Red Bull und der schrecklichste Job der Welt

10. Mai 2013 • PR & Marketing • von

„Ein genialer Marketing-Trick der PR-Truppe, die diese Rangliste lanciert hat. Weltweite Aufmerksamkeit gesichert!“ – das war mein lakonischer Kommentar auf Facebook, als die Online-Stellenbörse CareerCast.com vor etwa zwei Wochen ihr diesjähriges Job-Ranking bekannt gegeben hat. Dabei war der Zeitungsreporter ganz ans Tabellen-Ende gerutscht.

Selbst beim Wall Street Journal, dessen Leser sich eher für Börsentipps als für den Journalistenberuf interessieren dürften, erhielt die Meldung auf Facebook über 195 000 „Likes“. Wie zahllose andere Medien, sprang auch der Zürcher Tages-Anzeiger auf das Thema an und verkündete online: „Die Leute werden offenbar lieber Henker oder Kanalarbeiter als Journalist, der mit dem Henker das Richtende und mit dem Kanalarbeiter das Klären gemeinsam hat.

Inzwischen wissen wir: Der Beruf ist sogar der allerletzte. Wie die aktuelle, seit 25 Jahren erhobene Umfrage der Stellenbörse CareerCast ergibt, rangiert der Journalismus auf dem 200sten und letzten Platz. Vor ihm kommen noch der Holzfäller und der Soldat. Es ist beliebter, Menschen und Bäume umzubringen, als über sie zu schreiben.“

Dass es sich bei dem Ranking um gar keine Umfrage handelte, und dass es „nur“ um Zeitungsreporter, also nicht generell um Journalisten und somit weder um Fernseh-Moderatoren, Talkmaster oder gar um Leitartikler ging, spielte keine Rolle mehr. Auch alles Weitere war, wie auch die meisten anderen Kommentare zur Sache, ziemlich erwartbar: Viel Selbstmitleid zwar ob des beruflichen Stress und der miserablen Bezahlung, aber ganz so schlimm sei es eigentlich nun doch wieder nicht. Und bei genauerem Hinsehen handele es sich ja beim Journalismus – trotz alledem – weiterhin um einen der schönsten Berufe der Welt.

Nur: Eben an diesem genaueren Hinsehen, das eigentlich zum Kernbestand journalistischer Tugenden und Professionalität gehören sollte, hat es mal wieder gemangelt. Das Ranking verkündet zumindest insoweit blanken Unsinn, als sich die Zeitungsredaktionen nachweislich fast überall in der Welt kaum des Andrangs junger Leute erwehren können, mögen Printmedien noch so sehr die Dinosauriere der Medienbranche sein. Trotzdem wurde die CareerCast-„Studie“ vieltausendfach abgedruckt und verlinkt. Kaum ein Profi-Journalist scheint sich die Frage gestellt zu haben, ob womöglich die Ranking-Erfinder den Zeitungsreporter ganz absichtsvoll auf den allerletzten Ranglisten-Platz gehievt haben – aus dem simplen Grund, weil sie die Branche ziemlich gut kennen und weil sie ziemlich realistisch die Pawlovschen Reflexe von Journalisten einzuschätzen vermochten.

Erschreckend ist, wie leichtfertig Journalisten den Aufmerksamkeits-Maximierern der PR-Branche immer wieder auf den Leim gehen und wie unreflektiert und unprofessionell sie auch groben Unfug weiterverbreiten, wenn denn die Hoffnung besteht, er könnte Auflage oder Quote generieren. Dabei sind Journalisten heute besser ausgebildet denn je und bekommen an vielen Studiengängen oder Journalistenschulen inzwischen auch Einblick in die PR-Küchen – was ja auch dringend geboten ist, soll sich die schrumpfende Journalistenschar in den Redaktionen gegen die wachsende Truppen-Übermacht der Öffentlichkeitsarbeiter halbwegs behaupten.

Diese nennen sich ja inzwischen auch viel lieber „Kommunikationsmanager“, was sie gegenüber den „Arbeitern“, die sie nicht mehr sein wollen, irgendwie adelt. Und was obendrein auf verräterische Weise ehrlich ist, weil damit ja ganz unverblümt postuliert wird, wer inzwischen die wahren Manager der öffentlichen Kommunikation sind – eben nicht mehr Journalisten, Chefredakteure und deren Leitmedien. Um sie macht man am besten einen Bogen – oder man versorgt sie mit so sensationellem Futter, dass sie zur Berichterstattung regelrecht gezwungen werden.

Zur höchsten Perfektion hat dieses Prinzip Red Bull gebracht. Es hat Jahre gedauert und einige Extremsportler das Leben gekostet, bis die Mainstream-Medien jüngst endlich das Zynische dieser Marketing-Maschine thematisiert haben. Und merkwürdigerweise ist die Skandalisierung bisher erstaunlich glimpflich für Red Bull abgegangen – vielleicht ja auch deshalb, weil zumindest an diesem Punkt ein paar nicht ganz so dumme Journalisten gemerkt haben: Wann immer sie mit dem Finger auf Red Bull zeigen, zeigen drei Finger auf sie selbst zurück.

Erstveröffentlichung: Werbewoche vom 10. Mai 2013

Bildquelle: sterntaler62  / pixelio.de

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