US-Medien müssen mit weniger mehr erreichen

27. März 2013 • Medienökonomie • von

Für eine Bevölkerung, die aufgeklärt leben möchte, kommt diese Prognose einem Desaster gleich: Weil die Ressourcen für journalistische Berichterstattung kontinuierlich abnehmen, haben künftig die Botschaften von Politikern, Regierungsbehörden und Unternehmen eine größere Chance, ungefiltert an die Öffentlichkeit zu gelangen.

Das ist einer der zentralen Befunde des kürzlich erschienenen diesjährigen Berichts über den Zustand der US-Medienindustrie –  The State of the News Media 2013 – vom Project for Excellence in Journalism (PEJ) des Pew-Forschungszentrums in Washington.

Viele der vermehrt unterbesetzten Nachrichtenredaktionen in den USA haben schon längst ihre Kompetenz verloren, Informationen kritisch zu hinterfragen und gegen zu recherchieren. Dem Bericht zufolge war dieses unkritische Verhalten der Medien etwa während des US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfes 2012 zu beobachten. Während die Partei-Kandidaten und Lobbygruppen über digitale Kanäle direkt mit den potenziellen Wählern kommunizierten, agierten die traditionellen Medien eher als Verlautbarungsorgane denn als kritische Beobachter.

Das amerikanische Publikum hat in der Zwischenzeit durchaus bemerkt, dass viele journalistische Beiträge immer weniger Substanz haben, was den schwindenden Kapazitäten in den Medienhäusern geschuldet ist, heißt es im Bericht. Weil ihnen die Berichterstattung zu bestimmten Themen ganz fehlte oder sie die Beiträge zu inhaltslos fanden, haben einer Umfrage des PEJ zufolge  knapp ein Drittel der Befragten ein Medienangebot abbestellt oder nicht mehr genutzt.

Die PEJ-Analyse hat acht Segmente der Medienindustrie untersucht: Digitale Projekte, Zeitungen, die drei großen privaten Fernsehsender NBC, ABC und CBS (das sogennante „Network“), Kabelfernsehsender, lokale Fernsehsender, Magazine, Radioformate und spezielle Medienangebote für das afro-amerikanische Publikum.

Die Mediensegmente wurden dann auf sieben Aspekte hin untersucht: Inhalte, Publikum, wirtschaftliche Gegebenheiten, Besitzverhältnisse, Investitionen in das Nachrichtengeschäft, alternative Nachrichtenangebote und digitale Trends.

Laut PEJ-Team findet sich der Trend zu mehr Kommentaren und Interviews und zu weniger investigativer und kritischer Berichterstattung in allen acht untersuchten Segmenten der Medien-Industrie. So haben etwa Kabelfernsehangebote auf geradezu aggressive Art und Weise Inhalte zugunsten von polarisierenden Elementen zusammengestrichen – und das ungeachtet kleiner Gewinne bei der Zuschauerquote und bei den Einnahmen, heißt es in der Analyse. Kommentare und Meinung sind im US-amerikanischen Kabelfernsehen mit 63 Prozent Programmanteil viel präsenter als Nachrichteninhalte mit 37 Prozent, konstatieren die Autoren.

Magazine haben ebenfalls Inhalte gestrichen – und parallel eine Vielzahl ihrer Angestellten entlassen. Die Zahl der Beschäftigten in diesem Segment fiel 2012 um vier Prozent, mehr als zwei Mal so stark wie 2011. Das Wochenmagazin Newsweek, das im Dezember 2012 zum letzten Mal in gedruckter Form erschien, darbt weiterhin mit einer digitalen Ausgabe, die ein kleines Team zusammenstellt, vor sich hin. Das Time Magazine strich im Jahr 2012 ebenfalls 500 Jobs; die Mutterkorporation Time Inc. ordnete das im Zuge einer Sparkampagne an, mit der sie jährlich 100 Millionen US-Dollar einsparen will.

Im Gegensatz zu den Ergebnissen des  Berichts vom letzten Jahr verzeichneten in diesem Jahr auch lokale Nachrichtenangebote Rückgänge bei der Zuschauer- und Nutzerzahl sowie ihren Einnahmen, da sie ihre Schwerpunkte auf Themen wie Verkehr, Wetter und Sport verlagert und bei investigativen Recherchen und tagesaktueller Berichterstattung stark gekürzt haben.

Bei all den düsteren Befunden des PEJ Reports gibt es aber auch einen Lichtblick, der optimistisch stimmt: Es gibt immer mehr Nachrichtenkonsumenten, da sich digitale Dienste und mobile Endgeräte unermüdlich ausbreiten. Dem Bericht zufolge wurden nicht nur Nachrichtenseiten häufiger als im Vorjahr abgerufen, auch griffen Zuschauer und Leser häufiger über mobile Empfangsgeräte wie Tablet Computer und Smartphones auf Nachrichtenangebote zu. Die Daten lassen die These zu, dass Nachrichten zu den Angeboten gehören, die Besitzer von mobilen Endgeräten am häufigsten nutzen.

Während die Quoten von NBC, ABC, CBS und der lokalen Fernsehsender stark fielen, verzeichneten Zeitungen, Magazine, Radioformate, Kabelfernsehen und digitale Angebote vernachlässigbare Verluste oder sogar kleine Gewinne. Das digitale Anzeigengeschäft wuchs um 17 Prozent, womit sein Anteil am gesamten US-amerikanischen Werbemarkt auf 23 Prozent stieg. Das sind drei Prozent mehr als 2011.

Der PEJ-Report mahnt die Zeitungsbranche, sie müsse neue und innovative Wege finden, um im digitalen Bereich konkurrenzfähig zu bleiben. Google und Facebook streichen nach wie vor die größten Werbeeinnahmen in dem Bereich ein. Ein möglicher Weg wäre Werbung, die auf mobile Empfangsgeräte zugeschneidert ist, denn das Geschäft mit Werbung für diese Geräte erfuhr 2012 eine beeindruckende Wachstumsrate von 80 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Den Marktwert beziffert der Report auf 2,6 Milliarden US-Dollar.  Bisher gehen 72 Prozent dieser Erlöse an die sechs größten Technologiefirmen der USA.

Der Bericht empfiehlt den Zeitungen, sich eine kleine Nische im digitalen Werbemarkt herauszugreifen, in der sie mit den großen Technologieunternehmen in Wettbewerb treten können. Beispiele für solche Marktnischen könnten Sponsorenwerbung und sogenanntes „native advertising“  sein. Dabei  handelt es sich um Werbeanzeigen, die nicht nur auf Außendarstellung des werbenden Unternehmens abzielen, sondern ähnlich einem journalistischen Artikel auch darüber hinaus interessante Informationen zum jeweiligen Thema bieten.

Bislang übersteigen bei den Zeitungsverlagen weiterhin die Verluste im Werbegeschäft der Printausgaben die zusätzlichen Einnahmen im digitalen Bereich. Den Zahlen des PEJ-Berichts zufolge kommt auf 16 US-Dollar Verlust im Printbereich nur ein US-Dollar Gewinn online; 2011 standen noch zehn US-Dollar Verlust einem US-Dollar Gewinn gegenüber. Durch die starken Personalkürzungen, die sich auch auf die Qualität der Medien auswirken, werden die Leserzahlen in den kommenden Jahren noch weiter sinken, prognostiziert der Bericht. Der Druck auf die Printbranche, Werbeeinnahmen zu erzielen, werde sich dadurch noch weiter erhöhen. Die Gefahr, dass immer mehr nicht objektive Stimmen dabei einen Weg in die Medien finden, sei offensichtlich.

Amy Mitchell, geschäftsführende Direktorin des Project for Excellence in Journalism, drückt es so aus: „Es gibt mehr Anzeichen als jemals zuvor, dass die schwindenden Ressourcen in der Nachrichtenbranche negative Auswirkungen auf den Journalismus haben.  Dies könnte dazu führen, dass die Medienbranche an Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit verliert, während andere Stimmen eher gehört werden.“

Hier geht es zum State of the News Media Report 2013 (auf Englisch) und zu den Infografiken

Übersetzung aus dem Englischen: Karen Grass

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