Raus aus der digitalen Nachrichtenwüste

2. Mai 2022 • Aktuelle Beiträge, Digitales, Qualität & Ethik • von

Wem werden online welche Nachrichten vorgeschlagen? Und was hat das mit der Zahl der digitalen Freunde zu tun? Die „digitale Nachrichtenwüste“ ist vor allem ein Netzwerk-Phänomen.

Viele Beiträge in den sozialen Medien sucht man sich nicht selbst aus. Digitale Freunde aus dem eigenen Netzwerk und Plattformalgorithmen machen Vorschläge und posten Inhalte in der Chronik der Nutzer. Das gilt auch für politische Informationen. Diesen nicht beabsichtigten, eher zufälligen Begegnungen mit politischen Inhalten werden in der Literatur positive Effekte auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die demokratische Akzeptanz zugeschrieben. Sie öffnen den eigenen Horizont für unerwartete und widersprüchliche Themen und Meinungen.

Die US-amerikanischen Forscher Matthew Barnidge und Michael A Xenos haben 1493 Personen im Jahr 2018 nach ihrem politischen Interesse, ihren digitalen Kontakten und ihrer Nachrichtennutzung in den sozialen Medien befragt. Ihr besonderes Interesse galt dabei dem Einfluss des persönlichen Netzwerks, also des digitalen Freundeskreises auf den Umfang der Nachrichtenvorschläge.

Dabei kamen Barnidge und Xenos zunächst zu einem überraschenden Ergebnis. Etwa ein Viertel der Befragten gaben an, überhaupt keine Nachrichtenvorschläge zu bekommen. Die Autoren bezeichnen diese Gruppe als Bewohner der digitalen Nachrichtenwüste. Männer, ältere Befragte und Personen mit geringerem Einkommen sind in der Gruppe überproportional vertreten. Den stärksten Zusammenhang fanden die Forscher dann aber erwartungsgemäß zwischen der aktiven, von den eigenen Interessen geleiteten Nachrichtennutzung und den zufälligen Vorschlägen der Plattformalgorithmen. Die Gewohnheiten und Interessen der Nutzer in der Vergangenheit bestimmen die aktuellen Nachrichtenvorschläge in der Chronik.

Die Frage nach der Bedeutung des digitalen Freundeskreises konnten die Autoren übrigens eindeutig beantworten: Je größer die Zahl und je unterschiedlicher die Art der Kontakte der Befragten in den sozialen Medien waren, desto höher stieg die Wahrscheinlichkeit mit unerwarteten Themen und Meinungen konfrontiert zu werden. Vorschläge und geteilte Inhalte der digitalen Freunde verringerten das Risiko signifikant, in der digitalen Wüste zu landen.

Matthew Barnidge & Michael A Xenos (2021): Social media news deserts: Digital inequalities and incidental news exposure on social media platforms. In: new media & society. https://doi.org/10.1177/14614448211059529

Erstveröffentlichung: tagesspiegel.de/1.5.2022

Beitragsbild: webtechexperts/pixabay.com

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