Die Kunst des Verführens

16. Februar 2010 • PR & Marketing • von

Erstveröffentlichung: Neue Zürcher Zeitung

Ein Buch von Klaus Schönbach legt dar, was Wissenschafter über die Techniken des Überzeugens und die Wirkungen des Werbens herausgefunden haben.

Schon der Titel von Klaus Schönbachs klugem Kompendium steht für das Kernanliegen des Autors: die «zuverlässige Überraschung» als Geheimnis des Kommunikationserfolgs. «Verkaufen, Flirten, Führen» – so unterschiedlich diese Aktivitäten auch sein mögen, es geht dabei um überraschend Ähnliches, eben um persuasive Kommunikation: Andere Menschen sollen zu einem erwünschten Handeln überredet werden – egal, ob der Autohändler einem «nur heute» beim Kauf des neuen Öko-Flitzers ein paar zusätzliche Prozente Rabatt gewährt, ob man spätabends an der Hotelbar einer schwarzhaarigen Schönheit eindringliche Blicke zuwirft oder ob morgens beim Abteilungsleiter-Meeting die Mitarbeiter auf einen Strategiewechsel einzuschwören sind.

Wer genug von oberflächlichen Management- und Marketing-Bestsellern oder Flirt-Ratgebern hat und stattdessen einmal gebündelt, leicht lesbar und trotzdem fundiert erfahren will, was Wissenschafter in den letzten Jahrzehnten über Überzeugungsstrategien und Werbewirkungen herausgefunden haben, der wird bei Schönbach fündig.

Die Botschaft des Medienwirkungsforschers, der an der Universität Amsterdam lehrt, ist beruhigend und irritierend zugleich: Einerseits ist es bei weitem nicht so einfach, uns durch Werbung und Überredung zu manipulieren, wie das Vance Packard mit seinem Bestseller «Die geheimen Verführer» in den fünfziger Jahren unterstellte. Ausserdem mache uns Persuasion oftmals erst handlungsfähig, indem sie «die Qual der Wahl vermindert».

Anderseits haben die Verhaltensforscher mit einer Fülle von Experimenten belegt, wie oft und wie leicht sich auch intelligente, nachdenkliche Menschen übertölpeln – oder vielleicht ja auch überzeugen – lassen. Fast «auf Knopfdruck» funktioniere das mitunter, und das Bedrohliche an Persuasion sei nun einmal, dass sie «vorhandene Handlungsalternativen zu reduzieren versucht – möglichst auf eine einzige».

Eine Schlüsselrolle spielt dabei laut Schönbach die «zuverlässige Überraschung». In vielen Lebensbereichen gelinge Persuasion, wenn die Botschaft so komponiert werde, dass eine Balance entstehe «aus einerseits Neuem und Unerwartetem, die unsere Neugier anregen», sowie anderseits aus «einer Vorauswahl und Einordnung, die total Unglaubliches und Verstörendes verhindern».

Das Erfolgsrezept gilt nicht nur für Werbetreibende, sondern auch für Journalisten – denn auch von ihnen wird einerseits täglich neu die Wundertüte aus Überraschungen erwartet, anderseits sollen sie diese aber auch zuverlässig in den vorhandenen Kontext einordnen, weshalb bereits eingeführte Themen mehr Aufmerksamkeit für sich beanspruchen dürfen als gänzlich neue.

Eine kongeniale Ergänzung zu Schönbachs Büchlein mag sich erhoffen, wer Kai Fehses Versprechen vertraut, die «neuesten Studien aus den internationalen Journals der Hirnforscher» zusammenzufassen, um die Wirkweise von Werbung besser zu erklären und somit die Neurowissenschaften ebenfalls für die Zwecke der Persuasion nutzbar zu machen. Dem Autor gelingt der Brückenschlag zwischen Naturwissenschaft und Sozialforschung indes nur bedingt.

Anders als Schönbach fehlt dem Werbepraktiker, dessen Buch auf einer Dissertation basiert, bei seinem Ausflug in die Forschung schlicht die Gabe, schwierige Materie so zu veranschaulichen, dass auch interessierte Laien ihm zu folgen vermögen. So fragt sich der Leser etwas ratlos, welchen Nutzen es ihm beziehungsweise Werbetreibenden und andern Medienschaffenden verheisst, wenn sie nunmehr verorten können, in welcher Gehirnregion bestimmte Aktivitäten der Wahrnehmung und Speicherung stattfinden.

Klaus Schönbach: Verkaufen, Flirten, Führen. Persuasive Kommunikation – ein Überblick. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2009. 152 S.

Kai Fehse: Neurokommunikation. Ein Modell zur Wirkweise von Werbung im Lichte neuester Erkenntnisse der Hirnforschung. Nomos-Verlag, Baden-Baden 2009. 262 S.

Bildquelle: Luca Pedrotti / Flickr CC

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