Wie wir den afrikanischen Kontinent wahrnehmen, hängt maßgeblich von den Korrespondentinnen und Korrespondenten vor Ort ab. Eine Studie zeigt: Qualitätsjournalismus könnte Frieden und Entwicklung in Afrika fördern, ist aber nicht immer möglich.
Die Afrika-Berichterstattung schwankt zwischen Extremen. Auf der einen Seite: Ein dunkles, abgehängtes, armes Afrika. „The hopeless continent“ titelte beispielsweise das britische Wirtschaftsmagazin The Economist im Jahr 2000. Die sogenannten „K-Themen“ (Krankheiten, Krieg, Katastrophen, Kriminalität) bestimmen die Berichterstattung über Afrika und prägen damit die Art und Weise, wie wir den Kontinent wahrnehmen. Das belegen verschiedene Studien, zum Beispiel vom deutschen Afrika-Wissenschaftler und Journalist von Lutz Mükke (2009) oder Toussaint Northias, Wissenschaftler an der Stanford University (2018).
Doch es gibt auch eine andere Seite der Berichterstattung. Eine, die ein wachsendes, aufstrebendes Afrika beschreibt. Im Jahr 2011 titelte The Economist: „Africa rising“. Der „richtige“ Weg liegt möglicherweise irgendwo in der Mitte. So spricht sich Bartholomäus Grill, langjähriger Spiegel-Korrespondent, in seinem Buch „Ach, Afrika“ (2012) für eine differenziertere Betrachtung des Kontinents aus: „kritisch, ohne ihn zu verdammen, optimistisch, ohne ihn zu verklären“. Die Reporter*innen, die für uns aus Afrika berichten, beeinflussen das Bild, das deutsche Rezipient*innen von Afrika haben, maßgeblich. Aber beeinflussen sie auch den Kontinent, über den sie berichten? Konkret: Wollen die deutschen Afrika-Korrespondent*innen zu Frieden und Entwicklung beitragen? Und: Könnten sie das unter den schwierigen Arbeitsbedingungen überhaupt?
Um diese Fragen zu beantworten, wurden für eine Bachelorarbeit am Institut für Journalistik an der TU Dortmund zwölf deutsche Afrika-Korrespondent*innen aus der Subsahara-Region zu ihrem Rollenverständnis und ihrer Sicht auf die Afrikaberichterstattung befragt.
Berichterstattung nicht zu negativ, aber zu unausgewogen
Ein Großteil der Korrespondent*innen hält die Afrika-Berichterstattung nicht pauschal für zu negativ, dafür aber an vielen Stellen für zu unausgeglichen. Gerade was die Repräsentation einzelner Staaten und Bevölkerungsgruppen angeht, wünschen sich die Journalist*innen eine fairere Verteilung. Dieses Problem sei aber nicht afrikaspezifisch. Eine freie Korrespondentin sagt: „Die Diskussion ist uralt, für mich geht es eher darum zu gucken: Sind Geschichten gut recherchiert oder nicht?“ Wie positiv oder negativ die Berichterstattung ist, hänge zudem stark von den Formaten ab. Während in Nachrichtensendungen und Tageszeitungen aufgrund der Nachrichtenfaktoren in der Tat eher die K-Themen dominieren, werden in Magazinen und längeren Formaten sehr wohl positive Berichte dargestellt und nachgefragt. Diese halten auch die Korrespondent*innen für sehr wichtig. Die aktive Suche nach positiven Geschichten sehen sie aber eher kritisch.
Ohnehin lehnen die befragten Korrespondent*innen eine aktive Rolle in vielerlei Hinsicht ab. Die Förderung von Frieden und Entwicklung sei keine journalistische, sondern eine politische Aufgabe. Dennoch hoffen sie, dass sich ihr Berichtsgebiet positiv entwickelt. „Ich denke mal, dass die Berichterstattung, die sich an der Wahrheit, an den Fakten orientiert, einen positiven Effekt hat auf Frieden oder was immer damit zu tun hat“, sagt ein freier Wirtschaftskorrespondent. Aktiv zu Frieden und Entwicklung in Afrika beizutragen, lehnen die Korrespondent*innen aber ab. Sie sehen sich entsprechend vor allem in einer informierenden und analysierenden Rolle, die dem deutschen Publikum relevante Berichte liefert und dabei versucht, Verständnis von den Menschen und der Kultur der afrikanischen Länder zu vermitteln.
Kaum Einfluss auf das Leben im Berichtsgebiet
Da die deutschen Afrika-Korrespondent*innen für ein deutsches Publikum berichten, sehen sie keinen direkten Einfluss auf das Leben der Menschen in ihrem Berichtsgebiet. Zwar sei ein geringer Zusammenhang zu Spenden oder politischen Entscheidungen nicht auszuschließen, eine langfristige und weitreichende (positive) Beeinflussung halten die Korrespondent*innen jedoch für Überschätzung und nicht für einen Teil ihrer journalistischen Rolle. „Ich beeinflusse das Leben hier nicht. Das fände ich sehr anmaßend. Das einzige, was mal sein kann ist, dass man in Europa vielleicht ein kleines bisschen mehr aufmerksam wird“, sagt eine freie Afrika-Korrespondentin. Ein guter afrikanischer Journalismus dagegen könne die positive Entwicklung Afrikas fördern. Jedoch sehen die befragten Korrespondent*innen dafür aktuell zu starke Hürden in den politischen Gegebenheiten.
Politische und finanzielle Lage erschweren die Arbeit
Auch für die Korrespondent*innen gestaltet es sich schwierig, dem Anspruch guter Arbeit gerecht zu werden. Vorherrschende Strukturen und die politische Situation in den Berichtsgebieten schränken die Journalist*innen ein. Viele Regionen sind für die Korrespondent*innen sehr unsicher und wenn überhaupt nur mit einem umfangreichen Sicherheitsapparat zu bewältigen. Zudem sinkt die Pressefreiheit in vielen Staaten Subsahara-Afrikas. Angriffe auf die Presse oder Verweigerung der Einreise oder Drehgenehmigung stehen auf der Tagesordnung. Auf der anderen Seite nimmt laut den befragten Reporter*innen auch die indirekte Einschränkung zu: Verfahren werden künstlich verlängert und Gebühren für die Journalisten erhöht. Die Korrespondent*innen können entsprechend nicht so berichten, wie sie es möchten.
Dazu kommen redaktionelle beziehungsweise weitere finanzielle Einschränkungen. Inhaltlich genießen die befragten Korrespondent*innen zwar eine fast uneingeschränkte Freiheit in ihrer Berichterstattung. Während die Journalist*innen der öffentlich-rechtlichen Sender aber deutlich größere und sicherere finanzielle Ressourcen haben, sind sowohl die Korrespondent*innen privater Medien als auch die freien Journalist*innen finanziell eingeschränkt und können somit immer weniger Recherchereisen unternehmen. „Wenn die kein Geld geben und sich so verhalten, als würde ich vom Schreibtisch berichten, ist es natürlich in gewisser Weise auch eine inhaltliche Vorgabe“, fasst es eine langjährige Hörfunk-Korrespondentin zusammen.
Dennoch: Aufgrund des starken Bevölkerungswachstums und großen wirtschaftlichen Investitionen halten die Journalist*innen den afrikanischen Kontinent auch in Zukunft für elementar in der Berichterstattung. Globale Herausforderungen wie Klimawandel und Migrationsbewegungen, die besonders den afrikanischen Kontinent betreffen, sorgen dafür, dass die Korrespondent*innen in der Afrika-Berichterstattung sogar besonders viel Potenzial sehen.
Literatur:
Grill, Bartholomäus (2012): Ach, Afrika. Berichte aus dem Inneren eines Kontinents. Auflage. München: Siedler Verlag.
Mükke, Lutz (2009): Journalisten der Finsternis. Akteure, Strukturen und Potenziale deutscher Afrika-Berichterstattung. Köln: Herbert von Halem Verlag.
Northias, Toussaint (2018): How Western Journalists Actually Write About Africa. In: Journalism Studies, Vol. 19/ Nr. 8, S. 1138-1159.
Hilgers, Julian (2019): Journalismus als Hilfe für Frieden und Entwicklung? Eine qualitative Befragung zum Rollenbild deutscher Afrika-Korrespondenten. Unveröffentlichte Bachelorarbeit am Institut für Journalistik der TU Dortmund.
Schlagwörter:Afrika, Afrikaberichterstattung, Auslandkorrespondenten, Klimawandel, Migration, Subsahara-Region