Australien: Die Corona-Krise und die Medien

3. April 2020 • Aktuelle Beiträge, Internationales, Qualität & Ethik • von

In Australien herrscht – genauso wie überall auf der Welt – Ausnahmezustand. Der Journalismus arbeitet hochprofessionell, und doch gerät das Mediensystem journalistisch, aber auch ökonomisch in Bedrängnis.

Die aktuelle Covid-19-Pandemie birgt viele journalistische Herausforderungen. Jeder giert nach genauesten Informationen – auf einer nationalen aber vor allem auch lokalen Ebene. Das Bedürfnis der Menschen nach genauen Ansagen und einer reduzierten Komplexität, aber auch nach entsprechenden Entscheidungs-Autoritäten, hat dem australischen Premierminister Scott Morrison ein Sprungbrett geschaffen, sich zu profilieren.

Nachdem er in Anbetracht der massiven Buschfeuer Ende 2019 vor allem durch Abwesenheit geglänzt hatte und entsprechend in der Kritik stand, kann er nun als ‚Macher‘ auftreten. Seine Stimme ist laut und stark, die Botschaft ist: Wir schaffen das, im „Aussie-Style“, ohne Panik, mit Zusammenhalt, und einer besonderen Aufmerksamkeit auf der ökonomischen Kraft Australiens. So dominierte in den Medien das ökonomische Narrativ das gesundheitliche bereits in der Phase des Ausbruchs in China, vor allem auf Grund der wirtschaftlichen Verknüpfungen, so ist China Australiens wichtigster und mächtigster Handelspartner aber auch Investor. Aber auch ganz aktuell stehen die Rettungspakete für Unternehmen im Mittelpunkt.

Komödie statt Drama – immer schön entspannt bleiben

Dementsprechend ist die Berichterstattung in den Medien einerseits auf den Premier und seine neuesten Aus- und Ansagen fokussiert, insbesondere in den marktdominanten Medien, nämlich der Tageszeitung The Australian und den anderen Medien der News Corp. oder des ehemaligen Fairfax Imperiums, nun Nine Entertainment Co. Daneben gehören aber eher Komödien als Dramen zum besagten „Aussie-Style“.

Dies zeigt sich daran, dass nur ein Bruchteil der Berichterstattung mit Bildern wie dem „Killer-Virus“ oder vergleichbaren Angstmachern arbeitet. Vielmehr wird eine heitere Grundstimmung propagiert, nicht nur durch Memes oder Cartoons in den sozialen Medien, sondern auch in den Zeitungen. So druckte die NT Times zu Beginn der Krise und in Anbetracht der ersten Toilettenpapier-Hamsterkäufe in einer Ausgabe ein achtseitiges Special, das in Toilettenpapier zerschnitten werden konnte.

Öffentlicher Rundfunk als Alternative?

Doch das so genannte atlantisch-pazifische Liberalismus-Modell, zu dem Australien zählt, weist neben dem Meinungs-Monopol im Zeitungsbereich mit News Corp. und Nine auch einen starken öffentlichen Rundfunk auf. Die Australian Broadcasting Corporation (ABC) und der Special Broadcasting Service (SBS) operieren auf der Basis entsprechender Programmaufträge und zeichnen sich durch transparente, objektive und auch diverse Berichterstattung aus, sowohl im Radio- und TV-Bereich als auch in den sozialen Medien bzw. über ihre Apps.

Hier wird informiert, hier werden neben dem ökonomischen auch ein politischer oder auch ökologischer Diskurs geführt, hier findet „responsible reporting“ ohne Sensationalismus statt – aber auch ohne komödiantische Verharmlosungen. Doch auch hier erscheinen immer wieder die gleichen Gesichter, die gleichen Experten und Politiker, ertönen die gleichen Stimmen in den Live-Streaming-Dauerschleifen. Hier findet sich zurzeit eher System-Loyalität und Hofberichterstattung als kritischer, reflektierter oder auch konstruktiver Journalismus.

„Essential services“? Lokalmedien vor dem Aus

Verständlichkeit, wenig Sensationalismus, Komplexitätsreduktion sind aber vor allem auch die Stärken der regionalen und lokalen Medien. Eine eigene Studie der Autorin hat ergeben, dass gerade die Lokal- und Regionalberichterstattung der ‚Essential Service‘ ist, den es in derartigen globalen Krisen mit massiven Auswirkungen auf individueller und Community-Ebene braucht. Doch gerade in diesen Tagen hat die News Corp. 60 lokale Zeitungsausgaben in Australien eingestellt; sie werden nur noch als Online-Ausgaben zur Verfügung gestellt. Dies betrifft auch Zeitungen des Medienunternehmens in den USA und Großbritannien. Nur einen Tag später stampfte auch der vor allem im benachbarten Neuseeland operierende Bauer Verlag seine Magazin-Redaktionen ein. Auch hier der Grund: der wirtschaftliche Einbruch wegen ausbleibender Werbeanzeigen.

Nachdem die Essential Services im Fokus des australischen Premiers Scott Morrison stehen, stellt sich die Frage, ob nun auch hier der ökonomische Rettungsschirm der Regierung aufgespannt wird. Das hängt wahrscheinlich vor allem davon ab, inwieweit guter Lokal-Journalismus, inwieweit also auch Storys über die Community, ihren Umgang mit dem Virus und die unmittelbare soziale Unterstützung vor Ort zu grundlegenden Leistungen für eine funktionierende Demokratie gezählt werden.

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