„Sagen, was ist“

5. November 2013 • Medienökonomie, Qualität & Ethik • von

Als Ebay-Gründer Pierre Omidyar kürzlich bekannt gab, dass er gemeinsam mit dem ehemaligen Guardian-Journalisten Glenn Greenwald eine neue investigative Medienplattform plane, zeigten sich Medienexperten weltweit überrascht. Schließlich hatten viele den investigativen Journalismus, der auch Profit bringt, schon abgeschrieben.

In den vergangenen Jahren haben vor allem journalistische Nonprofit-Organisationen wie ProPublica den investigativen Journalismus vorangetrieben. Omidyar und Greenwald haben aber das Ziel, mit ihrem investigativen Journalismus Geld zu verdienen und diese Erlöse wiederum in den Journalismus zu investieren.

Auch das US-amerikanische Medienunternehmen Buzzfeed sorgte mit seiner Nachricht, dass es sein Reporterteam um eine „investigative Einheit“ erweitern wolle, für Erstaunen. Die Website hatte sich mit Sammlungen von Katzenfotos und Listen aller Art wie etwa „23 Gründe, warum Essen gehen echt stressig ist“ einen Namen gemacht  und kommunizierte ihren Lesern, man biete Inhalte „für Gelangweilte bei der Arbeit“ an.

Im Laufe der Zeit waren aber immer mehr seriöse Nachrichten dazugekommen und Mitte Oktober hatte Buzzfeed exklusiv darüber berichtet, dass Greenwald den Guardian verlasse, um für ein neues Medienunternehmen zu arbeiten. Mark Schoofs, der bislang bei ProPublica gearbeitet hat, wird nach Angaben des Unternehmens das neue sechsköpfige investigative Reporterteam bei Buzzfeed leiten.

Dass es weltweit immer mehr investigative Journalisten gibt, zeigte sich im Oktober auf der Global Investigative Journalism Conference in Rio de Janeiro. Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung waren 1300 Journalisten gekommen, darunter etwa 400 Nachwuchsjournalisten, um über ihre Recherchen und handwerkliches Vorgehen zu sprechen, um Kontakte und Quellen zu tauschen, und um etwas über Datenjournalismus, über Suchstrategien im Netz und halbwegs sichere Wege der Kommunikation zu lernen.

Eines der Gründungsmitglieder der Konferenz war das deutsche Netzwerk Recherche, das nach eigenen Angaben „für den in Deutschland vernachlässigten recherchierenden Journalismus eintritt“ und die Interessen jener Journalisten vertritt, „die oft gegen Widerstände in Verlagen und Sendern intensive Recherche durchsetzen wollen“.

Das Netzwerk hat in den vergangenen Jahren einige Stipendien vergeben, durch die Journalisten bei ihren investigativen Recherchen unterstützt wurden. Auch der Europäische Fund für Investigativen Journalismus (European Fund for Investigative Journalism EFIJ) hat kürzlich erneut Recherchestipendien ausgeschrieben. Insgesamt stehen 25.000 Euro für journalistische Projekte bereit, die sich grenzüberschreitenden investigativen Recherchen widmen.

Aktuell können sich investigativ arbeitende Journalisten um ein Recherche-Stipendium bei der Rudolf Augstein Stiftung bewerben. Sie lobt im Gedenken an ihren Gründer und Namensgeber, der am heutigen 5. November 90 Jahre alt geworden wäre, insgesamt 100.000 Euro für Journalisten aus, „die sagen, was ist“. Die Stiftung will mit der Initiative die Möglichkeit schaffen, „ein relevantes Thema kritisch, unabhängig und gründlich zu beleuchten“.

„Das Credo meines Vaters, nach dem es sich ein Journalist nicht bequem machen darf – und erst recht nicht denjenigen, über die er schreibt, ist aufgrund der Arbeitsbedingungen, die heute oftmals von Zeit- und Kostendruck dominiert werden, leider nicht mehr selbstverständlich“, so Franziska Augstein, Mitglied des Vorstands der Stiftung. Journalistinnen und Journalisten, die sich den Idealen Rudolf Augsteins verbunden fühlen, können sich bis zum 5. Januar bewerben. Vielversprechende Vorhaben können jeweils mit bis zu 15.000 Euro gefördert werden.

Aber auch in einigen deutschen Redaktionen scheint angekommen zu sein, dass trotz Medienkrise nicht am investigativen Journalismus gespart werden sollte. Es hatten schon in der Vergangenheit Weltkonferenzen zum investigativen Journalismus stattgefunden, aber in Rio sei erstmals eine größere Zahl von deutschen Journalisten vor Ort gewesen, die Stern, Spiegel, den Springer-Verlag, die Funke-Gruppe und die ARD vertraten, so Thomas Schuler in der Süddeutschen Zeitung.

„Die Bedingungen, unter denen kritischer Journalismus entsteht, haben sich geändert. Aber seine wichtigste Aufgabe bleibt gleich: Kontrolle von Macht. Daran hat sich seit den Tagen Rudolf Augsteins nichts verändert und daran haben in der jüngeren Vergangenheit die Enthüllungen von Wikileaks und der NSA-Skandal erinnert“, sagt Jakob Augstein, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Rudolf Augstein Stiftung und verantwortlich für den journalistischen Förderbereich.

Ob der Plan von Omidyar und Greenwald, in Zeiten der Medienkrise mit investigativem Journalismus Geld zu verdienen, aufgeht, wird sich zeigen. Klar ist, dass investigativer Journalismus ein wichtiger Eckpfeiler der Demokratie ist und bleibt. Alarmierend ist in diesem Zusammenhang ein Umfrageergebnis des Markt- und Meinungsforschungsinstituts YouGov aus Großbritannien über die Zukunft des investigativen Journalismus: In der Gruppe der 18-24-Jährigen gab ein Viertel der Befragten an, es wisse nicht, was investigativer Journalismus sei.

Bildquelle: Thorben Wengert / pixelio.de

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