Wie der Journalismus Vertrauen gewinnen kann

25. Juni 2020 • Forschung aus 1. Hand, Qualität & Ethik • von

Das Vertrauen in den Journalismus in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren polarisiert: Es gibt mehr Personen mit hohem und niedrigem Vertrauen, die Mitte wird schwächer. Doch wer vertraut oder misstraut den Medien und was sind die Gründe für ihre Haltung gegenüber dem Journalismus? Und wie kann der Journalismus das Vertrauen des Publikums gewinnen? Diesen Fragen gehe ich in einer aktuellen Studie nach.

Studie zeigt Lösungsansätze, was der Journalismus tun kann, um das Vertrauen des Publikums zu erhalten und auch zurückzugewinnen.

Für die Studie wurden rund 1.000 Personen in einer für deutsche Internetnutzer repräsentativen Umfrage befragt und zusätzlich 13 Leitfadeninterviews mit Personen geführt, die den Medien unterschiedlich stark vertrauen. Die Ergebnisse bestätigen den Befund der Polarisierung (Jackob et al., 2019):  Die Mehrheit der Befragten gibt intuitiv mittlere bis hohe Vertrauenswerte an und verlässt sich auch in ihrer Meinungsbildung auf die Informationen journalistischer Medien. Gleichzeitig existiert eine substanzielle Gruppe von Personen mit sehr geringem Vertrauen. Sie machen etwa 15 Prozent der Internetnutzer aus und lehnen den Journalismus auch als Impulsgeber für ihre Meinungsbildung und Anschlusskommunikation im Alltag ab.

Niedriges Vertrauen in die Medien hängt stark mit politischem Zynismus und einem individuellen Gefühl mangelnden politischen Einflusses zusammen, Personen mit geringem Vertrauen sind außerdem tendenziell misstrauischer gegenüber ihren Mitmenschen, glauben eher an Verschwörungen und haben ein größeres Bedürfnis nach einer klaren Einteilung in richtig und falsch.

Manipulationsvorwürfe stehen im Kern des Misstrauens

Zum Vertrauen in den Journalismus trägt bei, wenn die Menschen wahrnehmen, dass die Medien korrekt berichten, gesellschaftlich relevante Themen aufgreifen, Nachricht und Meinung sauber trennen und seriös berichten. Daneben ist es ausschlaggebend für Vertrauen bzw. Misstrauen, welche Gründe Menschen für Qualitätsmängel im Journalismus ausmachen. Personen mit geringem Vertrauen in den Journalismus sehen die Gründe für Fehler im Journalismus vor allem in mangelnder journalistischer Integrität: mangelnde Unabhängigkeit, Profitstreben und eine persönliche politische Agenda von Journalistinnen und Journalisten.Werden Fehler im Journalismus jedoch als unabsichtliche Fehler gesehen, die aufgrund von Zeitdruck oder der generellen Komplexität der Welt zustande kommen, werden Qualitätsmängel eher verziehen und das Vertrauen steigt.

Alternativmedien im Internet: Initialzündung für ‚Spirale der Entfremdung‘

Personen mit geringem Vertrauen in den Journalismus wenden sich jedoch nicht pauschal vom Journalismus oder von aktuellen Informationen ab: Sie nutzen ebenso intensiv Nachrichten wie Personen mit hohem Vertrauen, ergänzen ihre Informationsnutzung aber häufig mit Alternativmedien im Netz, die sich explizit als Gegengewicht zum Journalismus positionieren. Die Untersuchung zeigt, dass sowohl eine Unzufriedenheit mit der Berichterstattung des Journalismus als auch zufälliger Kontakt mit alternativen Ereignisdarstellungen im Internet zur Nutzung nicht-journalistischer Quellen führen kann. Das kann wiederum die Initialzündung für eine ‚Spirale der Entfremdung‘ gegenüber dem Journalismus sein, in der sich Misstrauen und Nutzung alternativer Informationsquellen gegenseitig verstärken.

Der Journalismus muss sich besser erklären

Was kann der Journalismus tun, um das Vertrauen des Publikums zu erhalten und es in bestimmten Gruppen auch zurückzugewinnen? Zunächst müssen sich journalistische Medien besser erklären: nachvollziehbar machen, wie ihre Ereignisdarstellungen zustande kommen, begründen, warum manche Themen ausgewählt werden und andere nicht, reflektieren, welche Probleme und Uneindeutigkeiten sich in der journalistischen Arbeit ergeben. Nur so können pauschale Manipulationsvorwürfe entkräftet werden, die den Kern des Misstrauens in Medien ausmachen. Nicht zuletzt kann mehr Transparenz nach außen auch für eine stärkere Reflexion in Redaktionen sorgen und damit journalistische Qualität fördern.

Transparenz kann auch bei Menschen mit geringem Vertrauen in die Medien auf fruchtbaren Boden fallen: viele von ihnen informieren sich ausführlich in journalistischen Medien und sind an den Mechanismen der Nachrichtenproduktion interessiert. In den vergangenen Jahren hat insbesondere der Online-Journalismus hier sinnvolle Formate entwickelt (z. B. Transparenz-Blogs). Transparenz sollte aber noch stärker in die tägliche Berichterstattung integriert werden, anstatt sie in eigene Formate mit oftmals geringen Reichweiten auszulagern.

Journalistische Medien als Orientierungsanker im Netz

Darüber hinaus sollte sich der Journalismus zum Erhalt und Aufbau von Vertrauen stärker darum bemühen, zum Orientierungsanker in einer vielfältigen Informationsumgebung zu werden. Große Teile des Publikums informieren sich auch abseits des Journalismus: bei Privatpersonen, Organisationen oder interessengeleiteten Alternativmedien. Deren Informationen gilt es im Journalismus aufzuarbeiten und einzuordnen.

Leerstellen in der Berichterstattung können einem Vertrauensverlust Vorschub leisten, wenn staatliche oder sonstige interessengeleitete Akteure die einzigen Anbieter von Informationen zu einem bestimmten Thema sind. Online-Medien könnten z. B. spezielle Info-Seiten zu aktuellen Themen anbieten, wo einerseits eigene Inhalte gesammelt und andererseits weiterführende Links zu seriösen Quellen angeboten werden. Sinnvoll sind weiterhin Artikel im Stil von ‚Was wir wissen und was nicht‘, in denen zu aktuellen Ereignissen die derzeit gesicherten Kenntnisse ebenso wie kursierende Falschmeldungen oder Verschwörungstheorien aufgegriffen und Faktenchecks unterzogen werden.

Vielfalt und Repräsentation, auch in den Redaktionen

Schließlich macht die Studie deutlich: Wer den Medien misstraut, misstraut häufig auch der Politik, glaubt nicht an den eigenen politischen Einfluss und sieht sich politisch und medial nicht repräsentiert. Diese Einstellungen gründen offenbar in tiefgreifenden Erfahrungen mangelnder gesellschaftlicher Teilhabe, Wertschätzung und Selbstwirksamkeit. Der Journalismus muss es schaffen, die gesellschaftlichen und politischen Probleme ernst zu nehmen und zu thematisieren, die hinter solchen Wahrnehmungen stehen. Dabei wird es gelten, ohne Paternalismus und Abwertung ein Verständnis für die Lebenswelten der Menschen zu entwickeln, die solchen Einstellungen anhängen – und diese auch medial zu repräsentieren.

Gleichzeitig muss sich der Journalismus klar gegen Populismus und menschenfeindliche Einstellungen positionieren, demokratische Werte (vor)leben und solche Positionen deutlich ausgrenzen, die außerhalb des Grundgesetzes stehen. Im Journalismus ist damit inhaltlich auf Vielfalt zu setzen und die bestehende Vielfalt stärker zu betonen und prominenter zu platzieren. Dies gilt auch personell: Noch immer sind Redaktionen relativ homogen besetzt, Personen aus Arbeitermilieus oder mit Migrationshintergrund sind deutlich unterrepräsentiert. Vertrauenswürdiger Journalismus ist aber nicht nur transparent und bietet Orientierung, sondern spiegelt auch die Vielfalt der Gesellschaft wider.

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Die Studie ist erschienen als: Prochazka, F. (2020). Vertrauen in Journalismus unter Online-Bedingungen. Zum Einfluss von Personenmerkmalen, Qualitätswahrnehmungen und Nachrichtennutzung. Wiesbaden: Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-30227-6

Sie steht als Open-Access-Buch kostenlos zur Verfügung unter: https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-30227-6

Die Datenerhebung wurde finanziert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) (SCHW 1172/8-1), die Publikation gefördert von der Ludwig-Delp-Stiftung.

 

Bildquelle: pixabay.com

 

 

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