Die vier Musketiere

5. Juli 2011 • Medienökonomie • von

Es geht nicht um die EU, sondern um die Medien. Doch die Kleinen zeigen, was Selbständigkeit ist.

Heute erzählen wir eine schöne Erfolgs­story der neuen Mediengeschichte. Wir beginnen die Erfolgsstory mit den Ordensschwestern vom heiligen Paulus in Freiburg. Vor 138 Jahren gründete der Freiburger Priester Joseph Schorderet die Gemeinschaft der Paulus-Schwestern. Er gab ihnen die Aufgabe, die Botschaft Jesu via Medien zu ver­breiten.

In Freiburg halten die frommen Frauen 20 Prozent an den Freiburger Nachrichten. Sie sind damit der weitaus größte Aktionär unter den 300 Gesellschaftern des Blatts und die bestimmende Kraft. Die Schwestern haben gottes­fürchtig und unentwegt dafür gekämpft, dass die Freiburger Nachrichten bis heute selbständig blieben.

Neben den Freiburger Nachrichten gibt es in der Deutschschweiz nur noch drei weitere Regionalzeitungen, die ihre volle Autonomie bewahrten. Das sind das Bieler Tagblatt, die Schaffhauser Nachrichten und der Walliser Bote. Alle vier wollen wir darum für ihren unbeugsamen Überlebenswillen loben. Dadurch haben sie auch die Medienkrise und die Konsolidierungsphase der letzten zehn Jahre überlebt.

Ungebrochener Überlebenswille

Überlebenswille ist in den Zeitungsverlagen eine seltene Tugend geworden. Alle anderen Regionalblätter haben an große Medienhäuser und an Finanzinvestoren verkauft oder ­ihnen namhafte Beteiligungen überlassen. Auch bei ehemals so stolzen Häusern wie der Thurgauer Zeitung, der Berner Zeitung, der Solothurner Zeitung, der Basler Zeitung, der Basellandschaftlichen Zeitung und der Zürichsee-Zeitung haben die jahrzehntelangen Besitzer die Segel gestrichen.

Unsere vier Musketiere haben überlebt, weil sie immer überleben wollten. Sie haben überlebt trotz aller Belagerungen, Nachstellungen und Verführungen durch die großen Medienkonzerne. Und noch besser ist die Kunde, dass sie auch in Zukunft selbständig sein wollen.

In Biel hält Verleger Marc Gassmann 100 Prozent seines Verlags. Gassmann hat zwei Töchter, und schon darum, sagt er, “wird die Familie immer die Mehrheit behalten”. Allenfalls eine Minderheit der Aktien könnte an regionale Investoren abgetreten werden. Das Bieler Tagblatt läuft gut, nur in der Druckerei macht der schwache Euro derzeit Probleme.

Bei den Schaffhauser Nachrichten ist die ­Lage ebenso stabil. Kein anderer Titel wurde von der Großkonkurrenz Tamedia und NZZ dermaßen und vergeblich umworben. “Auch in Zukunft muss sich niemand Illusionen ­machen”, sagt Verleger Norbert Neininger. Die Nachrichten gehören einer Stiftung, die 50 Prozent des Unternehmens hält. Die anderen sechs Aktionäre sind, neben Neininger, fünf Erben der früheren Geschäftsführer Max ­Rapold und Carl Oechslin.

Ähnlich präsentiert sich die Situation beim Walliser Boten. Die Familie wankt nicht. ­Ferdinand Mengis, der 84-jährige Patriarch, hält weiterhin 45 Prozent des Walliser Boten. Sein halb so alter Sohn Nicolas ist VR-Präsident und hat die restlichen 55 Prozent übernommen. Einziges Problem ist die defizitäre Druckerei, für die man den früheren NZZ-­Manager Beat Lauber nun als Sanierer geholt hat.

Damit wären wir zurück bei den Ordensschwestern in Freiburg. Ihre Kongregation wirkt heute in rund fünfzig Ländern. In Freiburg aber haben sie ein kleines Problem. Es ist ein biologisches Problem. Das Durchschnittsalter der Freiburger Klosterfrauen liegt bei 77 Jahren. Es ist also Zeit, langsam an eine Nachfolgelösung zu denken.

Die Schwestern haben darum entschieden, dass ihr Aktienanteil allmählich an verläss­liche Freiburger Persönlichkeiten übergeführt wird. Denn die Freiburger Nachrichten, so ihr letzter Wille, sollen selbständig bleiben. Alles andere – da sei Gott vor.

Erstveröffentlichung: Weltwoche vom 29. Juni 2011

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