Es ist ein kleines Wunder: Das Europäische Journalismus Observatorium (EJO) hat nicht nur seine ersten zehn Jahre überlebt, es wird auch langsam erwachsen und liefert inzwischen Information in zehn verschiedenen europäischen Sprachen – für Journalisten und für Jedermann, sofern ein Interesse an den Entwicklungen in den sich rapide verändernden Medien besteht.
Die Ausgangslage: Jedes Jahr geben Forschungsförderungs-Organisationen in Europa und anderswo Millionen an Steuergeldern aus, um Journalismus- und Medienforschung zu finanzieren. Aber die Forschungsergebnisse kommen nicht dort an, wo sie den meisten Nutzen stiften könnten: in der Medienpraxis.
Wenn Forschungsresultate Journalisten und Medienmanagern im Berufsalltag helfen sollen, müssen sie zusammengefasst und mitunter auch in Alltagssprache „übersetzt“ werden. Außerdem wissen selbst Medienexperten und –forscher oftmals sehr wenig über die Journalismus-Kulturen und Mediensysteme in ihren europäischen Nachbarländern. Ohne solche Kenntnisse kann man aber nicht voneinander lernen, und auch kaum gemeinsame europäische Standards journalistischer Professionalität entwickeln. Deshalb bereitet das EJO über Kultur- und Sprachgrenzen hinweg Hintergrundinformation über Medien, über Trends sowie „Best Practices“ im Journalismus auf. Und zwar jeweils in der Muttersprache der Zielgruppen, weil es eben doch eher unwahrscheinlich ist, dass Medienprofis englischsprachige Journals und Fachzeitschriften lesen.
Die finanzielle Unterstützung für das Projekt kam von Anfang an von der Stiftung Pressehaus NRZ (für die deutsche Website und, als Anschubfinanzierung über mehrere Jahre hinweg, auch für die polnischen EJO-Aktivitäten) sowie von der Fondazione Corriere del Ticino (für die italienische und englische Website). Von 2011 bis 2013 hat der Schweizer Nationalfonds (SNF) sechs osteuropäische EJO-Partner finanziert; seit 2013 unterstützt er darüber hinaus eine EJO-Zusammenarbeit zwischen der Universität Lugano and der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Winterthur. Außerdem ist im vorigen Jahr das renommierte Reuters Institute for the Study of Journalism der Universität Oxford als neuer strategischer Partner in der angelsächsischen Welt hinzugekommen – gefördert von der Robert Bosch Stiftung in Stuttgart.
Vor Ort in Lugano hat die nachhaltige und großzügige Unterstützung seitens der Fondazione Corriere del Ticino auch eine ziemlich einzigartige Beziehung zwischen der Universität und dem größten privaten Medienunternehmen des Tessins entstehen lassen. Beide Seiten können stolz darauf sein: Die Studierenden profitieren davon, dass mehrere Chefredakteure und andere journalistische Praktiker als Dozenten mit “real life”-Erfahrungen und Fallstudien den Uni-Alltag bereichern, während die Studenten frische Perspektiven einbringen. Einige von ihnen sind auch zum Talent-Reservoir des Medienunternehmens geworden.
Das EJO selbst offeriert studentischen Mitarbeitern und Doktoranden Möglichkeiten, erste journalistische Erfahrungen in einer multikulturellen Arbeits-Umgebung zu sammeln – teils als Nachwuchsforscher, teils als journalistische “trainees”. Sogar der CEO von Timedia und Corriere del Ticino hat einen EJO-Hintergrund: Sieben Jahre bevor Marcello Foa Top Manager des Medienunternehmens wurde, war er bereits einer der beiden Gründerväter des Observatoriums. Seither hat er beharrlich und verlässlich zum Erfolg des Projekts beigetragen, sogar an den monatlichen EJO-Sitzungen nimmt er regelmäßig teil. Er selbst sagt von sich: „Ohne die EJO- Erfahrungen hätte ich es wohl nicht geschafft, von einem Spitzenjob in einer italienischen Redaktion in die Geschäftsleitung von Timedia zu wechseln.“
Bildquelle: Philip di Salvo
Schlagwörter:European Journalism Observatory, Medienselbstkontrolle, Wissenschaft und Praxis