Die USA haben Podcasts schon längst im Sturm erobert. Inzwischen sind sie aber auch in Europa aus der Nische gekommen und bahnen sich in ihren Weg in den Mainstream.
In der Slowakei ist das Konzept des Podcasts den meisten Menschen fremd. Als der Journalist Dávid Tvrdoň im vergangenen November vorschlug, selbst einen Podcast zu produzieren, stieß er daher auf Skepsis. Mithilfe seiner Kollegen bei der größten slowakischen Nachrichtenwebsite, SME.sk, schaffte Tvrdoň es dennoch, einen täglichen News-Podcast zu etablieren, der sich am Beispiel des New York Times-Podcasts „The Daily“ orientiert. Schon nach einem Monat war Dobré ráno („Guten Morgen“ auf Slowakisch) 100000 mal gehört worden.
„Es hatte auch vorher schon Podcasts gegeben, aber die waren so klein, dass wir uns alle untereinander kennen”, erklärt Tvrdoň, der auch einer der Moderatoren des englischsprachigen Podcasts Check Your Facts ist. Darin interviewt er gemeinsam mit dem Social Media-Redakteur der BILD, Marc Biskup, andere Digitaljournalisten aus ganz Europa. „Sie haben sich wirklich gefreut, dass wir diesen Podcast machen, da er hilft, Podcasts in den Mainstream zu befördern“, sagt Tvrdoň.
Die USA haben Podcasts schon längst im Sturm erobert. Nachdem 2014 das investigativjournalistische Podcast-Format Serial an den Start ging, hören inzwischen mindestens 40 Prozent der US-Amerikaner Podcasts. Nach der New York Times haben auch Medienhäuser wie die Washington Post und Vox angekündigt, ihre eigenen Podcasts etablieren zu wollen. Das Drängen auf den Podcast-Markt kommt wenig überraschend, da die Nutzer laut Studien meist während 90 Prozent der Sendezeit zuhören, eine Goldgrube für Werbetreibende.
Anzahl der Podcasts in Europa ist stark gewachsen
In Europa ist das Phänomen der Podcasts noch relativ neu, da sich die Technik- und Mediennutzung von der in den USA unterscheidet. Dennoch springt auch hier eine wachsende Anzahl von Journalisten auf den Zug auf und nutzt die beliebte Plattform des Podcasts, welche es den Hörern, im Gegensatz zum traditionellen Radio, erlaubt, sich gezielt aus einer großen Bandbreite an Nischen-Themen zu bedienen. Außerdem können Podcasts ohne die Unterstützung eines großen Medienunternehmens produziert werden.
Die Anzahl der europäischen Podcasts ist in den vergangenen zwei Jahren exponentiell gewachsen, beobachtet die Londoner Digitalberaterin Izabela Russel, die gemeinsam mit ihrem Mann Mike, einem Radiojournalisten, das Rundfunkunternehmen New Media Europe gegründet hat.
2013 besuchte das Paar eine Konferenz über digitale Medien in den USA und fühlte sich von den vielen Podcastern inspiriert. „Wir dachten: In England gibt es so etwas noch nicht, warum also organisieren wir nicht hier ein ähnliches Event für Podcaster?“, erzählt Russel. Schon bald nahmen über 200 Podcaster aus ganz Europa an „UK Podcasters“ teil.
Wie stark sich Podcasts auf dem Markt durchsetzen, hängt auch weitgehend von der Verbreitung mobiler digitaler Endgeräte in den jeweiligen Ländern ab. Europa wird von Android dominiert, nur 25 Prozent nutzen das Apple iPhone, das über eine eingebaute Podcast-App verfügt (in Russels Heimatland Polen sind es sogar nur zehn Prozent). Die Google Play Music App in den Android-Phones hat keine integrierte Podcast-Applikation. Nutzer können sich dafür allerdings die Zusatzapp Stitcher herunterladen.
Podcasts können auch auf anderen Wegen neue Hörer gewinnen. Tvrdoň erreicht sein Publikum hauptsächlich über Soundcloud und seit kurzem auch über Spotify. „Das ist eine viel bessere Plattform, um hier [in Mitteleuropa] Audios zu verbreiten“, meint er. Viele Freunde hätten ihm positives Feedback gegeben: „Super, Spotify nutze ich sowieso täglich!“
Trend ist auch in Nord- und Südeuropa angekommen
Viele Journalisten haben den Eindruck, dass Podcasts dabei sind, sich ihren Weg in den Mainstream zu bahnen. 2016 schrieb PRIX EUROPA: The European Broadcasting Festival das erste Mal einen Preis in der Kategorie „Digitale Audios” aus. „Wir haben uns entschieden, uns 2017 noch stärker auf innovative und kreative Darstellung von Audios zu konzentrieren“, sagt die Online-Managerin des Festivals, Marta Medvešek. „Unabhängige Produktionen müssen nicht mehr unbedingt eine Verbindung zu einem Rundfunkunternehmen haben. Es reicht nun, wenn sie nur über das Internet ‘senden’“.
Genau das tun viele Journalisten in allen Ecken Europas. In Slowenien stellt die Investigativjournalistin Taja Topolovec in einem wöchentlichen Podcast ihre Rechercheergebnisse vor, in Polen produziert Jakub Gornicki einen Podcast über globale Themen, der mit seiner Multimedia-Plattform Outriders verbunden ist.
Auch im Norden und Süden Europas ist der Trend inzwischen angekommen. In Schweden ist die Zahl der Podcasthörer seit 2016 um 36 Prozent gewachsen, so dass es nun 3,3 Millionen regelmäßige Hörer gibt. Russel beobachtet außerdem einen Anstieg der italienischen, französischen und spanischen Podcasts – in Spanien wurde im Juni 2016 mit Podium Podcast ein sich ständig erweiterndes Netzwerk gegründet, dem Nachrichten- und Unterhaltungspodcasts aus Spanien und Lateinamerika angehören.
Podcasts bieten nicht nur ein neues Medium, um sich Inhalte anzuhören, sondern auch eine andere, intimere Art des Storytellings. Die britisch-amerikanische Journalistin Clare Richardson hat im Sommer 2017 den Podcast Europe to Date mitgegründet, der aktuelle europäische Angelegenheiten beleuchtet. Damit möchte sie Themen, die sie in ihrer täglichen Arbeit für die Deutsche Welle behandelt, detaillierter aufschlüsseln: „Ich glaube, Podcasts bieten mehr Raum, um Dinge wirklich so auszusprechen, dass die Hörer auch den Denkprozess nahvollziehen können.“
Originalversion auf Englisch:Podcasting in Europe: Is an American Trend Crossing the Atlantic?