Paid-Content-Modell wird 2019 an seine Grenzen stoßen

17. Januar 2019 • Digitales • von

Was bringt das Medienjahr 2019? Nic Newman vom Reuters Institute hat für den jährlichen Bericht zu Online-Medientrends wieder 200 internationale Medienmacher befragt.

Es ist ein düsteres Bild, das der Bericht vom Reuters Institute für das neue Jahr zeichnet: Der Journalismus wird weiterhin durch strukturelle Veränderungen ausgehöhlt, die bereits zu deutlichen Rückgängen der Werbeeinnahmen geführt haben. Die Verlage versuchen, die Verluste mit Erträgen aus Paid-Content-Angeboten und Abonnements auszugleichen, werden dabei aber an ihre Grenzen stoßen. Diese Trends dürften, so der Autor des Berichts, Nic Newman, zur größten Welle journalistischer Entlassungen seit Jahren führen – was es wiederum den Medien schwieriger machen werde, populistische Politiker und mächtige Wirtschaftsführer zur Rechenschaft zu ziehen.

Die Verbreitung von falschen, irreführenden und extremen Inhalten wird Demokratien in der ganzen Welt weiter untergraben, wahrscheinlich sogar noch stärker als bislang, da der Trend hin zur Nutzung von geschlossenen Netzwerken wie Facebook-  und WhatsApp-Gruppen geht. Werden Fake News und Co. dort verbreitet, sind sie noch schwieriger zu kontrollieren.

Der in der vergangenen Woche veröffentlichte Medientrend-Bericht 2019 basiert auf den Prognosen von 200 Geschäftsführern, Chefredakteuren und Digitalchefs aus 29 Ländern.

Nutzer könnten Paid-Content-Modelle boykottieren

Paid Content wird in diesem Jahr zum wichtigsten Umsatzschwerpunkt der Nachrichtenindustrie, so die Prognose. Mehr als die Hälfte (52%) der Befragten erwartet, dass 2019 mit kostenpflichtigen Inhalten und Abonnements die meisten Einnahmen im Online-Journalismus erzielt werden. Lediglich 27% sehen Display-Werbung vorne, gefolgt von Native Advertising (8%) und Spenden/Crowdsourcing (7%). Allerdings wird das Paid-Content-Geschäftsmodell in diesem Jahr an seine Grenzen stoßen, heißt es in dem Bericht. Es gibt immer mehr Verlage, die ihre Inhalte – vor allem die qualitativ hochwertigen – hinter eine Paywall stellen, aber in den meisten Ländern ist nur eine kleine Nutzergruppe bereit, für journalistische Inhalte zu zahlen.

Dies könnte auch, sagen die Befragten, durchaus Auswirkungen auf die Demokratie haben – sie fürchten, dass sich künftig nur noch vermögende Nutzer Qualitätsjournalismus leisten und hochwertige Informationen beziehen können. Das Paid-Content-Modell könnte auch insofern kontraproduktiv für die Medienunternehmen sein, dass sich immer mehr Nutzer sogenannte „Paywall Blockers“ installieren, d.h. Software oder Browser-Erweiterungen, mit denen sie die Bezahlschranke umgehen können.

Mut zur Hoffnung: Spenden und Slow News

Vereinzelte Lichtblicke gibt es dann aber doch für das neue Jahr: Das Interesse an alternativen Geschäftsmodellen wächst und Medienunternehmen stehen der Subvention ihrer Medieninhalte nicht mehr so kritisch gegenüber. So zeigt sich knapp ein Drittel der Befragten (29%) aufgeschlossen gegenüber finanzieller Unterstützung von Seiten gemeinnütziger Organisationen und 18% von Seiten von Technologie-Plattformen wie z.B. Facebook. Wie gut das Zuwendungs-Modell funktionieren kann, hat der Guardian gezeigt, dessen Online-Inhalte frei zugänglich sind und der stattdessen auf Spenden setzt: In den letzten drei Jahren haben mehr als eine Million Nutzer ein- oder mehrmals Geld gespendet. Diese Zuwendungen könnten, so heißt es in dem Bericht, dem britischen Online-Medium dabei helfen, 2019 die Gewinnzone zu erreichen.

Mut machen auch zwei Slow-News-Projekte. Im April 2019 werden James Harding, ehemaliger BBC-Nachrichtenchef und Katie Vannick-Smith, ehemalige Präsidentin des Wall Street Journal, das Projekt „Tortoise“ starten. Die Redaktion wird nicht länger auf Breaking News setzen, sondern lediglich vier bis fünf Storys am Tag über ihre Website, ihre App und ihren Newsletter verbreiten. Es wird öffentliche Redaktionssitzungen, sogenannte „Thinkins“, geben, in denen Themen gesetzt und geplant werden.

Tortoise hat es sich zum Ziel gesetzt, bis Ende des Jahres 40.000 zahlende Nutzer zu haben, heißt es in dem Bericht vom Reuters Institute, weitere Einkünfte sollen durch Sponsoring und Live-Events erzielt werden. Der Start wird durch mehrere Sponsoren und die Einnahmen einer Crowdfunding-Kampagne auf Kickstarter finanziert; zudem sind etwa 500.000 Pfund von 2.500 Gründungsmitgliedern gespendet worden, von denen viele unter 30 sind.

Auch das niederländische Start-up De Correspondent steht für Slow News. Mitte 2019 wird es in die USA expandieren und dort eine Website starten. Die für den Medientrends-Bericht Befragten prognostizieren, dass man 2019 noch mehr von der Slow-News-Bewegung hören werde. Es bleibt allerdings abzuwarten, heißt es in dem Bericht, ob diese „mutigen Journalismus-Experimente“ mehr als eine kleine Anzahl von engagierten Bürgern erreichen und damit genug Geld verdienen werden, um zu überleben.

Weitere Trends: Audio, KI, kollaborativer Journalismus

Podcasts und Smart Speakers werden immer populärer und deshalb geht für einen Großteil der Befragten 2019 nichts ohne Audio. Drei Viertel der Befragten geben an, dass Audio ein immer wichtigerer Bestandteil ihrer Inhalts- und Geschäftsstrategien wird, viele bauen sogar eigene Audio-Abteilungen auf. Die Mehrheit (78%) glaubt zudem auch, dass die zunehmende Beliebtheit von sprachgesteuerten Assistenten wie Amazons Alexa und des Google Assistant die Mediennutzung verändern könnte.

Weiterhin sind 78% der Befragten der Ansicht, dass Investitionen in künstliche Intelligenz (KI) zur Sicherung der Zukunft des Journalismus beitragen werden. Diese sollten aber, darin sind sich die Medienmacher einig, nicht auf Kosten der Menschen in den Redaktionen gehen. So sagen auch 85%, dass in mehr Journalisten investiert werden muss, um künftigen Herausforderungen begegnen zu können.

Ein weiterer Trend, den der Bericht für das neue Jahr ausgemacht hat, ist kollaborativer Journalismus. Medienunternehmen haben erkannt, dass die Zusammenarbeit mit ehemals konkurrierenden Redaktionen Vorteile bringt, da Inhalte und Ressourcen geteilt werden können. 71% der Befragten sind der Ansicht, dass Medienunternehmen sich gemeinsame Technologien teilen sollten, 67% nehmen an, dass eine Kooperation bei Werbestrategien Vorteile bringen könnte. Allerdings denken nur 50%, dass journalistische Ressourcen und Inhalte geteilt werden sollten.

Weg von Facebook

Unterdessen bewegen sich Medienunternehmen wieder weg von Facebook und richten ihren Fokus auf andere Plattformen, um Nutzer anzuziehen. Lediglich 43% der von Newman Befragten sind der Ansicht, dass das soziale Netzwerk 2019 für ihr Medienunternehmen „wichtig“ oder „extrem wichtig“ sein wird. Mehr als 8 von 10 Befragten (87%) betrachten Google als wichtigste Plattform im neuen Jahr. Interessanterweise, so heißt es in dem Bericht, wird Apple News für 2019 als genauso wichtig wie Facebook angesehen; einige Befragte haben hier einen starken Anstieg des Traffic festgestellt. 42% betrachten YouTube als wichtigste Plattform, 31% Instagram und 29% Twitter.

Der Trend geht dabei eindeutig weg von Newsfeeds hin zu Storys und Gruppen, wobei viele Medienunternehmen sich verstärkt auf Instagram-Storys fokussieren. Der Newsfeed, so heißt es in dem Bericht, ist ein Überbleibsel aus der Desktop-Ära, während Storys für mobile Bildschirme produziert werden. Für die Produktion von Storys braucht es visuelle Storytelling-Kompetenzen – Medien, die 2019 vor allem ein jüngeres Publikum anziehen möchten, brauchen Journalisten, die diese Kompetenzen bereits mitbringen oder gewillt sind, sich diese anzueignen.

Der Bericht „Journalism, Media and Technology Trends and Predictions 2019“ kann hier heruntergeladen werden.

Bildquelle: pixabay.com

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