukturen der Medienselbstkontrolle aufweisen. Doch das Fazit unserer Studie Media Accountability and Transparency in Europe (MediaAcT), für die 2011/12 insgesamt 1.762 Journalisten in 12 europäischen Ländern sowie zwei arabischen Vergleichsstaaten (Jordanien und Tunesien) repräsentativ befragt wurden, lautet: Deutsche Journalisten nehmen das Thema Medienselbstregulierung auf die leichte Schulter – was die Folge sein kann, zeigt die gegenwärtige Debatte, die die von EU-Kommissarin Neelie Kroes eingesetzte High-Level Group on Media Freedom and Pluralism ausgelöst hat.

Sie empfahl in ihrem Anfang des Jahres veröffentlichten Abschlussbericht auch eine deutliche Verschärfung der Sanktionsgewalt von Presseräten und mehr Engagement der Medienunternehmen für Standards im Journalismus. Womit sie einen Nerv trifft – denn auch deutsche Journalisten, das zeigt unsere Studie ebenfalls deutlich, sind mit dem Engagement ihrer Vorgesetzen für Medienverantwortung und Medienqualität unzufrieden.

Erschreckend wenig Kritikkultur in deutschen Redaktionen

Tag für Tag kritisieren Journalisten – Politiker, Wirtschaftsbosse, Sportfunktionäre, Künstler. Doch wenn es um das eigene Metier geht, gilt nach wie vor das Motto „Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“. Nur ein Viertel der deutschen Journalisten kritisiert häufig oder sehr häufig Beiträge vom Kollegen – weit mehr, nämlich mehr als ein Drittel der deutschen Journalisten, tut das nur selten oder gar nie. Knapp vierzig Prozent der Befragten gaben an, immerhin gelegentlich Kollegenkritik zu üben.

Geradezu dramatisch fallen die Antworten auf die Frage aus, wie häufig Journalisten selbst kritisiert werden: Rund zwei Drittel der deutschen Journalisten werden nach eigenen Angaben selten oder sogar nie von Kollegen oder Vorgesetzten kritisiert – von allen anderen denkbaren Kritikinstanzen mit Ausnahme der Mediennutzer erhalten die deutschen Journalisten noch weniger Feedback.

Fazit: Um die Kritikkultur in Deutschland ist es schlecht bestellt, viele deutsche Journalisten tauschen sich selbst mit Chefs und Kollegen kaum über die Qualität journalistischer Beiträge aus – anders als in Finnland oder den Niederlanden, wo nicht zuletzt flachere Hierarchien mehr Austausch in den Redaktionen ermöglichen. In Finnland ist auch die Bereitschaft der Journalisten besonders hoch, öffentlich Journalismuskritik zu leisten.

Redaktionen tun zu wenig für Qualitätssicherung

Wir haben uns in der Studie genauer angeschaut, wie es in den verschiedenen Ländern um die Rolle der Redaktionen beim Thema Medienverantwortung bestellt ist. Woran hapert es, wenn in deutschen Redaktionen offensichtlich so wenig über journalistische Standards diskutiert wird? These 1: In vielen deutschen Redaktionen wird zu wenig gelobt. Deutschland ist im internationalen Vergleich Schlusslicht bei der Zustimmung der befragten Journalisten zu dem Statement: „Von meinen Vorgesetzten gibt es Lob, wenn man sich auch unter schwierigen Rahmenbedingungen für hohe journalistische Standards einsetzt.“

Schauen wir nochmals genauer hin, so sehen wir, dass die Redaktionen hier ganz unterschiedliche Usancen pflegen, denn die Reaktionen der Journalisten sind extrem gespalten. Während knapp 40 Prozent der Befragten die Aussage, in ihren Redaktionen werden gute Leistungen gelobt, voll bestätigen, sagen fast ebenso viele Journalisten – rund ein Drittel – , dass sei bei ihnen gar nicht der Fall. Auch wenn deutsche Journalisten möglicherweise kritischer als ihre Kollegen in anderen Ländern mit den Rahmenbedingungen in ihrer Redaktion ins Gericht gehen – ganz offensichtlich bleibt doch festzuhalten, dass es in deutschen Redaktionen an Lob als positivem Anreiz mangelt.

Auch die weiteren Aussagen, mit denen wir das Engagement der Redaktionen für Medienverantwortung abfragten, stießen unter deutschen Journalisten auf ein mäßiges Echo – so die Frage, ob das Management auf Publikumsbeschwerden hinreichend reagiere oder Debatten über journalistische Qualität befördere.

Deutsche Journalisten wünschen sich mehr Transparenz

Ebenfalls Schlusslicht im internationalen Vergleich ist Deutschland bei der Frage, ob ihre Redaktion auf der Website ein Bekenntnis zu journalistischen Standards veröffentlicht habe. Ganz offensichtlich wünschen sich deutsche Journalisten aber, dass ihre Redaktionen transparenter werden: Auf sehr hohe Zustimmung stieß die Frage, ob die Medienunternehmen ihre Eigentümerstrukturen und ggf. auch politischen Verbindungen offen legen solle – eine Forderung, die übrigens auch von allen anderen Journalisten in Europa stark unterstützt wird. Ausnahme sind hier die Journalisten in arabischen Ländern; die geringe Zustimmung rührt vermutlich aus dem Umstand, dass hier allgemein bekannt ist, dass sich zahlreiche Medien in Staatshand oder im Besitz regierungsnaher Unternehmer oder aber politischer Bewegungen befinden.

Während die Eigentümerstrukturen transparent gemacht werden sollen, sind die Journalisten allerdings schon zögerlicher, wenn es um das Publikmachen ihrer eigenen professionellen Spielregeln geht: Interessanterweise stößt der Vorschlag, dass Redaktionen – wie z.B. in den USA üblich – ihre journalistischen Ethik-Kodizes auf ihrer Website öffentlich machen, bei deutschen Journalisten nur auf mäßige Zustimmung.

Deutsche Journalisten liegen im internationalen Vergleich auch an erster Stelle, was die Zustimmung zu dem Statement „Die Menschen vertrauen eher solchen Medien, die Korrekturen und Entschuldigungen veröffentlichen“ anbelangt. Sie glauben also fest an das publikumswirksame Potenzial von Medien-Transparenz – das allerdings in deutschen Redaktionen noch viel zu wenig praktiziert wird.

Ganz anders interessanterweise die Situation in Ost- und Südeuropa: Dort lehnen die Journalisten das Statement mehrheitlich ab und befürworten spiegelbildlich das Statement „Je besser die Leute wissen, wie Journalisten arbeiten, desto weniger werden sie ihnen vertrauen.“ Grund hierfür ist vermutlich, dass die Medien und Journalisten in Ländern wie Rumänien, Italien und Spanien eng mit der Regierung bzw. Politik verflochten sind und die Journalisten um ihr Image in der Öffentlichkeit fürchten, wenn sie den Grad der Einflussnahme offenlegten.

Medienverantwortung – ein Lippenbekenntnis?

Wie ihre Kollegen aus anderen europäischen Ländern sind deutsche Journalisten dezidiert der Ansicht, dass Medienverantwortung Voraussetzung für Pressefreiheit ist. Aber das ist am Ende womöglich nur ein Lippenbekenntnis, und Journalisten sehen sich im Umkehrschluss nicht dazu verpflichtet, sich im Gegenzug für die ihnen zugestandenen Privilegien aktiv für Medienverantwortung einzusetzen: Unsere Befragung zeigt, dass Journalisten – das gilt für Deutschland wie für viele andere europäische Länder, bemerkenswerte Ausnahmen im positiven Sinne sind Finnland und die Schweiz – den traditionellen wie auch den neuen, web-basierten Instrumenten der Medienselbstkontrolle nicht mehr als mittleren Einfluss beimessen. Die vergleichsweise besten Werte erzielen hausinterne Leitlinien und Presse-Kodizes.

Wertschätzung des Presserats

Auch der Presserat kann sich vor diesem Hintergrund klar vor anderen Instrumenten der Medienselbstregulierung wie Medienjournalismus, Redaktions- und Medienblogs, Fachzeitschriften und Ombudsleuten behaupten, denen nochmals deutlich weniger Einfluss zugesprochen wird. Mit Finnland, den Niederlanden, der Schweiz und Estland, die über sehr aktive Presseräte verfügen, zählt auch Deutschland zu den Ländern, wo der Presserat eine relevante Rolle als Kritikinstanz spielt.

Allerdings wird seine Rolle auch kontrovers bewertet: Etwa 30 Prozent weisen ihm hohen oder sehr hohen Einfluss zu, ein Viertel der Befragten sehen den Einfluss als gering oder sehr gering, wiederum 30 Prozent machen einen mittleren Einfluss aus. Hier schlägt offenbar durch, dass sich im Journalismus ganz unterschiedliche Kulturen der Medienverantwortung entwickelt haben.

Denn unsere Daten zeigen auch, dass Journalisten, die bei Printmedien oder beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk sowie bei Agenturen arbeiten, den verschiedenen Instrumenten der Medienselbstkontrolle höhere Bedeutung beimessen als ihre Kollegen vom privaten Radio und Fernsehen. Und während die öffentlich-rechtlichen Journalisten sich vielfach sogar für die Entscheidungen des Presserats interessieren, messen ihre Kollegen vom privaten Rundfunk selbst den – genuin für sie zuständigen – Landesmedienanstalten nur geringe Bedeutung bei.

Skeptisch sollte zudem machen, dass das Statement, die Leute sollten doch zu Gericht gehen, wenn sie sich von den Medien ungerecht behandelt fühlten, in Deutschland immer noch auf mittlere Zustimmung trifft – und damit auf deutlich mehr Zustimmung als in Ländern wie Finnland und der Schweiz, in denen die klassischen Instrumente der Medienselbstkontrolle von den Journalisten stark unterstützt werden, das System der eigenverantwortlichen Mediation bei Konflikten also offensichtlich besser funktioniert.

Gefährliche Folgen des Outsourcings

Die Daten unserer Studie zeigen auch, dass freiberufliche Journalisten dem Thema Medienselbstkontrolle und Media Accountability mit auffallendem Desinteresse begegnen – wer beruflich nicht fest in einer Redaktion verankert ist, mag sich mehr Sorgen um die Marktgängigkeit der nächsten Geschichte machen als um das Thema Medienverantwortung. Zudem dürften Freie seltener ins Visier von Ombudsleuten, Medienbloggern und Co. geraten.

Medienunternehmen müssen sich der Gefahr bewusst sein, dass sie auch ihren eigenen Erfolg gefährden, wenn durch fortdauerndes Outsourcen redaktioneller Leistungen ein journalistisches „Prekariat“ entsteht, für das professionelle Standards nur noch von untergeordneter Bedeutung sind – und sich so das bereits bestehende Glaubwürdigkeitsproblem des Journalismus mittelfristig massiv verschärft.

Der Ombudsmann – das unbekannte Wesen

Unsere Daten zeigen weiter, dass das Konzept des Ombudsmanns, das sich international bei vielen Leitmedien bereits seit Jahrzehnten bewährt hat, in Deutschland noch kaum verbreitet ist. Vergleichsweise wenig deutsche Journalisten wünschen sich für ihre Redaktion einen Ombudsmann (oder eine Ombudsfrau); in Ländern wie Frankreich, der Schweiz, UK und Spanien, in denen öffentliche Rundfunkunternehmen dazu verpflichtet sind, einen Ombudsmann zu benennen bzw. in dem viel beachtete Leitmedien wie der Guardian oder El Pais einen Ombudsmann beschäftigen, wird der Institution des Ombudsmann deutlich mehr Gewicht beigemessen.

Hier ist zu hoffen, dass die kürzlich gegründete Vereinigung deutscher Medien-Ombudsleute einen Bewusstseinswandel unter deutschen Medienmachern einleitet und sich über Zeit das international vielfach bewährte Modell des „Publikumsanwalts“ auch in deutschen Medien etabliert.

Umgekehrt befürworten im internationalen Vergleich relativ viele deutsche Journalisten das Modell des Redaktionsblogs – vermutlich weil führende Medien wie die ARD Tagesthemen, die ZEIT und die taz in der Szene viel beachtete Redaktionsblogs aufgesetzt haben. Im internationalen Vergleich liegt auch die Wertschätzung von medienkritischen Journalistenblogs in Deutschland über dem Durchschnitt – wohl weil Bildblog die Online-Medienkritik sehr populär gemacht hat.

Angst vor Medienkontrolle

Deutsche Journalisten bewerten den Einfluss der bestehenden Instrumente der Medienselbstkontrolle also eher zögerlich, teils sogar dezidiert negativ. Was also lässt sich tun für eine effektivere Medienselbstkontrolle? Soll sich der Staat – im Sinne einer regulierten Selbstregulierung – stärker einmischen? Deutsche Journalisten sind diesbezüglich besonders skeptisch – sie haben im internationalen Vergleich die größte Sorgen, dass Medienregulierung für politische Zwecke missbraucht werden können.

Während sich in Spanien in der Tat die Politik deutlich stärker in die Medienkontrolle einmischt, dürften in Deutschland die Erfahrungen aus der DDR-Zeit, aber auch aus dem NS-Regime die deutschen Journalisten in diesem auffallenden Maße sensibilisieren. Finnische oder niederländische Journalisten sahen hingegen einem möglichen politischen Missbrauch von staatlich geförderter Medienselbstregulierung mit deutlich weniger Sorgen entgegen.

Das Statement, effektive Medienselbstkontrolle brauche schärfere Sanktionen, stieß in Deutschland auf ein geteiltes Echo: Mehr als ein Drittel der deutschen Befragten lehnte dies entschieden ab, ebenso viele deutsche Journalisten stimmten allerdings vehement zu; ein weiteres Drittel war unentschieden. Auf besonders positives Echo fiel das Statement in Großbritannien – dort hatte die Leveson Inquiry die Schwächen der bisherigen Praxis der Medienselbstkontrolle deutlich zutage gefördert.

Anreize setzen – auch in den Medienhäusern

Während sich die High-Level Group der EU für schärfere Sanktionen für Presseräte ausspricht, würde es aus unserer Sicht – mit Blick auf die offensichtlichen Vorbehalte vieler Journalisten – nicht minder Sinn machen, gezielt über Anreize für Medienselbstkontrolle nachzudenken. Das kann zum einen auf staatlicher Ebene passieren. Interessante Vorbilder finden sich bereits in Europa: So haben irische Redaktionen rechtliche, dänische Medien steuerliche Vorteile, wenn sie sich aktiv in der Medienselbstkontrolle engagieren – ein richtungsweisendes Modell in einer Zeit, in der Journalisten von Finnland bis Rumänien unisono den ökonomischen Druck als größte Gefahr für Qualität im Journalismus sehen.

Unsere Daten weisen zum anderen aber auch darauf hin, wie stark die Medienhäuser – und längst nicht mehr nur die Standesorganisationen – in der Pflicht sind, wenn es um die Wahrung journalistischer Spielregeln geht. Gerade sie können fühlbare Anreize für verantwortliches Handeln im Journalismus geben – und wirkungsvolle Sanktionen verhängen.

Denn Journalisten kalkulieren sehr genau, welche Instrumente der Medien(selbst)regulierung ihnen persönlich am gefährlichsten werden können: Die höchste Sanktionsgewalt gestehen deutsche Journalisten Medien- und Pressegesetzen zu (deren Einfluss ergänzend zu den Instrumenten der Medienselbstkontrolle abgefragt wurde), gefolgt von der hauseigenen Rechtsabteilung sowie hausinternen Ethik-Kodizes. Die Journalisten sind also sehr sensibel gegenüber der Frage, wo die Verletzung von Spielregeln unmittelbare Auswirkungen auf das Standing in der Redaktion haben kann.

Und noch zwei wichtige Argumente für Initiativen auf Organisationsebene liefert unsere Studie: In Redaktionen, in denen gute Leistungen gelobt und schwarze Schafe gerügt werden, nehmen Journalisten das Thema Medienselbstkontrolle insgesamt ernster. Und besonders in den süd- und osteuropäischen Ländern, in denen die Standesorganisationen nicht über die nötige Schlagkraft verfügen, sind die Medienhäuser gefragt; die Journalisten aus diesen Ländern bewerteten in unserer Studie den Einfluss hausinterner Kodizes besonders hoch.

Partizipative Medienkritik – Wunschtraum oder Wirklichkeit im digitalen Zeitalter?

Wenn Journalisten die Rolle des Staates bei der Medienselbstregulierung mit Skepsis sehen und in den Redaktionen vielfach noch zu wenig in Sachen Media Accountability getan wird – wie steht es dann um das Potenzial partizipativer Formen der Medienselbstkontrolle? Dank Web 2.0 können sich Nutzer heute viel einfacher als früher einmischen – wenn sie wollen. Und wenn die Journalisten ihre Medienkritik ernst nehmen.

Dazu lässt sich zunächst festhalten: In allen Ländern registrieren Journalisten in der Tat mehr Medienkritik von Seiten des Publikums. Und bei der Wertschätzung von Publikumskritik via Facebook und Twitter liegen deutsche Journalisten im internationalen Vergleich im vorderen Bereich.

Zugleich sehen sich deutsche Journalisten aber auch noch stärker als ihre Kollegen in anderen Ländern in der klassischen Rolle des Gatekeepers: Im internationalen Vergleich fand das Statement, Redaktionen sollten Mediennutzern die Möglichkeit geben, online an der Produktion von Geschichten mitzuwirken, nur schwache Resonanz; zusammen mit der Schweiz legen deutsche Journalisten die größte Skepsis hinsichtlich dieses Statements an den Tag.

Noch viel bedenklicher ist aus unserer Sicht, dass Journalisten auf die Frage, wem gegenüber sie sich verantwortlich fühlen, häufiger ihre Quellen als ihr Publikum nennen. Hier finden wir ähnliche Antwortmuster in fast allen Befragungsländern vor, wobei in anderen westeuropäischen Ländern die Bedeutung der Quellen noch eklatanter die Bedeutung des Publikums überragt.

Wie lange können sich Journalisten in einer Zeit des massiven Medienumbruchs noch leisten, ihre – aus normativer ebenso wie aus ökonomischer Sicht – relevanteste Bezugsgruppe vergleichsweise geringzuschätzen? An vorderster Stelle nennen Journalisten auf diese Frage übrigens in allen Ländern ihr eigenes Gewissen, wobei deutsche Journalisten – anders als ihre Kollegen in vielen süd- und auch westeuropäischen Ländern – professionellen Standards die nahezu gleiche Bedeutung bei messen, also kollektive professionelle Werte ähnlich hoch schätzen wie die individuelle Gesinnung.

Der Faktor Ausbildung

Dies liegt fraglos auch an der Qualität der Journalistenausbildung hierzulande, mit der deutsche Journalisten im Vergleich sehr zufrieden sind; hier machen ihre Kollegen in den arabischen Ländern, in Osteuropa, aber auch in Italien, Spanien und Österreich – allesamt Länder, die nicht annähernd über ein so ausdifferenziertes System der Journalistenausbildung verfügen – Qualitätsmängel geltend.

Dass unsere Daten auch Hinweise darauf geben, dass zum einen die Mitgliedschaft in Berufsverbänden und zum anderen die Qualität der journalistischen Ausbildung die Sensibilität für Medienselbstkontrolle positiv beeinflusst, sollte ein weiteres Argument dafür sein, das differenzierte System der Journalistenausbildung in Deutschland weiter zu fördern, statt, wie zuletzt in Leipzig, Studiengänge einzustellen.

Erstveröffentlichung: epd medien vom 19. April 2013

Bildquelle: MediaAcT

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