Erstveröffentlichung: Weltwoche 29 / 08
Wir rufen zur Verteidigung der Medienfreiheit auf. Wir tun es auf sehr, sehr tiefem Niveau.
Martin Dummermuth, der Chef des Bundesamtes für Kommunikation, sieht sich als oberster Medienrichter des Landes. Sein letztes Urteil fällte er über die Medienkritik in diesem Land. Die Medienkritik habe ein «sehr, sehr tiefes Niveau».
Das unterirdische Niveau begründet Dummermuth damit, dass nur wenige Zeitungen und Zeitschriften eine regelmässige Medienseite haben. Seine logische Folgerung: Weil die Medienbeobachtung der Zeitungen auf sehr, sehr tiefem Niveau liegt, muss diese Aufgabe nun der Staat wahrnehmen. Es gibt also neu eine staatliche Medienbeobachtung, welche das TV-Programm überwacht. Eine Million Franken pro Jahr stehen dafür bereit.
Das Ganze ist ein Schwindel. Richtig an Dummermuths Darstellung ist nur, dass sich bloss wenige Blätter eine eigene Medienredaktion leisten. Der Output zum Thema ist dennoch riesig, besonders beim Thema «TV». Das Fernsehen ist, nach der SVP, das wichtigste Pressethema im Land. Jedes neue oder auch nur adaptierte Programm – von «Music Star» über «Arena» bis «1 gegen 100» – löst breite Debatten über Qualität, Programmauftrag und Service public aus. Nahezu alle Zeitungen und Zeitschriften haben zudem institutionalisierte TV-Kritiken im Blatt.
Wir haben einmal ausgezählt, in wie vielen Artikeln sich die Presse in den letzten zwölf Monaten mit dem Schweizer Fernsehen befasste. Es waren 11 888 Artikel.
Angesichts von jährlich 11 888 Artikeln zum Schweizer Fernsehen behauptet also Medienrichter Dummermuth, die Presse würde das TV-Schaffen nur ungenügend beobachten. Wer so etwas behauptet, ist ein Dummkopf. Wir brauchen unsere Wortwahl bewusst, weil wir uns ja auf sehr, sehr tiefem Niveau bewegen.
Die 11 888 Artikel zeigen zudem die Qualität der Medienarbeit. Es gibt wenige Länder ausser der Schweiz, wo die journalistische Auseinandersetzung mit der Rolle des öffentlichen TV derart kontinuierlich gepflegt wird. Das ist folgerichtig, weil unser Fernsehen bei Fragen um Föderalismus und Ordnungspolitik weit oben auf der politischen Agenda steht.
Angesichts dieser intensiven Debatte behauptet also Medienrichter Dummermuth, die generelle TV-Berichterstattung sei qualitativ unter jeder Sau. Wer so etwas behauptet, ist ein Schrägschwätzer. Wir brauchen unsere Wortwahl bewusst – siehe oben.
Nun ist Dummermuth weniger ein Dummkopf und ein Schrägschwätzer als vielmehr etwas anderes. Er ist ein eilfertiger Vollzugsbeamter der Politik.
In der kürzlich erfolgten Revision des Radio- und TV-Gesetzes hat die Politik dem Fernsehen viele Privilegien belassen, besonders im Werbemarkt. Dadurch ist verhindert worden, dass SF je durch einen nationalen Privatsender konkurrenziert werden kann.
Nun will die Politik das Pay-back. Sie will mehr Einfluss im Programm. Darum wird nun die offizielle Medienbeobachtung eingeführt. Bezahlt dafür werden ausgewählte Medienprofessoren aus Freiburg und Zürich, die bekannt dafür sind, erfolgreiche Sendungen gern als populistischen Schund zu betrachten.
Wir wollen keine Staatsaffäre daraus machen, aber es geht eindeutig darum, TV-Journalisten stärker zu bevormunden. Die obrigkeitliche Medienbeobachtung ist nur ein erster kleiner Schritt, aber kleine Schritte sind auf diesem Gebiet gefährlich. Jeder Staat will letztlich seine Medien kontrollieren, in Simbabwe wie in der Schweiz. Dagegen steht unser 200-jähriges, liberales Verständnis von Journalismus, das Medienfreiheit als Freiheit vom Staat definiert. Wir von der Presse können uns mit unseren TV-Kollegen also nur gegen jede politische Aufsicht solidarisieren.
Wenn künftig diese Berichte der staatlichen Medienbeobachtung erscheinen, gibt es nur eine einzige Methode, die uns bleibt: das Totschweigen.
Schlagwörter:Martin Dummermuth, Medienkritik, Schweiz, SVP