For a Few Dollars More

9. März 2010 • Medienökonomie • von

Erstveröffentlichung: Weltwoche 07/10

Da waren’s nur noch zwei. Die Verlegerdynastien verschwinden schneller als die Gletscher.

Wenn die Schulden beglichen und die Minderheitsaktionäre ausbezahlt sind, dann verbleiben Matthias Hagemann noch rund 30 Millionen Franken. 30 Millionen Franken sollten reichen für den Lebensabend des vormaligen Besitzers der Basler Zeitung Medien. Denn Hagemann, 48-jährig, ist beileibe kein Jetsetter, sondern ein genügsamer Mann.

Dennoch ist es eine bittere Geschichte. Nach 81-jähriger Präsenz in den Medien verliert eine unserer großen Zeitungsdynastien ihr Unternehmen. Es bleiben ihr gerade mal 30 Millionen auf der Hand. Das ist im Vergleich nicht einmal ein Spatz in der Hand. Fast alle anderen großen Verlegerfamilien gingen zuletzt zwar ebenfalls in den Tod. Aber sie machten immerhin noch Kasse. Als Charles von Graffenried 2007 seine Berner Zeitung verkaufte, holte er für die Aktionäre über 300 Millionen Franken. Über 220 Millionen bekam Pierre Lamunière, als er sich 2008 von seinem Schweizer Zeitungsgeschäft trennte.

Im Dynastiensterben der letzten Jahre ging auch eine Vielzahl von mittelgroßen Verlegern hinüber. Ende 2007 verkauften nach 153 Jahren die Lüdins aus Liestal ihre Basellandschaftliche Zeitung. Die Hubers aus Frauenfeld gaben 2005 nach 152 Jahren ihre Thurgauer Zeitung ab. Die Maurers aus Interlaken hatten 2001 nach 103 Jahren ihren Berner Oberländer veräußert.

Rein-raus-Mentalität

Unter den größeren Verlagen gibt es in der Schweiz nur noch zwei, die von einem einzigen Stamm kontrolliert werden. Michael Ringier (Blick) setzt in Zürich eine 177-jährige Familientradition fort. Peter Wanner (Mittellandzeitung) blickt in Baden auf 143 Jahre zurück.

Eine neue Mediendynastie hingegen ist seit Jahrzehnten nicht mehr aufgetaucht. Aber zumindest eine ist in Sicht. Seit über 20 Jahren kontrolliert Hanspeter Lebrument die Südostschweiz-Mediengruppe. Seine drei Kinder Susanne, Silvio und Peter arbeiten im Unternehmen in Führungspositionen mit. Vielleicht wird hier heraldisch etwas daraus.

Lebrument ist darum die Ausnahme des Trends, weil er zur falschen Zeit geboren ist. Er ist ein Verleger alter Schule. Er will Einfluss. Er sieht sich als gestaltenden Teil der Gesellschaft. Er sucht politische Präsenz. In Bünden läuft vieles über ihn. Er agiert genau so, wie Verleger bis vor fünfzig Jahren agierten.

Vor allem regionale Zeitungsverleger sahen sich in der Pressegeschichte stets als Ordnungsfaktoren ihres Territoriums. Sie wollten politische Macht und gesellschaftlichen Einfluss, und sie gaben diese Philosophie an die nächsten Generationen weiter. Die Firma und ihre Blätter wurden so lange wie möglich in der Familie gehalten. Es entstanden Dynastien.

Das Modell ist nahezu ausgestorben. Die Aufsteiger in der Branche sind keine Verlegertypen mehr, sondern Medienindustrielle. Newcomer sind Männer wie Zeitschriftenverleger Jürg Marquard, Internetpionier Thomas Sterchi, Film- und TV-Betreiber Bernhard Burgener, Radiomann Roger Schawinski und Anwalt Martin Wagner. Keiner von ihnen hat je signalisiert, dass ihm dynastisches Denken oder politischer Einfluss etwas bedeuten könnte. Wer einen profitablen Deal bekommen konnte, verkaufte sein Unternehmen teilweise oder ganz.

Traditionsfamilien fehlt natürlich diese flexible Rein-raus-Mentalität. Sie verpassen darum mitunter den richtigen Zeitpunkt zum Exit. Hätten die Hagemanns vor drei, vier Jahren verkauft, sie hätten 150 Prozent des jetzigen Preises bekommen.

Matthias Hagemann wären dann, nach Schulden und Minderheitsaktionären, rund 100 Millionen Franken verblieben. Das ist auch für eine Dynastie ein bisschen mehr als 30 Millionen.

Bildquelle: _Teb / Flickr CC

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