Ein gläubiger Diener des Mainstreams

17. März 2010 • Ressorts • von

Peter-Ashley Jackson a.k.a. p22earl / FlickrDer deutsche Wirtschaftsjournalismus sei in der Finanzkrise seiner Aufklärungspflicht nicht ausreichend nachgekommen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Wirtschaftsjournalismus in der Krise: Zum massenmedialen Umgang mit Finanzmarktpolitik” von Hans-Jürgen Arlt und Wolfgang Storz, herausgegeben von der Otto Brenner Stiftung.
Die Autoren haben in dem Zeitraum von Frühjahr 1999 bis Herbst 2009 insgesamt 822 Artikel aus den überregionalen Tageszeitungen „Handelsblatt“, „die tageszeitung“,  „Süddeutsche Zeitung“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und „Financial Times Deutschland“ analysiert. Ebenso haben sie die 141 Beiträge der „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ sowie 212 Meldungen des Basisdiensts der „Deutschen Presseagentur“ untersucht.

Die untersuchte Berichterstattung hatte einen Bezug zu 16 bedeutenden Ereignissen, die die Autoren ausgewählt hatten, wie die Schließung des Koalitionsvertrags der Großen Koalition 2005 (Ereignis 7) und der G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 (Ereignis 14) Sie unterstellten dabei, dass die tagesaktuellen Medien vor allem in Verbindung mit wichtigen aktuellen Ereignissen über schwer vermittelbare Themen wie Finanzmärkte berichten.

Zudem fertigten sie zu weiteren fünf bedeutenden Ereignissen Fallstudien an, so auch zum Grundsatzreferat des DGB-Vorsitzenden Michael Sommer auf dem DGB-Bundeskongress 2006, und führten Interviews mit sieben leitenden Redakteuren und drei Wissenschaftlern.

Hans-Jürgen Arlt, ehemaliger Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des DGB und nun Kommunikationsberater und Lehrbeauftragter, und Wolfgang Storz, ehemaliger Chefredakteur der Frankfurter Rundschau und nun Publizist und Lehrbeauftragter, gingen dabei von drei Ausgangsfragen aus: Hat der Wirtschafts- und Finanzjournalismus über die hier interessierenden Themenbereiche umfassend informiert? Lieferte er Orientierung? Wurde er seiner Funktion als Frühwarnsystem gerecht?

Einer der wichtigsten Befunde der Studie ist, dass der tagesaktuelle deutsche Wirtschaftsjournalismus „kein kritischer Träger der Aufklärung“ ist, sondern „ein gläubiger Diener des Mainstreams“. Er habe als Beobachter, Berichterstatter und Kommentator des Finanzmarktes und der Finanzmarktpolitik bis zum offenen Ausbruch der globalen Finanzmarktkrise schlecht gearbeitet. Er biete wenig Information und verursache viel Desorientierung.

Die tagesaktuellen Massenmedien hätten über Jahre hinweg das Thema Finanzmärkte und Finanzmarktpolitik ignoriert. Sie seien damit ihrer Rolle als Frühwarnsystem der Gesellschaft nicht gerecht geworden. Erst mit dem “offiziellen”, faktisch von Politik und Wirtschaftseliten ausgerufenen Beginn der Krise im September 2008 habe auch in den Massenmedien eine der Situation angemessene Berichterstattung eingesetzt.

Die Studie kann als Volltext (PDF) auf der Website der Otto Brenner Stiftung heruntergeladen werden.

Bildquelle: Peter-Ashley Jackson / Flickr CC

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