Politik treibt Berichterstattung übers Klima

29. November 2013 • Ressorts • von

Der Klimawandel ist ein globales Problem und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zufolge die größte Menschheitsherausforderung der Gegenwart. Gleichzeitig entzieht sich der Klimawandel der direkten Wahrnehmung – denn er ist ein langfristiges, langsam fortschreitendes und komplexes Phänomen. Die meisten Menschen erfahren über den Klimawandel deshalb aus den Medien. Sie sind, so zeigen verschiedene Studien, die wichtigste Informationsquelle zum Thema.

Aber wie viel Aufmerksamkeit schenken die Medien dem Klimawandel? Ein Forscherteam von den Universitäten Hamburg und Zürich ging dieser Frage nach: Es untersuchte, wie viel Raum die Massenmedien dem Klimawandel in Relation zu anderen Themen widmeten. Denn dieser relative Umfang der Medienberichterstattung hat vermutlich einen Einfluss auf das Problembewusstsein der Öffentlichkeit sowie auf die Priorität, die Politiker dem Thema geben.

Da der Klimawandel Gesellschaften weltweit betrifft, bezieht das Forschungsprojekt Tageszeitungen aus 27 Ländern ein. Ausgewählt wurden Industriestaaten, Entwicklungs- und Schwellenländer von allen Kontinenten, die in unterschiedlichem Maße von den negativen Folgen betroffen sind, mehr oder weniger Handlungsverantwortung tragen sowie volkswirtschaftliche unterschiedlich stark kohlenstoffabhängig sind.

Die Studie zeigt, dass der Klimawandel in allen untersuchten Ländern ein relevantes Medienthema ist und dass der Berichterstattungsumfang im Untersuchungszeitraum (1996-2010) deutlich zugenommen hat. In den meisten Ländern stieg die Medienaufmerksamkeit 2006/2007 beträchtlich an und blieb dann bis Ende 2009 auf einem hohen Niveau. Im Durchschnitt der Jahre 1997 bis 2009 thematisieren 0,62 Prozent aller veröffentlichten Artikel den Klimawandel. Das mag auf den ersten Blick wenig erscheinen, ist aber durchaus ein beachtlicher Anteil. Schließlich decken Zeitungen ein breites thematisches Spektrum ab – inklusive soziale Probleme wie Arbeitslosigkeit, die einen unmittelbareren Bezug zur Lebenswelt der Leser aufweisen. Andere Studien zeigen zudem, dass Themen wie Stammzellen- oder Humangenomforschung weit weniger Medienberichterstattung erhalten haben.

Medienaufmerksamkeit für den Klimawandel weltweit

Medienaufmerksamkeit für den Klimawandel weltweit
Die Diagramme zeigen den prozentualen Anteil der Berichterstattung, der einen Bezug zu Klimawandel aufweist; Lücken sind fehlenden Daten geschuldet.
Für eine größere Darstellung bitte auf die Abbildung klicken.

Wie man an den Diagrammen sieht, hat sich die Aufmerksamkeit aber nicht linear entwickelt. Vielmehr sind kurzfristige Schwankungen mit beachtlichen Spitzen zu erkennen. Um die Höhen und Tiefen in der Medienaufmerksamkeit zu erklären, hat die Forschungsgruppe den statistischen Einfluss von mehreren Faktoren überprüft:

– internationale und nationale Wetter- und Klimafaktoren;

– politische, zivilgesellschaftliche und wissenschaftliche Aktivitäten und Ereignisse;

– sowie kulturelle Events wie die Premiere des Al Gore Films „Eine unbequeme Wahrheit“.

Da für eine solche Analyse sehr viele kontextuelle Daten nötig sind, musste dieser Teil der Studie auf drei Länder beschränkt werden: Australien, Deutschland und Indien.

Ein erstes interessantes Ergebnis der Untersuchung ist, dass Wetter- und Klimafaktoren nur eine geringe Rolle spielen. Sowohl in Australien als auch in Indien haben weder die langfristige Temperaturentwicklung noch Extremwetterereignisse einen signifikanten Einfluss auf die Medienaufmerksamkeit für den Klimawandel.

Nur in Deutschland hat ein Typ von Extremereignissen – Überflutungen – den Medienberichterstattungsumfang beeinflusst, was vermutlich vor allem auf die Jahrhundertflut von 2002 zurückzuführen ist. Auch hat die Veröffentlichung von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen in Fachzeitschriften keinen Einfluss auf die Medienaufmerksamkeit. Und lediglich in Deutschland schlagen sich die Präsentationen der Sachstandsberichte des Weltklimarats (IPCC) im Berichterstattungsumfang nieder.

Von großer Bedeutung hingegen sind politische Aktivitäten und Ereignisse sowie die Aktivitäten von Umweltorganisationen. In allen drei Ländern führen die UN Klimakonferenzen zu einer deutlich erhöhten Medienaufmerksamkeit. Gleiches gilt auch für die Aktivitäten der internationalen Umweltgruppen Greenpeace und WWF. Zudem hat in Australien und Deutschland die Beschäftigung der nationalen Parlamente mit dem Thema einen Einfluss.

In einer weiteren Teilstudie hat das Forschungsteam alle 27 Länder verglichen und untersucht, was hinter den unterschiedlich hohen Aufmerksamkeitsniveaus liegen könnte. Auch in dieser Hinsicht zeigt sich, dass politische Aspekte wichtig sind während die Betroffenheit von den Auswirkungen des Klimawandels nur eine untergeordnete Rolle spielt.

In einem ersten Schritt vergleicht die Studie die Länder anhand ihrer Handlungsverantwortung. Das bedeutendste internationale Klimaschutzabkommen, das Kyoto-Protokoll, legt nur bestimmten Industrieländern Beschränkungen bei den Treibhausgasemissionen auf. Die Ergebnisse zeigen, dass die Medienaufmerksamkeit in diesen Ländern deutlich höher ist als in Ländern ohne internationale Verpflichtungen. Die politische Relevanz des Themas in einem Land scheint also einen Effekt auf den Berichterstattungsumfang zu haben. Im zweiten Schritt fokussierten die Medienforscher auf diese Gruppe der Industrieländer und deren unterschiedliche wirtschaftliche Kohlenstoffabhängigkeit.

Sie zeigen, dass die Medienaufmerksamkeit in Ländern mit kohlenstoffintensiver Wirtschaft höher ist – also dort, wo die Wirtschaft stark auf fossilen Energieträgern wie Öl oder Kohle basiert und es einen besonders großen Druck gibt, Lebensstil und Wirtschaftsstruktur zu verändern. Das Paradebeispiel hierfür ist Australien, wo die Kohleindustrie sehr stark ist. In diesem Land wird sehr heftig darüber diskutiert, ob und wie die Kohlendioxidemissionen verringert werden sollen. Konservative, marktliberale und wirtschaftliche Akteure kämpfen dabei gegen Emissionsregulierungen während sich Umweltgruppen und Politiker des linken Spektrums für eine ambitionierte Klimapolitik einsetzen. Diese Konflikte schlagen sich offenbar in der Berichterstattung nieder – das Land weist die höchste Medienaufmerksamkeit in der Studie auf. Deutschland hingegen ist ein Industrieland mit einer eher geringen Kohlenstoffabhängigkeit und hat gleichzeitig eine vergleichsweise niedrige Medienaufmerksamkeit für den Klimawandel.

Schließlich hat das Forschungsteam die Länder auch anhand ihrer Betroffenheit vom Klimawandel verglichen – mit gemischten Ergebnissen. Zwar zeigen sich bei der Gruppe der Entwicklungs- und Schwellenländer in einem gewissen Maße Parallelen zwischen der Betroffenheit und der Medienaufmerksamkeit, doch in der industrialisierten Welt ist dies nicht der Fall.

Insgesamt legen die Ergebnisse nahe, dass die Medienberichterstattung zum Klimawandel vor allem von politischen Ereignissen und Aktivitäten angetrieben wird – und weniger durch Wetter- und Klimafaktoren oder die Wissensproduktion der Klimawissenschaft.

Lesen Sie mehr:

Schäfer, Mike S.; Ana Ivanova & Andreas Schmidt (2013): What Drives Media Attention for Climate Change? Explaining Issue Attention in Australian, German and Indian Print Media from 1996 to 2010. In: International Communication Gazette, Online First.

Schmidt, Andreas; Ana Ivanova & Mike S. Schäfer (2013): Media Attention for Climate Change around the World: A Comparative Analysis of Newspaper Coverage in 27 Countries. In: Global Environmental Change 23/5, S. 1233–1248. 

Schäfer, Mike S.; Ana Ivanova & Andreas Schmidt (2012): Issue-Attention: Mediale Aufmerksamkeit für den Klimawandel in 26 Ländern. In: Irene Neverla & Mike S. Schäfer (Hg.): Das Medien-Klima. Fragen und Befunde der kommunikationswissenschaftlichen Klimaforschung. Wiesbaden: Springer VS, S. 121–142. 

Bildquelle: Uta Herbert / pixelio.de

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