MSM made in USA

6. Oktober 2008 • Ressorts • von

Erstveröffentlichung: Weltwoche 38/08

Wir wollten in den Staaten guten Journalismus lernen. Doch die MSM sind noch schlimmer als bei uns.
Die Titelzeilen waren hymnisch: «Why Barack Obama could be the next president». Oder: «The contender – Barack Obama has promised to change politics». Oder: «Raising Obama – how his mother made him who he is».

Siebenmal hat es Obama mittlerweile aufs Titelbild des Time-Magazins geschafft. Es brauche keine weiteren Beweise, kommentierte die Frankfurter Allgemeine, «für die blinde Gefolgschaft, die die amerikanischen Medien ihrem Messias leisten». John McCain schaffte es nur zweimal auf den Time-Umschlag.

MSM, mainstream media, nennen die Amerikaner den unkritischen Lemming-Journalismus. Das Kürzel geht zurück auf den grossen Noam Chomsky und seinen Essay von 1997: «What Makes Mainstream Media Mainstream». In den eher linksliberal positionierten MSM, sagt Chomsky, passiert immer genau das, was man als Medienkonsument erwartet. Es passiert in den Medien nie etwas Unerwartetes.

Zu erwarten war darum, dass der schicke Sozialdemokrat Obama (Versace, Hart Schaffner Marx) in den mehrheitlich schicken MSM eine kollektive Obamania auslösen würde. Von Time über Rolling Stone bis zu Gentlemens Quarterly schaffte er es als modischer, urbaner Erlöser zur Titelfigur, häufig mit seiner ebenso fashionablen Frau Michelle (Maria Pinto, Alaia, Calvin Klein).

In der Schweiz war es genauso. Obama deckte rund 66 Prozent der hiesigen Berichterstattung über die US-Wahlen ab, McCain brachte es gerade mal auf einen Drittel. Die coverage von Obama war oft ähnlich hymnisch wie jenseits des Ozeans. Er war ein «Hoffnungsträger», so die Berner Zeitung. «Obama schreibt Geschichte», sagte der Tages-Anzeiger. «Alles besser mit Obama», wusste die Aargauer Zeitung.

Die MSM funktionieren transatlantisch. Das ist wenig erstaunlich, wenn man die Arbeitsbedingungen unserer Auslandskorrespondenten kennt. Es sind ihnen kaum je originäre und persönliche Erfahrungen vergönnt, erst recht nicht bei den Präsidentschaftswahlen. Man kann zwanzig Jahre US-Korrespondent sein, ohne mit dem Präsidenten oder dem Secretary of State je auch nur ein Wort gewechselt zu haben.

Man kennt die grosse Politik nur aus Zeitungen, TV-Stationen und Internetkanälen. Aus eigener Erfahrung kennt man nichts. Auch achtzig Prozent der US-Journalisten kennen aus eigener Erfahrung nichts.

Interessant ist dann, wie dieser MSM-Kokon den einmal eingeschlagenen Spin immer weiterdreht. Als McCain unerwartet Alaskas Gouverneurin Sarah Palin zu seiner Vize machte, veränderten ihre unverblümten TV-Auftritte die Polls sehr schnell zuungunsten von Darling Obama. Die Medien reagierten auf diese Störung ihres Mainstreams mit heftiger Verärgerung.

Angeführt von der New York Times, dem grossen Blatt der Linksliberalen, entstand schnell das Bild einer rachsüchtigen Tyrannin mit Verfolgungswahn. Palins fünf Monate alter Sohn Trig sei in Wirklichkeit der Sohn ihrer Tochter, war die erste Welle – die klassische Version der persönlichen Diffamierung. Sie habe ihren Freunden nepotistisch zu gutdotierten Ämtern verholfen, war die zweite Welle – die klassische Version der beruflichen Diffamierung. Oprah Winfrey, die grosse TV-Figur der Linksliberalen, verweigerte Palin den Auftritt in ihrer Show, um von ihrem Verbündeten Obama jedes Risiko fernzuhalten.

Noch vor zwanzig Jahren waren die US-Medien ein Vorbild des angelsächsisch-ausgewogenen Journalismus. Der Irakkrieg, dem man aus patriotischem Überschwang unkritisch applaudierte, war der erste grosse Sündenfall des 21. Jahrhunderts. Obama war der zweite.

Wir können unseren Schweizer Journalisten also getrost sagen: Von den Amis könnt ihr nichts mehr lernen.

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