Abschied mit Spektakel

15. Februar 2010 • Medienökonomie • von

Erstveröffentlichung: Weltwoche 06/10

Die NZZ hatte die Basler Zeitung schon gekauft – dann machte der NZZ-Chef einen stupiden Fehler.

Eigentlich möchten wir Matthias Hagemann mit einer Eloge auf sein Verlegerleben verabschieden. Der Mann ist sympathisch und spontan.

Wir verzichten dennoch auf die Eloge. Matthias Hagemann, der Besitzer der Basler Zeitung, hat eine der letzten grossen Verlegerfamilien aus der Geschichte getilgt. Da fehlt uns das ultimative Hurra.
Sein Abgesang aber, das müssen wir Hagemann lassen, war spektakulär. In letzter Sekunde liess er einen fixfertigen Deal mit der NZZ hopsgehen. Denn die NZZ hatte einen stupiden Fehler gemacht.

Bevor wir zum Fehler der NZZ kommen, zuerst etwas Historie. Ende 1995 wurde der damals 33-jährige Turnschuhträger Hagemann neuer Verwaltungsratspräsident der Basler Zeitung. In einem Interview mit dem TV-Magazin «10 vor 10» formulierte er seine Perspektive. «Ich habe nicht das Gefühl», sagte er, «dass ich irgendwelche Erwartungen zu erfüllen habe.»
Das gelang in der Folge ganz gut.

Hagemanns erste Amtshandlung war 1995 die mehrheitliche Übernahme des Zürcher Verlagshauses Jean Frey. Es war eine Amtshandlung, die in der Medienbranche später zu etlichen Erdbeben führte. Sie leitete auch das Ende des eigenen Stammhauses ein, weil die Passiven von damals bis heute drückten.
Neben der Basler Zeitung besass Hagemann 1995 damit Weltwoche, Bilanz, TV-Star, Sport und Beobachter. Mit einem Umsatz von 530 Millionen Franken führte er den drittgrössten Medienkonzern der Schweiz.
Die Jean Frey AG war ein Fass ohne Boden. Hagemann einigte sich darum 2002 mit Ringier über einen Verkauf. Alles war paletti. Doch dann machte Ringier-CEO Martin Werfeli einen stupiden Fehler. Er begann, am Deal zu schrauben. Werfeli verlangte hier eine zusätzliche Zusicherung, wollte dort eine zusätzliche Absicherung, drang hier auf eine zusätzliche Gewährleistung, und immer wieder von vorn.

Hagemann reagierte spontan. In letzter Sekunde liess er den Deal mit Ringier platzen und verkaufte Jean Frey für 80 Millionen Franken an die Swissfirst-Bank. Swissfirst gab das Paket später an Tito Tettamanti weiter. Der verkaufte dann Bilanz, Beobachter und TV-Star an Axel Springer Schweiz, die Weltwoche an Roger Köppel.
Die Umstände des gescheiterten Ringier-Handels waren in der Branche bekannt. Man wusste, wie Hagemann tickte. Doch Polo Stäheli, der CEO der NZZ, ignorierte die Lehren der Vergangenheit – und die Geschichte wiederholte sich eins zu eins.

Noch am Donnerstag letzter Woche waren sich Hagemann und NZZ einig: Die NZZ übernahm die Basler Zeitung mit ihren 260 Millionen an Umsatz. Alles war paletti. Doch dann machte NZZ-CEO Stäheli einen stupiden Fehler. Er begann, am Deal zu schrauben. Er schickte seinen Anwalt Christoph Schmid von der Zürcher Kanzlei Wenger & Vieli los. Schmid verlangte hier eine zusätzliche Zusicherung, wollte dort eine zusätzliche Absicherung, drang hier auf eine zusätzliche Gewährleistung, und immer wieder von vorn.

Am Donnerstagabend war Hagemann schon tief irritiert. Am Freitagmorgen rückte NZZ-Anwalt Schmid nochmals mit einer verschärften roten Liste an.
Hagemann reagierte spontan. In letzter Sekunde liess er den Deal mit der NZZ platzen und verkaufte für 170 Millionen an Tito Tettamanti und dessen Minderheitspartner Martin Wagner. Eine einzige Verhandlungsrunde genügte, und am letzten Freitag um 18.00 Uhr wurde der Verkauf der Basler Zeitung unterschrieben.

Eine Geschichte nimmt ihr Ende. Es gibt eine grosse Verlegerfamilie weniger in der Schweiz. Aber sie ging mit einer guten Story.

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